Einiges lief gut, anderes schlecht

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Ausgabe Nr. 2438
 

Rückblick auf die Parlamentarische Session 2014/2015 mit MdP Ovidiu Ganț

 

Ovidiu Ganţ, der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien gab am Donnerstag Auskunft über seine Tätigkeit im Rumänischen Parlament, die HZ-Redakteurin Ruxandra S T Ă N E S C U notierte.

Wie war diese Parlamentarische Session?

Ich denke, dass in dieser parlamentarischen Session einiges gut und einiges schlecht gelaufen ist. Die deutsche Minderheit ist einigermaßen zufrieden mit  einem großen Teil der verabschiedeten Gesetze. Zum Beispiel ist das Gesetz der allgemeinen Wahlen, das vom Parlament bewilligt wurde und nun auf die Promulgation wartet, ein viel besseres Gesetz als das bisherige. Ich bin ein Anhänger der gemischten Wahlen, das ist bereits bekannt, aber das hängt ja von den großen Parteien ab, nicht von den nationalen Minderheiten.

Was wurde da geändert?

Hauptsächlich hat man beschlossen, dass man wieder Listenwahlen haben wird. Da habe ich allerdings die Hoffnung, dass bei der Aufstellung der Listen die regionalen und lokalen Organisationen diesmal ein Mitspracherecht haben und dass ihre Vorschläge in den zentralen Büros in Bukarest akzeptiert werden. Das betrifft eingentlich weniger das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, denn da haben wir eine ganz einfache Prozedur: Wir geben eine einzige Liste ab, für das ganze Land, so wie wird es auch 2004 getan haben. Weiterhin gilt für die Parteien die 5-Prozent-Hürde, aber auch die Ausnahmen, die die Vetretung der Minderheiten – betrifft also auch das Forum – möglich macht, was sehr gut ist. Wie gesagt, dieses System ist sehr gut für die Minderheiten und noch besser für ganz Rumänien.

Mit dem Gesetz für die Lokalwahlen sind sie aber nicht so zufrieden?

Tatsächlich, bei den Lokalwahlen ist es nicht die perfekte Option mit dem einzigen Urnengang und das Forum hat bereits die Meinung veröffentlicht, dass man in zwei Wahlgängen einen Bürgermeister wählen sollte. Im Parlament hat allerdings die Mehrheit anders entschieden – so funktioniert es eben in der Demokratie.

Was ist nicht in Ordnung damit?

Ich denke, es ist einfach eine Frage der Legitimität. Stellen Sie sich vor, in einer Ortschaft gibt es fünf Kandidaten, die etwa gleich viele Unterstützer haben, also bekommt jeder von ihnen um die 20 Prozent der Stimmen. Der Bürgermeister könnte dann mit sagen wir 22 Prozent der Stimmen der Wahlgänger gewinnen, was nicht unbedingt der Anzahl der Wahlberechtigten entspricht. Das ist meiner Meinung nach nicht mehr die Option der Gemeinde.

Wie steht das DFDR dazu?

Was kann man dazu noch sagen? So hat das Parlament entschieden und wir müssen damit leben.

In Hermannstadt haben wir eine Sondersituation durch den Sieg von Klaus Johannis bei den Präsidentschaftswahlen.

Ja, obwohl ich die Regierung darauf mehrmals angesprochen habe, wurden hier keine Neuwahlen organisiert für das Amt des Bürgermeisters. Das ist nicht so gut, aber so ist es nun mal und da wird das Forum bei den regulären Lokalwahlen teilnehmen. Allerdings muss ich sagen, dass wir in Hermannstadt bereits erfahrene Kreis- und Stadträte haben, die auch sehr gut ihren Job kennen und machen. Die Frage ist, inwieweit wir neue Kandidaturen haben werden in Ortschaften, wo das Forum keine Tradition hat. Dafür haben wir allerdings noch Zeit.

Was die Wahlgesetze betrifft, sind Sie nicht ganz zufrieden…

Ein Minuspunkt ist das Gesetz über die Briefwahl, das nicht angenommen worden ist. Da kann man z. B. rechtzeitig die Unterlagen beantragen und seine Wahl treffen, auch wenn man an dem Wahltag nicht dabei sein kann oder will.

