„Wohlwollende Freunde“ als Auftraggeber

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Ausgabe Nr. 2390
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Ergänzungen zum Buch über die Elektrizifierung Hermannstadts

 

  An dieser Stelle hatte Wolfgang Fuchs in der Ausgabe Nr. 2375/28. März 2014 unter dem Titel Zubringerbusse aus der Schweiz" die bebilderte Chronik der Elektrifizierung Hermannstadts und Rumäniens von Marcel Stancu vorgestellt. Im Folgenden lesen Sie eine von Horst Klusch verfasste Ergänzung zu dem Buch.

 

Das kürzlich besprochene, umfangreiche Buch von Marcel Stancu „Sibiul și electrificarea României (1891-2013)" erlaubt einige Ergänzungen, weil in der Fülle der dargestellten Persönlichkeiten zwei bedeutende Hermannstädter Wissenschaftler etwas zu kurz gekommen sind: Carl Albrich sen.  und sein Sohn Carl Albrich jun.

   Auf der Frankfurter Weltausstellung, wo der Münchner Oskar von Miller die erste größere Kraftübertragung von Lauffen am Neckar nach Frankfurt verwirklicht hatte, begann die Zusammenarbeit von Dr. Ing. O. Miller mit Carl Albrich sen. und seinem Sohn Carl Albrich jun.

   Drei Hermannstädter waren die Initiatoren und Förderer des damaligen Großprojektes der Elektrifizierung Hermannstadts: der Bankdirektor Dr. Carl Wolff, der Gymnasialdirektor Carl Albrich und sein Sohn, der spätere Schulrat Dr. hc. Carl Albrich. Rückblickend eine  ideale Kombination. Drei Hermannstädter, ein technisch interessierter Organisator und Bankdirektor, ein wissenschaftlich versierter Mathematiker, ein Physiker, mit dem neuesten Stand der Technik vertraut, arbeiten mit dem inovationsfreudigen Unternehmer aus München. Dieses geht auch aus einem Brief Millers an  Carl Albrich sen. vom 6. September 1916 hervor. Darin heißt es u. a.: „Ich werde mich stets mit Freude und Dankbarkeit daran erinnern, daß es gerade die von Hermannstadt nach Frankfurt entsandten Männer waren, die zuerst die Bedeutung eines neuen Versuches erkannten und die Ergebnisse desselben zu einer Zeit in ihrer Heimatstadt auszunützen wussten, in der Gelehrte und selbst Fachmänner an der Verwirklichung der durch den Versuch erstrebten Ziele zweifelten…Daß diese Männer, die zunächst meine Auftraggeber waren, meine wohlwollenden Freunde wurden, das ist für mich Freude und Auszeichnung, die ich ganz besonders zu schätzen weiß. Indem ich auch bei dieser Gelegenheit Sie meiner besonderen Verehrung versichere, zeichne ich mit hochachtungsvollem Gruß, als ihr ergebener Osk. V. Miller (Kopie des Briefes in meinem Archiv).

   Im Dezember 1896 wurde der erste Strom aus dem 20 km entfernten Zoodtal nach Hermannstadt geleitet. Es war ein Einphasenwechselstrom von 4.000 Volt und 42 Hz (Perioden pro Sekunde).

   Der Vorsprung in der Stromversorgung, den Hermannstadt durch Errichtung einer Erstanlage für Wechselstrom erreicht hatte, hat sich durch Jahrzehnte weiter ausgewirkt. Im Jahre 1905 wurde die elektrische Straßenbahn in Betrieb genommen (siehe dazu: Horst Klusch „Ein Stück Nostalgie“ in der HZ vom 2. September 2005). Es sei erwähnt, dass in Bukarest noch im Jahre 1924  eine von Pferden gezogene Schienenbahn und in Kronstadt eine Dampfbahn betrieben wurde.

   Da in dem Buch von Marcel Stancu, neben der Beschreibung von zahlreichen Persönlichkeiten,  Carl Albrich sen. (1835-1911) zu kurz gekommen ist (im Personenregister ist sein Name festgehalten, aber auf den angeführten Seiten habe ich ihn nicht finden können), möchte ich zu seinem Leben einige Daten einflechten.

Als Absolvent der Technischen Hochschule von Wien, als Versicherungsmathematiker der Hermannstädter allgemeinen Sparkasse, als  Direktor des Hermannstädter Gymnasiums (Brukenthalschule) hatte Albrich besondere Leistungen hinterlassen. Das Gymnasium, das auf eine Jahrhundert alte Tradition als Lateinschule sowie auch auf einen griechischen als auch hebräischen Unterricht zurückblickte, wurde in eine moderne Schule ausgebaut, mit starker Betonung auf höhere Mathematik, Physik und Chemie.

   Carl Albrich jun. (1860-1940), der dem Vater im Amte folgte, hatte in Berlin Mathematik und Physik studiert. Er baute an der Schule den Physikunterricht weiter aus und hatte bei der Vorführung elektrischer Apparate eine Experimentierkunst erarbeitet, die zu seiner Zeit nicht ihresgleichen hatte. Als 1895  Konrad Röntgen seine Abhandlung „Über eine neue Art von Strahlen“, die er X-Strahlen nannte, veröffentlicht hatte, dauerte es kein Jahr bis Albrich jun. mit diesen Strahlen umzugehen verstand. Die Röntgenstrahlen führte er in der Folge sowohl in den Physikunterricht als Anschauungsobjekt ein, als auch im Hermannstädter Bürgerspital für den medizinischen Gebrauch zu diagnostischen Zwecken.

  Seine außerordentliche Arbeitskraft widmete Carl Albrich jun. der ständigen wissenschaftlichen Beratung des Hermannstädter Elektrizitätswerkes. Er war Mitglied des Gründerkomitees der Elektrizitätsgesellschaft und blieb bis an sein Lebensende deren ständiger Mitarbeiter in den engeren Ausschüssen und als Verwaltungsratsmitglied.          Horst KLUSCH

 

Marcel Stancu: Sibiul și electrificarea României. Cronică ilustrată 1891-2013. Honterus Verlag Hermannstadt, 389 S., ISBN 978-973-1725-92-5

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Wirtschaft.