Ausgabe Nr. 2408
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Tagung der Hermannstädter Germanistik an der Lucian Blaga-Universität
Die schon zur Tradition gewordene, jeweils im November veranstaltete Tagung der Hermannstädter Germanistik fand diesmal vom 20. bis zum 22. November in den Räumen der Germanistikabteilung an der Lucian Blaga-Universität unter dem Titel „Das Bild des Anderen in Sprache, Literatur und Gesellschaft“ statt.
Den künstlerischen Auftakt bildete die Aufführung des Stücks „Pflegefall“ von und mit Carmen Elisabeth Puchianu, die die Arbeit am Stück anschließend in ihrem Tagungsbeitrag erläuterte, und Robert Elekes. Der Auftritt der zwei als „Duo Bastet“ schon allseits bekannten Künstler wurde dankenswerter Weise durch Vermittlung der Evangelischen Akademie Siebenbürgen vom Bundesland Kärnten finanziell unterstützt.
Die großzügige Förderung der Tagung durch das Departement für Minderheiten der rumänischen Regierung, bei der Tagung durch Unterstaatssekretärin Christiane Cosmatu vertreten, des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland, des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen und der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg kann als Zeichen dafür gelten, dass die Hermannstädter Germanistik einen anerkannten Beitrag zur deutschsprachigen Forschung und Kultur dieses Raumes leistet.
Am Freitag folgten dann nach der Begrüßung durch die Direktorin des Departement für anglo-amerikanische und germanistische Studien, Frau Maria Sass, die Dekanin der gastgebenden Fakultät für Philologie und Bühnenkünste, Frau Alexandra Mitrea, und die Vertreterin des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland, Frau Ioana Deac, die wissenschaftlichen Beiträge in zwei Sektionen.
In der Sektion Literaturwissenschaft zeigte sich die Interpretationsbandbreite des vorgegebenen Themas. Dabei ging es vom Bild des Doppelgängers in expressionistischen Verfilmungen der Erzählung „Der Student von Prag“ von Hanns Heinz Ewers, über das Bild der Diktatur in Herta Müllers „Herztier“, Selbst- und Fremdbilder in Max Frischs Roman „Stiller“, das Bild des Anderen in Sasa Stanisics Roman „Wie der Soldat das Grammophon repariert“, in den galizischen Novellen von Leopold Sacher-Masoch oder in Heinz Weischers „Konrads neue Freunde. Eine Geschichte aus Siebenbürgen“, den Anderen als notwendiges Gegenüber in Sibylle Bergs „Der Mann schläft“ bis hin zur Darstellung des Gegners in Ernst Jüngers Roman „In Stahlgewittern“.
Die literaturgeschichtliche Komponente kam in einem Beitrag zum siebenbürgischen „Bertoldo“ am Ende des 18. Jhs zum Tragen, wobei herausgearbeitet wurde, welche Rolle das kulturell Andere für die sprachliche und literarische Entwicklung des aufgeklärten Siebenbürgen erfüllte.
In der Sektion Sprachwissenschaft, Landeskunde und Kulturgeschichte gab es ebenfalls sehr unterschiedliche Ansätze. Joachim Wittstock referierte über das Geflecht der Identitäten im kulturgeschichtlichen Kontext am Beispiel von János Bolyai, doch ging es auch um die Darstellung der Machtverhältnisse im politischen Diskurs, die Erfahrung der Andersartigkeit im Bukowiner Raum oder die Übersetzungen österreichischer Gesetzbücher ins Rumänische in der Bukowina der Habsburgerzeit.
Es war ein langer, jedoch bereichernder Tag – die Vielzahl an Beiträgen, die Vielfalt der Darstellungen, die zum Teil sehr angeregten Diskussionen verlangten den Teilnehmern ein Höchstmaß an Konzentration und auch Disziplin ab, aber so sollte es auch sein. Zum Ausklang lasen Nora Căpățână und Rodica Miclea aus ihren Übersetzungen aus den Werken Mircea Ivănescus und Joachim Wittstocks, wobei letzterer, sehr zur Freude des Publikums seine Erzählung selber auf Deutsch vortrug, während Rodica Miclea ihre rumänische Übersetzung darbot.
Der Samstag Vormittag stand bei der Literatur-Sektion im Zeichen der rumäniendeutschen Autoren und zwar wurde über Alterität und Ethnien in den Romanen „Die Stadt im Osten“ und „Der Büffelbrunnen“ von Adolf Meschendörfer und über Andreas Birkners Roman „Die Tatarenpredigt“ referiert. Anschließend kamen auch die Nachwuchsgermanisten zu Wort, die im Rahmen ihrer Dissertationen an Themen arbeiten, die dem Tagungsrahmen entsprachen. In der sprachwissenschaftlichen Sektion ging es an diesem Tagungstag vor allem um Übersetzungen im weitesten Sinne, sei es die institutionell geförderte Vermittlung Schweizer Literatur für rumänische Leser, die Übersetzung rumänischer Volksballaden ins Deutsche oder die Übersetzung mittelhochdeutscher Gerichtsprotokolle ins Rumänische. Treffenderweise wurden zum Abschluss, quasi als Ausblick, Entwicklungen und Tendenzen von Deutsch nach der Wende in Mittel- und Osteuropa aufgezeigt.
Erfreulich war, dass sich als Folge der im Juli in Hermannstadt veranstalteten Sommerschule für Studenten der Donauländer auch Referentinnen aus Kroatien und Serbien angemeldet hatten und dadurch auch eine Vernetzung im wissenschaftlichen Bereich angestoßen wurde. Die Tagung hat ein weiteres Mal gezeigt, dass die Germanistik in Rumänien einen ernstzunehmenden Beitrag im Bereich germanistischer Forschung leistet.
Dass der Tagungstermin mit der Eröffnung des ebenfalls schon zur Tradition gewordenen Hermannstädter Weihnachtsmarkts zusammenfiel, wurde von den Teilnehmern als willkommener Bonus gewertet.
Sunhild GALTER
Szenenbild aus dem Stück „Pflegefall" mit den beiden Protagonisten Carmen Elisabeth Puchianu (links) und Robert Elekes.
Foto: Beatrice UNGAR