Ausgabe Nr. 2355
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Ein einzigartiger Beitrag über die Identität kam von Tom Pauer aus Israel
Wie unterschiedlich die einzelnen Familienmitglieder mit ihrer Identität umzugehen wissen, zeigte auf bestechend ehrliche und ungeschminkte Weise der Film „My german children" (Meine deutschen Kinder) von Tom Tamar Pauer, einer Filmemacherin aus Israel. Pauers Film war beim Filmfestival im russischen Saratov im September d. J. zweifach preisgekrönt worden, mit dem Preis „Die Energie der Wahrheit" und dem Publikumspreis.
„Was hab ich denn hier verloren? Wir sind nicht Religiöse, wir sind nicht Zionisten, wir sind nicht einmal richtig jüdisch!" sagt Sohn Daniel seiner Mutter (der Regisseurin und Drehbuchautorin Pauer) ins Gesicht, die 2005, nach 16 Jahren Deutschland mit Tochter Shira und ihm versucht, in Israel zu leben, wo sie geboren ist. Schonungslos beginnt der Film und er bleibt schonungslos. Die vor 45 Jahren in Israel geborene Pauer, deren Vater der Sohn von aus Deutschland nach Israel geflüchteten Juden, und deren Mutter eine Deutsche ist, die Anfang der 60-er Jahre in einem Kibbuz beweisen möchte, dass „nicht alle Deutschen böse waren", sucht Antworten, auch für ihre Kinder, die beide einen deutschen Vater haben, der eine Katholik, der andere ein evangelikaler Christ. Eine Antwort ihrer Mutter lautet, sie habe sich sehr gefreut, als Tom Pauer nach Ableistung ihres Wehrdienstes in Israel nach Deutschland gegangen sei.
Natürlich fragt sich der Zuschauer irgendwann, ob denn die Mutter, der Vater, die Schwestern, der Onkel ja vor allem die Kinder der Filmautorin genauso ungeschminkt agiert hätten, wenn nicht ihre Tochter, Schwester, Nichte bzw. Mutter sie befragt hätte. Aber genau darin liegt ja der Reiz dieses Films, der übrigens gestern seine TV-Premiere in Israel gefeiert hat.
Locker aber auch nachdenklich und nachfragend wie sie ihre Familiengeschichte erzählt, ist die Filmemacherin auch im Gespräch. Sie sagt der Hermannstädter Zeitung, es ginge ihr um die alte Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen, und um die Frage der Entscheidung für eine Identität, vor allem bei Menschen, deren Eltern aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen kommen. Eigentlich sei es eine intime Entscheidung, aber jeder versuche doch zu erfahren, wie die anderen dazu stehen. Was die Eltern ihren Kindern bieten könnten, seien Wurzeln, sagt die Filmemacherin. Und schließt: „Wir müssen sie aber auch gehen lassen."
Beatrice UNGAR
Tom Pauer im Gespräch mit dem Publikum.
Foto: aff