Allerdings traue ich der elektronischen Wahl nicht und diese wird eigentlich auch in anderen Länder nicht angewendet. Da müssen wir keine Vorreiter sein.  Die Briefwahl ist aber eine geprüfte Prozedur, die man hier  in Rumänien recht einfach einführen könnte.

Wurden auch weitere Gesetze verbessert?

Tatsächlich, verbessert wurde auch das Gesetz über die Finanzierung der Parteien, besonders durch die Unterstützung des Präsidenten Klaus Johannis, der die vorherige Variante an das Parlament zurückgeschickt hatte.

Was ist nicht so gut?

Schlechter als die vorherige Variante ist das Gesetz der Parteien, und da habe ich mich der Stimme enthalten. Ich glaube nicht an eine Partei mit drei Mitgliedern. Und ich denke, dass eine Parteien-Inflation wie Anfang der 90-er Jahre nicht zu wünschen ist, insbesondere auf lokaler Ebene, in den kleinen Gemeinden…  Wie wird in einer kleinen Gemeinde eine Verwaltung aussehen, wenn da zehn verschiedene Parteien vertreten sind, die unterschiedliche Interessen haben? Da kann man nie eine Mehrheit zusammenstellen, um etwas zu beschließen. Ich hoffe allerdings, dass es solche Probleme nicht geben wird, aber wenn das der Fall sein sollte, werden wir große Schwierigkeiten haben.

Zu diesem Gesetz gab es in der Öffentlichkeit unterschiedliche Meinungen.

Ja, da gab es viele  gegensätzliche Meinungen, auch viele NGOs haben dieses Gesetz als positiv betrachtet. Ich habe auch viele Politologen erklären gehört, dass die aktuellen Parteien am Ende sein würden, aber ich denke, dass man eher die aktuellen Parteien organisatorisch und ideologisch konsolidieren sollte. Wir haben in Rumänien viele Parteien, die zu den großen europäischen Parteien gehören, da sollten wir keine neuen exotischen Organisationen erfinden. Als Rumänien EU-Mitglied geworden ist, haben wir ungezwungen erklärt, dass wir eine EU-Richtlinie befolgen werden, da können wir nicht im Land unter uns unsere eigene Politik machen. Ich denke, dass die Theorie fundamental falsch ist und dass eigentlich die innere Parteidemokratie gestärkt werden muss.

Ein schlechtes, ein gutes…

Positiv finde ich die Erneuerung der Regelungen der Abgeordnetenkammer – und ich war Teil davon. Es ging um grundlegende Regelungen, wie die Aufhebung der Immunität und weitere Entscheidungen des Verfassungsgerichts bis hin zu organisatorischen Problemen, wie zum Beispiel unser Programm. Bisher war es nötig, dass auch bei den Debatten ein Quorum erreicht werden musste, doch da habe ich mich persönlich dafür eingesetzt, dass diese Regelung gestrichen wird. Ein Quorum bleibt natürlich bei den jeweiligen Abstimmungen nötig, doch jetzt müssen wir nicht mehr warten, bis sich der eine oder andere Parlamentarier bemüht, zu den Debatten zu erscheinen. So können wir pünktlich unsere Sitzungen beginnen, ohne dass der eine oder der andere es schafft, uns allen die Zeit zu stehlen. Wenn zum Beispiel im Europäischen Parlament der Sitzungsleiter sich auch nur eine einzige Minute verspätet hat, haben die Kollegen aus Protest geklatscht oder mit den Füßen gestampft. Es war nicht üblich, wie bei uns, auf die Kollegen zu warten und zu hoffen, dass sie sich bald zu den Sitzungen bemühen werden, um mit der Arbeit beginnen zu können.

Sie sind auch in der Verfassungskommission, was können Sie davon berichten?

Die Bearbeitung der Verfassung ist leider ein großer Minuspunkt. Da kann ich über keine Fortschritte berichten, die Arbeiten sind suspendiert und ich glaube, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien so groß sind, dass man kaum zu einem politischen Konsens kommen kann.

