Alles hat seine Zeit

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Ausgabe Nr. 2427
 

Brotbackseminar in Kleinschenk

 

„Das Leben der sächsischen Gemeinde in Kleinschenk schien nach der letzten großen Auswanderungswelle zu Ende. Aber es geht weiter, auf eine neue Weise.“ So etwa formulierte es Dr. Carmen Schuster, Vorsitzende des Vereins „Contrafort Pro Kleinschenk Cincșor“, als sie für das Dutzend Teilnehmerinnen am Brotbackseminar der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien eine Führung durch das alte Pfarrhaus und die Kirchenburg in Kleinschenk machte. Im August 2014 war hier der erfolgreiche Abschluss des 18-Kirchenburgen-EU-Projektes gefeiert worden. Auch die wertvolle Samuel-Metz-Orgel konnte jüngst dank einer Spendenaktion restauriert werden. Das Pfarrhaus und die ehemalige evangelische Schule sind renoviert und zu einem Gästehaus-Komplex ausgebaut worden. Wer hätte das vor 25 Jahren oder vor 10 Jahren gedacht und für möglich gehalten?

 

Im schlicht-edlen Tagungshaus waren am letzten Wochenende 13 Frauen und ein Bursche aus sieben Ortschaften gemeinsam am Werk. „Brot und Zeit“ lautete das diesjährige Thema, das sich am ausgesuchten Ort, Kleinschenk am Alt, sehr angenehm umsetzen ließ. Wir brachten Zeit und Neugierde mit und nahmen Brot und Erinnerungen nach Hause. Im ehemaligen östlichen Klassenzimmer der Schule, für die im Jahr 1909 der Schäßburger Architekt Fritz Balthes riesengroße Fenster entworfen hatte, ist jetzt ein Bibliothekssalon eingerichtet. Hier haben die Teilnehmerinnen ausgehend vom Bibeltext „Alles hat seine Zeit“ (Prediger 3, 1-13) ihre persönlichen Gedanken zum Thema Zeit ausgetauscht und bis zur Nachtstunde gemeinsam Kirchen- und Volkslieder gesungen.

Am Haupttag des Seminars haben die jüngeren und älteren Frauen unter der feinfühligen und geduldigen Anleitung von Kuratorin Gerda Theil aus Kleinschenk, einer erfahrenen Bäckerin, den Brotteig aus 20 kg Mehl in einem uralten, stattlichen Backtrog aus Weidenholz geknetet. Alle durften kneten oder sonstwie mitarbeiten. Das Wasser für den Brotteig war von einem gelernten Koch gewärmt worden! Ansonsten zauberte Koch Adrian in der hübschen Küche des Hauses überaus leckere Mahlzeiten für die Gäste.

Backen ist manchmal eine Geduldsprobe. Da es ein kühler Tag war, ging der Teig nur langsam auf. Also konnten die Brote auch nur etwas später als geplant in den Holzbackofen eingeschossen werden. Umso größer war die Freude, nach einem regennassen Spaziergang durch die beeindruckende Kirchenburg nun endlich das frische Brot aus dem Ofen zu holen! Nach siebenbürgischer Art klopften die Bäckerinnen geschwind die Kruste ab. Während des Mittagessens kühlten die Brote ab, so dass am Nachmittag jede etwas davon nach Hause mitnehmen konnte.

Das Angebot der evangelischen Frauenarbeit zu dieser kreativen Werkstatt, von Gerhild Rudolf als ehrenamtlicher Mitarbeiterin organisiert, haben auch zwei Niederländerinnen angenommen. Sie bestätigten, dass Sauerteig im Niederländischen Desem heißt. Die siebenbürgisch-sächsischen „Flandrer am Alt“ benützen dasselbe Wort.

Wer das Kleinschenker Gästehaus sehen will, kann das am schnellsten im Internet, z.B: auf Facebook „Cincsor. Transilvania. Casele de oaspeti“ sowie im Rahmen des Projekts „Entdecke die Seele Siebenbürgens“. Die junge Managerin Irina Ciungu-Șuteu betreibt moderne Öffentlichkeitsarbeit und ist eine hervorragende Ansprechpartnerin für alle Gäste – auch für zukünftige.

Kleinschenk ist lebendig. Hier hat sowohl Altes als auch Neues seine Zeit.

Gerhild RUDOLF

 

Foto 1: Kuratorin Gerda Theil (rechts) zeigt, wie der Teig in dem Backtrog zubereitet wird.                                                                            

Foto: die Verfasserin

Foto 2: Der ganz besondere Augenblick, wenn das frische Hausbrot aus dem Backofen kommt. Man kann es sehen, riechen, tasten, schmecken und sogar hören, wenn die Kruste abspringt.                       

Foto: Roelie DERENDORP

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.