Ausgabe Nr. 2365
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Evangelische Kirche in Kleinschemlak abgerissen
Man müsse den Mut aufbringen, auch mal auf Ruinen evangelischer Kirchen oder Kirchenburgen zu schauen, meinen einige Fachleute. Wie schmerzlich das sein kann, erlebte in der Adventszeit Pfarrer Walter Sinn in Kleinschemlak. Zu dem Abriss der schon seit 2004 baufälligen evangelischen Kirche im Ort konnte man am 18. Dezember 2013 auf der Webseite der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien unter dem Titel „Betrübliches aus dem Banat" Folgendes lesen:
„Eine traurige Überraschung bereitete das Bürgermeisteramt der Banater Ortschaft Gătaia (dt. Gattaja) der Landeskirche ausgerechnet in der Adventszeit: Durch den Abriss der aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammenden evangelischen Kirche im Dorf Kleinschemlak bis auf ihre Grundfestungen, drohen nun die letzten Spuren lutherischen Gemeindelebens in dem kleinen Ort nahe der serbischen Grenze ganz zu verschwinden.
Bereits seit geraumer Zeit kursierten Gerüchte über eine geplante Abtragung des Gebäudes. Seit der Abwanderung der evangelischen Gemeindeglieder, die in Kleinschemlak bereits lange Zeit vor 1990 einsetzte, hatte sich der Zustand des Gotteshauses zusehends verschlechtert. Schon in den 1970er-Jahren lebten nur noch zwei evangelische Familien in der Ortschaft. 1987 wurden die Glocken sowie das Gestühl aus der Kirche entfernt und in siebenbürgische Gemeinden verlegt. Vor fünf Jahren stürzte schließlich das Dach des Kirchenschiffes ein, wodurch sich dringender Handlungsbedarf im Interesse der Sicherheit der Dorfbewohner ergab.
'Der Abriss der Kirche von Kleinschemlak ist mehr als nur bedauerlich', zeigt sich Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien enttäuscht: 'Obwohl eine partielle Demontage der baulichen Struktur aus Sicherheitsgründen vorgesehen war, hätte es unter keinen Umständen zu einem Komplettabriss kommen dürfen.' Es werden nun Möglichkeiten erörtert, wie an dem Standort trotz des Geschehenen in würdigender Weise an die lutherische Gemeinde und ihre Kirche als Teil der lokalen Geschichte erinnert werden kann. Schon im Jahr 2004, also vier Jahre vor dem Einsturz des Daches des Kirchenschiffes, wurden den Behörden kirchlicherseits mehrere alternative Vorschläge für eine Umgestaltung des Bauwerkes bzw. eine teilweise Abtragung unter Erhaltung des Turmdaches vorgelegt. Anstatt auf diese Vorschläge einzugehen, hat die lokale Verwaltung leider eine Demolierung bevorzugt, ohne die landeskirchlichen Behörden oder den zuständigen Pfarrer darüber in Kenntnis zu setzen."
Aus Deutschland kommentierte kurz nach Jahreswechsel Rolf Baiker vom Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP), der im Sommer letzten Jahres mit einer Gruppe auch die im Banat gelegene Diaspora-Gemeinde Semlak besucht hat, für die Hermannstädter Zeitung: „Wirft das Vorgehen der örtlichen Behörden ein Schlaglicht auf den Umgang mit Kulturgütern im Banat? Hoffentlich nicht. Es gibt nur wenige evangelische Kirchen dort. Daher erschüttert es viele, die das jetzt nach dem Weihnachtsfest erfahren und darin ein Symbol sehen, wie mit dem Erbe einer 'Minderheit in der Minderheit' umgegangen wird. Mit gutem Willen und Verständnis hätte es nach Einschätzung eines Bauingenieurs einen Weg gegeben, wie man das Kleinod Kleinschemlak als Baudenkmal bautechnisch sichern und in Teilen erhalten kann.
Die evangelischen Deutschen im Banat sind eine vergessene Minderheit. Es gibt nur wenige Kirchen für die evangelischen Gemeindeglieder deutscher Sprache.
Eine besondere Ausstrahlung haben auch heute noch die evangelischen Kirchen in Liebling, Semlak, Birda und die Kapelle in Klopodia. In dieser Liste fehlt jetzt die wundervolle neubarocke Kirche von Kleinschemlak."
Nun sucht Pfarrer Sinn eine Möglichkeit, an der Stelle, wo der Altar stand, eine kleine Kapelle einzurichten.
Eine Frage bleibt offen: Die Abrissgenehmigung lag dem Bürgermeisteramt schon 2008 vor, warum musste der Abriss nun gerade jetzt erfolgen?
Beatrice UNGAR
Foto 1: Die Überreste der 1859 im neubarocken Stil gebauten Kleinschemlaker Kirche nach dem Abriss am 10. Dezember 2013.
Foto: Walter SINN
Foto 2: Im April 2008 sah die Kirche so aus.
Foto: Heinz VOGEL