„Gewerkübergreifend arbeiten und lernen“

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Ausgabe Nr. 2438
 

Münchener Auszubildende im Praktikum im Kaltwassertal

 

Seit 2010 arbeiten Meisterschüler und Auszubildende aus München jährlich in zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalten an der Kirchenburg in Mardisch/Moardăș und am Pfarrhaus in Martinsdorf/Metiș. Auf diese Weise konnte dem schleichenden Verfall dieser Gebäude nachhaltig Einhalt geboten und zwischenzeitlich mit Restaurierungsarbeiten begonnen werden.

Den Auftakt des Münchener Engagements machte seinerzeit die Fachschule für Bautechnik unter der Projektleitung von Hans Gröbmayr (die Hermannstädter Zeitung berichtete am 21. Juni 2013). Diese Initiative befasste sich schwerpunktmäßig mit der Instandsetzung der Mardischer Kirchenburg. 2014 kam es dann zum Stabwechsel, und die Projektleitung hat seither die Malerinnung München mit den beiden Projektverantwortlichen Michael Doll (Leiter Berufsbildungszentrum) und Heike Ernst (Assistentin des Leiters Berufsbildungszentrum) inne.

 

Erfreulicherweise wurde ihr Antrag für das EU-Förderprogramm „Leonardo da Vinci“ bzw. „Erasmus“ bis Ende Mai 2017 positiv beschieden, so dass das Engagement der Münchener Handwerksinnungen in Siebenbürgen nun für weitere zwei Jahre gesichert ist.

Die Neuauflage des Projektes beinhaltet den neuen Ansatz: „Gewerkübergreifend arbeiten und lernen.“ Jedes Gewerk soll dem anderen einmal über die Schulter schauen können. In diesem Sinne sind im Mai 40 Auszubildende der Münchener Bauinnung, der Maler- und der Lackiererinnung sowie der Zimmererinnung nebst ihrer Ausbildungsmeister ins Kaltbachtal gereist.

Hier nun Stimmen einiger Auszubildenden zu ihrer Berufswahl, ihrem Aufenthalt in Siebenbürgen und ihren Eindrücken, die sie hier gesammelt haben.

Annika Niessner (17): „Ich bin im 2. Ausbildungsjahr bei den Straßenbauern. Ich wollte von Anfang an nicht ins Büro. Zwar habe ich mal ein Praktikum im Büro gemacht, aber irgendwie komme ich mit dem Bürokram nicht klar. Ich wollte schon immer was Handwerkliches machen und war zum Praktikum in der Schreinerei und auch im Tiergarten. Dann bin ich mal anderthalb Tage mit meinem Vater – der ist auch Straßenbauer – zur Arbeit mitgegangen und dort hat es mir am besten gefallen! An diesem Auslandspraktikum nehme ich freiwillig teil, und ich finde es hier richtig geil! Wir sind neun Straßenbauer und wir haben hier schon richtig viel erreicht. Zum Beispiel haben wir einen Drainageschacht rund um das Pfarrhaus angelegt. Das, was wir hier machen, mach ich zu Hause gar nicht! Außer der Arbeit, die man selber macht, lernt man auch andere Gewerke kennen. Und auch andere Baustoffe – z. B. mit Lehm zu arbeiten, statt mit Zement. Man lernt auch eine andere Kultur kennen. Das ist hier ganz’ne schöne Zeit und ich fahr gerne wieder hierher.“

Willi Müller (17): „Eigentlich wollte ich Mechaniker für Land- und Baumaschinen werden. Jetzt bin ich im 2. Ausbildungsjahr bei den Straßenbauern. Ich finde es hier eigentlich ganz gut – es ist ziemlich interessant. Es ist hier so, wie es bei uns früher mal war. Wir sind hier in Martinsdorf angekommen und haben gleich richtig Gas gegeben und nur mit Schaufeln haufenweise Erde ausgekoffert. Unser Motto ist inzwischen ‚Wir sind keine Menschen, wir sind Maschinen‘! Doof fand ich, dass es die ersten Tage nur kaltes Wasser zum Duschen gab. Ansonsten haben wir echt schon viel geschafft, und ich finde hier unsere Zusammenarbeit toll, und dass wir füreinander einstehen.“