Da wären noch die Schulen und das Schulsystem…

Ja, auch dieses Jahr werden die Schüler keine Lehrbücher haben und das ist ein sehr ernstes Problem. Ich spreche nicht von den elektronischen Lehrbüchern, sondern von den einfachen, klassischen Lehrbüchern. Das beweist, dass wir ein Viertel Jahrhundert nach der Wende nicht imstande sind, ein administratives Problem zu lösen, denn dies ist kein politisches Problem. Es müsste ein Automatismus sein, nicht ein ewiges Problem. Ich wünsche mir einen Bildungsminister, der wirklich nichts reformieren will. Sein einziges Ziel soll es sein, die Dinge ins Rollen zu bringen, so dass alles im Rahmen der vorhandenen Gesetzesgebung reibungslos funktioniert. Ich hoffe, dass wir auch in diesem Bereich Fortschritte machen, aber da bleibe ich leider skeptisch.

Das Lehrbuchproblem betrifft allerdings nicht nur die Schulen der Minderheiten.

Nein, keineswegs! Das Bildungsministerium hat die Lehrpläne geändert aber keine Anstalten gemacht, auch passende Lehrbücher zu bestellen. Da hat man alte Lehrbücher neu drucken lassen, damit die Schüler irgend etwas auf ihren Pulten haben. Aber das ist keine Lösung. Zu allem Überfluss kam die unglückliche Idee des elektronischen Lehrbuches, was das Ganze nochmals kompliziert hat. Und übrigens, aus meiner Erfahrung als Vater finde ich es wichtig, den Kindern noch klassische Bücher in die Hand zu drücken, da muss wirklich nicht alles elektronisch sein!

Die deutsche  Minderheit muss auch mit dem Lehrermangel kämpfen.

Seit ich in der Politik tätig bin, habe ich die Regierungen und ihre Vertreter auf Erden – das Bildungsministerium – aufgefordert, angebrachte Maßnahmen zu finden. Ich behaupte nicht, richtige Antworten auf Alles zu haben, aber ich habe mehrere Vorschläge gemacht und ich bin bemüht, etwas dafür zu tun. Z. B. soll man die Universitäten unterstützen, Ausbildungen für Lehrer anzubieten. Auch soll man den Arbeitsmarkt bewerten, bevor man Ausbildungen anbietet, denn was glauben Sie dass die über 700 Anwälte in Temeswar den ganzen Tag tun? Die Regierung muss einsehen, dass das Hochschulsystem kein Business ist. Es gibt eine deutschsprachige Lehrerausbildung an der Babeş-Bolyai-Hochschule in Klausenburg, es gibt auch einen Versuch in Hermannstadt, aber die Regierung muss ein Konzept erarbeiten, so dass zum Beispiel deutschsprachige Wissenschaftler gefördert werden, Chemie oder Physik zu unterrichten.

Die dualen Schulen sind ein Beweis dafür, dass einige Probleme auch Lösungen haben, die für alle Beteiligten positiv sind.

Sie haben Urlaub und doch keinen Urlaub…

Beziehungen zum Ausland waren und bleiben wichtig in meiner parlamentarischen Tätigkeit, und ich werde tatsächlich auch diesen Sommer bei verschiedenen Treffen dabei sein. Zum Beispiel habe ich wichtige Besuche nach Rumänien ermittelt und unterstützt, Sie haben bereits über diese berichtet,  unter anderem von Bundesminister des Auswärtigen Frank-Walter Steinmeier und dem Präsidenten des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann.  In diesem Sommer gibt es ein Treffen der deutsch-rumänischen Regierungskommission, um hier Probleme der deutschen Minderheit zu besprechen. Auch Reinhold Gall, Innenminister des Landes Baden-Württemberg werden wir in Temeswar erwarten, angesprochen werden nicht nur die Belange der deutschen Minderheit, sondern auch der Schengenraum und die Migranten. Außerdem erwarten wir auch den Besuch des Kardinals Joachim Meisner, denn in Lippa/Lipova werden die Renovierungsarbeiten an der katholischen Wallfahrtskirche Maria Radna beendet. Das sind die Sommerpläne.

Danke für das Gespräch.

 

Der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț (links) und sein Referent Wiegand Fleischer bei der Pressekonferenz im Forumshaus.

Foto: die Verfasserin

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Politik.