„Wasser mit quellfrischer Färbung“

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Ausgabe Nr. 2409
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Das Hermannstädter Volksbad wird am 11. Dezember 110 Jahre alt

 

 

Am 11. Dezember d. J. sind es genau 110 Jahre seit das Hermannstädter Volksbad feierlich eröffnet worden ist. Damals hieß es Badeanstalt". 1905 war Baubeginn für die Kuranstalt am Stadtpark, die später als Luther-Kinderkrankenhaus bekannt wurde und heute einige Abteilungen der städtischen Kinderklinik beherbergt. Im Volksmund heißt es noch heute Lutherspital". Die Kuranstalt wurde Ende 1906 in Betrieb genommen.

Aus Anlass des 110. Jubiläums hat die Stadt einige Reparaturarbeiten am und im Volksbad durchgeführt und der zeitweilig Complex Baia Neptun" genannten Einrichtung ihren traditionellen Namen Volksbad/Baia populară" zurückgegeben. Wie es heute aussieht kann man auch auf der eigenen Homepage des Volksbades sehen unter www.baiapopulara.sibiu.ro

Der folgende Beitrag ist der Ausgabe Nr. 42 der Süddeutschen Bauzeitung vom 19. Oktober 1907 entnommen, trägt den Titel „Bade- und Kuranstalt in Hermannstadt (Siebenbürgen). Architekt: Professor K. Hocheder, München" und wurde der Hermannstädter Zeitung in Kopie von der Bürgermeisterin ad interim Astrid Fodor freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Die  Hermannstädter Allgemeine Sparkasse hat unter ihrem verdienstvollen Direktor Dr. Wolff eine vor Jahresfrist vollendete, in den beigefügten Plänen näher ersichtliche Bade- und Kuranstalt auf einem ihr gehörigen Grundstücke errichtet, welches nach Nordosten gegen den Stadtgarten und gegen Südwesten nach der Mühlstrasse grenzt.

Diese Anlage wurde in zwei gesonderten Bauperioden durchgeführt, und zwar wurde zuerst die Badeanstalt in Angriff genommen und am 11. Dezember 1904 eröffnet, während der Baubeginn für die Kuranstalt ins Jahr 1905 und die Vollendung in das Ende des Jahres 1906 fiel.

Das sehr geräumige Baugrundstück gestattete eine in Bezug auf Licht- und Luftzufuhr verhältnismässig günstige Anordnung der Bautrakte. Das Badegebäude erhielt seine Lage etwa in der Mitte des Platzes als Hofgebäude an die Grenze angebaut; die Kuranstalt nimmt die ganze Front gegen den Stadtgarten ein und schliesst mit einem Flügelbau an das Badegebäude an. Zwischen den beiden liegt das Kesselhaus.

Durch diese Anordnung haben sich vier Höfe ergeben, von denen der vor dem Badehaus gelegene, größte, bepflanzt ist. Von diesen vier Höfen ist nur der eine, von den Trakten des Badehauses selbst umschlossene, nicht befahrbar; die drei übrigen sind durch angeordnete Durchfahrten miteinander in Verbindung gebracht.

Über den Umfang der ersten Bauvornahme (das zuerst ausgearbeitete Projekt wurde durch verschiedene Verbesserungen mehrfach geändert) sollen nachstehend einige Angaben gemacht werden.

Es enthält eine Schwimmhalle mit einem 180 qm Flächenraum fassenden Wasserbecken, ein Dampf- und römisch-irisches Bad mit 24 Ruheplätzen, ein Wannenbad mit zehn in zwei Klassen geschiedenen Wannen, ein Brausebad mit sieben Brausestellen, endlich zwei Räume für medizinische Bäder.

Das Schwimmbad, in der üblichen Weise mit Umgängen in zwei Geschossen ausgeführt, besitzt zirka 35 Kabinen, 49 offene Auskleideplätze, eine geräumige Vorreinigungsstelle mit Fusswannen und Duschen ausgestattet. Die Wände sind unten mit grauen, italienischen Marmorplatten verkleidet, im übrigen wie auch die in Rabitz hergestellte gebogene Decke rauh verputzt und geweisst. Der Fussboden ist mit roten Tonplättchen belegt; das mit Gefälle versehene Becken ist mit graugrün glasierten Tonplättchen ausgekleidet, welche dem Wasser eine quellfrische Färbung geben. Für den Abendbetrieb sind elektrische Bogenlampen an drehbaren Wandarmen vorgesehen.

Der Wasserzulauf am seichten Ende des Bassins hat die Gestalt eines Brunnenbeckens aus einem dichten, gelblichen Kalkstein, aus dem auch die Beckeneinfassung hergestellt ist. Vom Vestibül aus rechts ist der Zutritt zu den Dampf- und römisch-irischen Bädern eingerichtet, und zwar betritt man zunächst den Auskleideraum mit 25 Ruhe- und Auskleidekabinen. Diesem zunächst liegt das Dampfbad, gegenüber das Warm- und Heissluftbad und am Ende eines kurzen Ganges der Brause- und Bassinraum mit zwei Wasserbecken und einem danebenliegenden Massageraum. Links vom Eingang, im Vestibül, führt eine Treppe zum Obergeschoss, zu den Auskleidekabinen, und offenen Auskleideplätzen des Schwimmbades, sowie zu dem aus sieben Zellen bestehenden Brausebad und zu den in zwei Klassen vorgesehenen Wannenbädern.

Die später errichtete Kuranstalt enthält zunächst eine Anzahl Fremdenzimmer im Erdgeschoss und ersten Stock, welch letztere in Verbindung stehen mit dem im Erdgeschoss angelegten Restaurant mit Lesezimmer und der dazugehörigen Küchenanlage und im ersten Stock mit den Kurbädern und zwei Ordinationszimmern. Die übrigen Räume des Hauses sind vorerst zu vermietbaren Privatwohnungen verwendet.

Die Gesamtanlage bedurfte nur gegen den Stadtpark einer repräsentativen Ausgestaltung, während die übrigen Gebäude, die alle nach Höfen zu liegen, verhältnismässig einfach gestaltet werden konnten. Die dabei angewandte architektonische Formensprache ist eine bei freier Durchbildung mit den Formen des 18. Jahrhunderts verwandte.

Die Baukosten für das Badegebäude samt Kesselanlage betrugen zirka 430 000 Kr. und für das später errichtete Kur- und Wohngebäude 300 000 Kr., so dass Gesamtmittel von 730 000 Kr. aufgewandt worden sind. Die Gesamtanlage wurde unter der Oberleitung und nach den Plänen des K. Professors C. Hocheder ausgeführt. Die Bauleitung am Orte hatte der Dipl.-Ing. Herr Hans Hackner, welcher inzwischen zum Stadtbaumeister in Aschersleben ernannt worden ist, inne.

An der Ausführung waren folgende Firmen beteiligt: Für die Erd- und Mauerarbeiten: Baumeister Maetz; Eisenbetonarbeiten: Janós Piai (Budapest); Verkleidung der Wände mit glasierten Blättchen: Zsolnaysche Porzellan-Aktiengesellschaft (Budapest); Steinarbeiten: Thomas Gerstenbrain (in Klausenburg); technische Badeeinrichtungen: die Firma H. Recknagel, München.

Foto 1: Bade- und Kuranstalt Hermannstadt – Hofansicht, 1904.     

     Foto: Archiv

    Foto 2: Das Volksbad Hermannstadt heute.                              

    Foto: Fred NUSS

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.