„Jetzt habe ich ein schönes Leben“

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Ausgabe Nr. 2397
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Stiftung für verlassene Kinder feierte 20. Jubiläum

 

„Wir haben diese wunderschöne Kirche als Veranstaltungsort gewählt, um unseren Dank vor Gott zum Ausdruck zu bringen, der uns in all diesen Jahren beschützt und gesegnet hat", sagte Sonja Kunz, die derzeit die Gesamtleitung der Aktivitäten der Stiftung für verlassene Kinder (PECA) in Weidenbach inne hat. Die PECA-Stitung feierte am Samstag mit rund 300 Gästen von nah und fern ihr 20. Gründungsjubiläum in der Kirchenburg in Weidenbach.

 

Die zahlreichen Gäste, allen voran der Schweizer Botschafter Jean-Hubert Lebet, stellten unter Beweis: Der erste Vers des Gedichtes „Heimat" von Arnold Scherner, „Heimat, das sind die Menschen, die man kennt, die man Verwandte, Nachbarn und Freunde nennt" ist nicht nur ein geflügeltes Wort.

Die Stiftung versucht seit 20 Jahren verlassenen Kindern in Rumänien ein Zuhause zu bieten. Lidiana, die seit 18 Jahren in einem Haus der Stiftung lebt, brachte auf den Punkt, wie es Kindern geht, die in einem Kinderheim aufgewachsen sind. Eigentlich sollte sie sich in ihrer Ansprache Gedanken machen über das Stichwort „Zuhause". Sie sprach aber von Maria Gavriliu und Sonja Kunz, den beiden Gründerinnen der Stiftung, und darüber, was diese für ihr Leben und das Leben weiterer ca. 37 Kinder bedeuten. Auf die Frage „Wie ist es denn, in einem Kinderheim zu leben?" habe sie im Laufe der Zeit so oft antworten müssen, dass ihr dies irgendwann nichts mehr ausgemacht habe. Doch die Fragen, wie es denn wäre, wenn sie in ihrer biologischen Familie leben würde bzw. wie es wäre, in einer normalen Familie aufzuwachsen, beschäftigen die inzwischen 19-Jährige nach wie vor. Sie sei besonders dankbar, so „außerordentliche" Menschen wie Maria Gavriliu und Sonja Kunz von klein auf um sich gehabt zu haben, die für die Kinder eigentlich alles aufgegeben haben, um ihnen ein Zuhause zu bieten. Lidiana meinte: „Wenn mich Maria damals nicht aus der Klinik geholt hätte, hätte ich jetzt wohl schon drei Kinder und müsste von der Hand in den Mund leben. Aber Dank Maria und Sonja habe ich eine gute Schulbildung genossen und werde jetzt studieren." Im Namen aller Kinder dankte sie für alles: „Ihr habt unserem Leben einen neuen Sinn gegeben!"

Einer der sechs Thalassämie-Kranken, die von der Stiftung betreut werden, ergriff auch das Wort: „Ich heisse Florin und ich bin 16 Jahre alt, ich lebe hier, seit ich zwei Jahre alt bin. Ich habe eine Blutkrankheit und ich brauche viel Pflege.

Für mich ist es ein Vorteil, dass mich die Eltern verlassen haben. Erstens hatten sie mich nicht gewünscht und zweitens hatten sie keine Bedingungen für mich. Natürlich hätte ich  Vater und Mutter gewollt, aber die Eltern kann man sich nicht wählen und auch die Umstände kann man nicht auswählen. Jetzt habe ich ein schönes Leben und fühle mich im Casa Livezii wie in einer großen Familie und deshalb gefällt es mir nicht – und den andern Kindern auch nicht – wenn die Leute sagen: 'arme Kinder'. Ich möchte einfach, dass mich die Leute ganz normal wie die anderen Kinder sehen.  Ich glaube, dass ich andere Menschen gut verstehen kann, die auch etwas Schweres erlebt haben. Das ist auch etwas Gutes, was ich selber gelernt habe."

Diese beiden Wortmeldungen beeindruckten die Anwesenden beim offiziellen Teil des Festes in der Kirche, das musikalisch umrahmt wurde von dem Chor der Stfitung, dem Kronstädter Jugendbachchor und dessen Leiter, dem Organisten Steffen Schlandt. Grußworte sprachen der Schweizer Botschafter Jean-Hubert Lebet, der zuständige evangelische Pfarrer Uwe Seidner, sein orthodoxer Amtskollege Călin Comșa, Weidenbachs Bürgermeister Dorel Toma und der Generaldirektor der Sozialdirektion des Kreises Kronstadt, Gheorghe Durnă. Begrüßt wurden die Anwesenden auch von Carmen Cristureanu, welche die administrative Leitung der Stiftung übernommen hat. Moderatorin war Monika Dănilă, welche die pädagogische Leitung inne hat. Mit den beiden Letzgenannten haben Maria Gavriliu und Sonja Kunz laut Jubiläumsbroschüre „kompetente Nachfolgerinnen, die schrittweise die Leitungsfunktionen übernehmen und dadurch das Weiterbestehen der Stiftung gewährleisten."

Zu dem Jubiläum angereist war auch eine Gruppe Schweizer, ohne die die Stiftung ihre Arbeit gar nicht leisten könnte. Die Schweizer unterstützen die Stiftung, die in Weidenbach inzwischen in drei Häusern verlassene Kinder wie in einer Familie betreut, seit Anfang an. Der Schweizer Verein für verlassene Kinder in Rumänien mit Sitz in Basel feiert 2015 sein 20. Gründungsjubiläum. Seitens des Vereins überbrachte Doris Marti, stellvertretende Vorsitzende, herzliche Grüße.

Als die Schweizer Sonderpädagogin Sonja Kunz 1992 einen achtmonatigen Rotkreuzeinsatz antrat,  hatte sie wohl auch nicht damit gerechnet, dass sie 22 Jahre danach immer noch in Rumänien tätig sein wird. Maria Gavriliu hatte wohl auch nicht damit gerechnet, als sie für die Schweizer damals als Dolmetscherin einsprang, dass sie kurz darauf ihre Stelle als Ingenieurin in einem Kronstädter Betrieb aufgeben würde, und sich der Sache der Kinder annehmen würde. Beide Stiftungsgründerinnen präsentierten kurzweilig und humorvoll anhand von Bildern die Geschichte der Stiftung aber auch die derzeitigen Tätigkeiten.

                              Beatrice UNGAR

 

20 Jahre gemeinsam geschultert": Unter diesem Motto feierte die Stiftung für verlassene Kinder (PECA) am Samstag in der Weidenbächer Kirchenburg ihr 20. Gründungsjubiläum mit mehr als 250 Gästen von nah und fernUnser Bild: Der PECA-Chor", gebildet aus betreuten Kindern und Mitarbeitern der Stiftung brachte einige beliebte Lieder zu Gehör.   Foto: Christel WOLLMANN-FIEDLER

 

 

Bürgermeister Dorel Toma (links) im Gespräch mit Botschafter Jean-Hubert Lebet und Sonja Kunz.      Foto: Christel WOLLMANN-FIEDLER

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.