Ausgabe Nr. 2366
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Schweizer Historiker veröffentlichte Buch über Holocaust in Rumänien
Als eine „antisemitische Fabrik" bezeichnete Mihail Sebastian in seinen Tagebüchern 1935-1944 (die 2005 in deutscher Übersetzung von Edward Kanterian und Rainer Erb erschienen sind) Rumänien dieser Zeit. Ausgiebig zitiert auch der Schweizer Historiker und Diplomat Simon Geissbühler den rumänischen Schriftsteller in seinem Mitte 2013 erschienenen Band „Blutiger Juli. Rumäniens Vernichtungskrieg und der vergessene Massenmord an den Juden 1941".
Für den Autor ist das vorliegende Buch laut eigener Aussage „der (vorläufige) Schlusspunkt unter eine Serie von Publikationen zur rumänischen jüdischen Geschichte und zum jüdischen kulturellen Erbe in Rumänien, in der Bukowina und in der Republik Moldau. Im Gegensatz zu den drei vorherigen Büchern, die stark von Fotografien von jüdischen Friedhöfen und Synagogen lebten (…) hat diese Monografie einen wissenschaftlichen Anspruch."
Das Buch wird diesem Anspruch auf jeden Fall gerecht, es ist ein mutiges Buch und es wäre angebracht, es auch in rumänischer Übersetzung auf den Markt zu bringen. Damit könnte es seinen von dem Autor in dem Kapitel „Zum Schluss" erklärten Zweck erfüllen, nämlich: „Denn ein zentrales Ziel dieses Buches ist es, andere Forscherinnen und Forscher dazu anzuregen, sich mit dem Judenmord in der Nordbukowina und in Bessarabien zu beschäftigen." Da Geissbühler immer wieder betont, dass der Holocaust in Rumänien wenig erforscht und vor allem nicht ins Bewusstsein gerückt ist, eröffnet sich auch ein Forschungsfeld für junge rumänische Historikerinnen und Historiker.
Ein Tabu jedoch ist das Thema in Rumänien schon lange nicht mehr. So schrieb Cristian Câmpeanu in seinem Leitartikel „Domnia BARBARIEI în România USL si a Antenei 3" (Die Herrschaft der Barbarei im Rumänien der USL und der Antena 3) am 17. Januar 2014 in der Tageszeitung România libera u. a.: „Auch Rumänien wurde nicht von Episoden verschont, in denen der entfesselte Haß der Bevölkerung furchtbare Verbrechen verübt hat (der Holocaust ist eine dieser Episoden, die ungenügend bekannt und ungenügend im Bewusstsein verankert ist, die kommunistischen Gräuel eine andere)".
Vier Tage danach, am 21. Januar 2014, brachte die Nachrichtensendung auf dem staatlichen TV-Sender TVR 1 eine erschütternde Dokumentation zum 73. Jahrestag der Rebellion der Legionäre, die vom 21. bis 24. Januar 1941 in Bukarest unbeschreiblich brutal gegen die Juden und ihre Einrichtungen vorgegangen sind.
Diese zwei Beispiele legen die Vermutung nahe, dass die eingangs erwähnte rumänische Fassung heutzutage in Rumänien auf fruchtbaren Boden stossen dürfte. Wünschenswert ist es, und überfällig auch.
Beatrice UNGAR
Simon Geissbühler: Blutiger Juli. Rumäniens Vernichtungskrieg und der vergessene Massenmord an den Juden 1941. Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn , 2014, 229 S., ISBN 978-3-506-77675-4 Titelbild: Verfallenes Massengrab in Climăuți/Kreis Suceava (Foto: der Verfasser).