Moritz Schmautz (20): „Im letzten Jahr war ich schon mal als Malerlehrling mit im Auslandspraktikum in Siebenbürgen. Inzwischen bin ich Geselle und fange ab September mit meinem Meister an. Als ich vom Leiter Berufsbildungszentrum der Malerinnung München (Michael Doll) gefragt wurde, ob ich wieder mitfahren möchte, habe ich spontan zugesagt. Hier finde ich besonders gut, dass ich Arbeiten machen kann, die ich in Deutschland nicht machen darf – z. B. Freilegearbeiten in der Kirche in Mardisch. Parallel arbeite ich Stuck an einer alten Hausfassade nach – das habe ich in Deutschland auch noch nicht gemacht.“

Fabian Wahl (16): „Ich bin Malerlehrling im ersten Ausbildungsjahr. Maler ist der perfekte Job für mich, denn man sieht den Erfolg sofort und man kann viel schaffen. Ich bin froh, dass ich mir diesen Beruf ausgesucht habe. Moritz und ich sind im selben Ausbildungsbetrieb. Meine Chefin hat mich gefragt, ob ich das Auslandspraktikum machen will. Ich hatte einen Tag Bedenkzeit und habe zugesagt. Ich hab mich schon auf dieses Praktikum gefreut und finde es cool, hier zu sein. Es ist schon eine Umstellung hier, und man lernt zu schätzen, was für einen Luxus man in Deutschland hat. Was mich hier nervt, ist das immer gleiche Essen. Mehr Abwechslung wäre toll! Ansonsten finde ich die Landschaft hier ziemlich schön. Und mir gefällt, dass die Häuser hier bunt sind. Irgendwie ist das ein Zeichen von Lebensfreude!“

Stephan Trautner (22): „Ich bin Zimmererlehrling im 3. Ausbildungsjahr. Meine Oma und mein Opa kommen aus Girelsau/Bradu. Ich mag das Land sehr und möchte hier gerne helfen. Außerdem ist es eine wahnsinnige Chance, mal was anderes zu sehen, als die hochmoderne Arbeit in Deutschland, aber es ist natürlich auch eine Umstellung. Die Arbeit in Deutschland ist viel genauer und reglementierter. Im Gegensatz dazu ist hier auch Improvisation erforderlich – und das regt an! Die Landschaft ist hier wahnsinnig schön, und ich genieße die Zeit und Ruhe hier. Meine Familie war begeistert, dass ich im Auslandspraktikum nach Siebenbürgen gekommen bin. Natürlich ist auch ein Besuch mit allen anderen Azubis in Gierelsau geplant. Wenn ich zurück in Deutschland bin, will ich einen Rumänisch-Sprachkurs machen, damit ich mich auch alleine in Rumänien zurechtfinden kann.“

Jeremias Bäumler (24): „Ich war lange unschlüssig, was ich beruflich machen wollte und war schon in Kanada und Alaska. Schließlich bin ich alleine zu Fuß von der Ukraine nach Rumänien gegangen – über die Karpaten. Das war für mich ein wirklich nachhaltiges Erlebnis. Damals schon hat mich die Hilfsbereitschaft und die Gastfreundschaft der Menschen in Rumänien begeistert. Nun bin ich Zimmererlehrling im 3. Lehrjahr. Ein Vorteil an diesem Auslandspraktikum ist, dass man sich gewerkübergreifend informieren kann. Schließlich nutzt man ja, was die anderen Handwerker machen! Das erhöht die Wertschätzung den anderen Gewerken gegenüber. In Deutschland bekommt man davon nicht so viel mit. Hervorragend ist unser gesamtes Zimmererteam. Wir kennen uns seit zwei, drei Jahren und sind – zusammen mit unserem Ausbildungsmeister, Wolfgang Weigl, der ein fantastisches Gemüt hat und eine unglaubliche Ausgeglichenheit ausstrahlt – eine tolle Gemeinschaft. Außerdem habe ich großen Respekt für das Ausbildungswesen, das das alte Kunsthandwerk nicht in Vergessenheit geraten lässt – an dieser Stelle also ein Lob an die Innungen! Die Restaurationsarbeit an alten Gebäuden ist deutlich schwieriger, als die Arbeit an modernen Bauten. Anders als in Deutschland, können wir hier als Auszubildende zum Großteil selbstständig arbeiten und mehr Verantwortung übernehmen. Das ist eine gute Erfahrung!“

Moni SCHNEIDER-MILD

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Kirche.