Ausgabe Nr. 2445
10. „Tarafuri și Fanfare"-Festival im Freilichtmuseum
Vasile aus Idicel (Mureș), ein „guter Hirte“, verkaufte unlängst alle seine Schafe, um mehr Zeit zu haben, auf seiner Holzflöte zu spielen: „Zum Henker mit dieser vierbeinigen Schar. Die Musik ist etwas anderes, sie allein erlaubt mir immer wieder, nach frischer Luft zu schnappen.“ Seine Nachfahren seien ohnehin in alle Winde zerstreut. Mit diesem tristen Monolog debütierte der letzte Tag der zehnten Auflage des Festivals „Tarafuri și Fanfare“, der sich am Sonntag, zwischen 16 und 20 Uhr, auf der Bühne am See des Freilichtmuseums im Jungen Wald abspielte.
Das Anliegen des berühmten Amphitryons lautete sonnenklar: Die alten Musikanten und ihr verstaubtes Repertoire, das heutzutage zur Rarität geworden ist, wieder zu entdecken und entsprechend zu fördern. Die Tradition der alten Musikanten und ihrer bukolischen Musikstücke, die mündlich überliefert wurden, werde, so Leșe, „nolens volens von den Kulturbanausen der tobenden modernen Zeiten zur Schnecke gemacht". Leșe sieht es als ein Muss an, diese „musizierenden Anonymen" einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Wenn man über Rumänien sinniere, ginge es beileibe nicht um ein Unterhaltungsland mit faden Komikern, sondern um ein Land der tragischen Tiefen, der rumänischen Traditionen, behauptet Leșe und schlägt vor: „Sie sollten bei Hochzeiten spielen und singen und diese nach rumänischer Tradition musikalisch begleiten“. Leider sehe es heute ganz anders aus: Die Alten spielen nur eine periphere Rolle. Es lebe das unmusikalische Heulen und die entfesselten Ignoranten.
Getunte E-Orgeln oder andere elektronischen Musikinstrumente passten bei dieser Veranstaltung nicht ins Bild. Es ging um einige uralte Geigen, ein Hackbrett, eine Trommel, ein Akkordeon, und ein paar Protagonisten. Keine erste Geige war anwesend. Vasile, der Holzflötenspieler, oder Rela aus Gorj, eine echte und kostbare rumänische „Cesaria Evora”, gehören, so Leșe, zur alten Musikgeschichte Rumäniens, sie seien schon immer da gewesen, seit jenen Zeiten, als der Großvater die Großmutter freite. Sie würden kein Interesse an der Kunst hegen, sie singen und spielen, und damit basta. Hier gehe es keinesfalls um eine rätselhafte Philosophie.
Man darf fragen: Kann man aber alles, was wir Musik nennen, zu Papier bringen? Aber wie mag die Musik überhaupt hörbar sein, wenn sie auf ein Blatt geschrieben wird? Da wirkt sie für die authentischen Musikanten eher wie eine Ansammlung von „verschnörkelten Buchstaben“, unansehnlich eben. Sie bleibt nur da gefesselt, und nur das Papier allein kann sie dulden. Die Klänge aber steigen nicht nur die Wände, sondern auch die Seelen hoch. Sie bewirken eine fließende innerliche Vibration. Als Komposition und Struktur geht es nicht nur um ein banales Trillern, sondern um die Verdichtung der Geschichte, der Traditionen und des Liebeslebens der uralten Dorfwelt.
Unter dem Strich kann man sagen, es ging bei dem Festival „Tarafuri și Fanfare“ darum, klare Grenzen zu setzen zwischen Wert und falschen Werten. Die Anwesenden wollten die „neu-alten Geschichten“ der unbekannten Spielmänner erfahren und immer wieder hören, und dabei den Lärm der verstaubten Moderne vergessen. Es ging nicht um das Essen sondern um das Kosten. Das Publikum kam bestimmt auf seine Rechnung. Es war, als würde die Bühne am See noch lange tanzen, nachdem Publikum und Musikanten abgezogen waren.
Das im Freilichtmuseum gestartete Festival „Tarafuri și Fanfare“ mit seiner Musikantenkaravane, ein Fest der unbekannten Klänge und Stimmen, endete nicht in Hermannstadt, andere rumänische Städte, wie Craiova und Târgu Jiu, warten auf die betagten Gäste und deren musikalische Schatztruhe.
Dragoș COJOCARIU
Der Hirte Vasile (1. v. l., sitzend) und weitere Teilnehmer lauschen der Kapelle aus Forăști/Suceava.
Foto: Irina-Eliza PENCIU