Ausgabe Nr. 2404
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Projekte gegen sexuelle Gewalt
„In Sachen Geschlechtergleichheit und Geschlechtergewalt wissen wir, dass es noch Jahre dauern wird, bis ein kleiner Teil der Probleme gelöst werden kann, doch jemand musste einmal damit anfangen”, erklärte Camelia Proca, die Leiterin des Vereins für Geschlechtergleichheit A.L.E.G. (Asociaţia pentru libertate şi egalitate de gen). Anlass war die Eröffnung eines Online-Beratungszentrums, dabei vorgestellt wurde aber auch die Aktion für die Aufklärung der Jugend „Mein Körper gehört mir”. Beide Teile des gleichnahmigen Projektes wurden durch Gelder der European Economic Area (EEA-Fonds) finanziert.
„Wir brechen das Schweigen, was die sexuelle Gewalt anbetrifft”, erklärte am Freitag Camelia Proca, „und möchten auch mehr Lobby zu diesem Thema machen, denn da gibt es sehr viele Probleme. Alles beginnt damit, dass laut dem geltenden Gesetz Nr. 217 aus dem Jahr 2003 keine Dienstleistungen finanziert werden dürfen, die Opfer von sexueller Gewalt unterstützen.” Erschwert wird die Situation auch dadurch, dass Vergewaltigung als Kavaliersdelikt gesehen wird, und sobald das Opfer die Klage zurückzieht, ist der Vergewaltiger aus dem Schneider. Die Staatsanwaltschaft kann also den Fall nicht weiter verfolgen, auch wenn es für eine Verurteilung trotz Rückzieher genug Beweise gäbe.
Eigentlich hat nicht nur Rumänien ein Problem mit der Sexualgewalt, denn sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WGO), als auch die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA) veröffentlichen regelmäßig besorgniserregende Berichte. Zum Beispiel wird berichtet, dass jedes fünfte Kind sexuell belästigt wurde und wird, aber auch jede zehnte erwachsene Frau und jeder zwanzigste erwachsene Mann. Dabei geht es um alle Formen von sexueller Gewalt, von ungewollten Berührungen bis zur Vergewaltigung.
A.L.E.G. kämpft seit mehreren Jahren gegen solche Probleme und hat auch ein Beratungszentrum in Hermannstadt eingerichtet. Dank dieses Projektes konnte man auch ein Online-Beratungszentrum für die Opfer der Gewalt eröffnen, das auch Personen außerhalb von Hermannstadt helfen kann (aleg-romania.eu/consiliere). „Es sind nicht nur Frauen, die sich an uns wenden, sondern auch junge Männer zum Beispiel, die einer Freundin oder einer Schwester helfen können”, so die Vertreter des Vereins. Nur sechs Prozent der Opfer von sexueller Gewalt legen in Rumänien eine Klage ein, 70 Prozent davon kennen ihren Aggressoren. „Das ist eines unserer Ziele, dass wir den Opfern helfen, Klage einzureichen. Wir zahlen zum Beispiel für die ärztliche Untersuchung, wir haben Anwälte, die pro bono die Opfer im Falle eines Prozesses vertreten und wir haben unser Beratungszentrum und unsere Psychologen, die die Opfer betreuen. Es ist wichtig für uns, dass wir betroffenen Personen ihre Möglichkeiten zeigen, wie sie weiter handeln können, doch letztendlich ist es sehr wichtig, dass jede Person eine eigene Entscheidung trifft. Denn eine Vergewaltigung ist unter anderem auch ein Machtspiel, da wollen wir einem Opfer nichts vorschreiben, damit es sich nicht auch von uns gedrängt fühlt”, so Proca.
Ein weiterer Teil des Projektes ist die Aufklärung der Jugend. Im Rahmen des Projektes „Mein Körper gehört mir” fahren die Mitarbeiter des Vereins und auch Volontäre durch die Ortschaften aus den Kreisen Hermannstadt und Mureş, um in Schulen über Sexualgewalt zu sprechen. 700 Jugendliche sollen dabei erreicht werden, es gibt Gespräche zum Thema aber auch Filme, die in Hermannstadt diesen Sommer gedreht wurden. „Wir merken jetzt, dass die Jugendlichen eigentlich oft Gewaltformen nicht als solche erkennen, dass sie nicht wissen, an wen sie sich wenden müssen, wenn sie Opfer von Gewalt werden – dabei geht es nicht nur um sexuelle Gewalt -, dass sie sich oft selber die Schuld daran geben und nicht den Aggressoren. Schuld daran ist auch die fehlende Sexualerziehung”, so die Psychologen des Vereins.
„Auch wenn wir unsere Zielgruppe im Rahmen des Projektes erreichen, heißt es nicht, dass wir aufhören. Wir sind bereit, in alle Schulen zu gehen, wenn wir angesprochen werden, denn die frühe Erziehung der jungen Männer und Frauen ist sehr wichtig.”
Infos zu den Projekten des Vereins, aber auch die Kurzfilme, sind auf der Internetseite aleg-romania.eu zu finden.
Ruxandra STĂNESCU
Camelia Proca , die Vorsitzende des Vereins A.L.E.G., spricht über die Erfahrungen, die ihr Team in den Hermannstädter Lyzeen gemacht hat.