Der Bär war in Hermannstadt

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Ausgabe Nr. 2327
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Der preisgekrönte Film „Die Stellung des Kindes" hatte Premiere in Hermannstadt

 

Der Goldene Bär, der in Berlin zum ersten Mal für einen rumänischen Film verliehen wurde, befindet sich diese Tage auf Rumänien-Tournee und stoppte am Donnerstagabend in Hermannstadt. Die heißbegehrte Goldstatuette wurde von allen Seiten bestaunt und fotografiert. Es gab gleich mehrere Vorführungen des Gewinnerfilms „Die Stellung des Kindes“ (rum.: „Poziția copilului“) unter der Regie von Călin Peter Netzer, in den viel zu kleinen, teils improvisierten Sälen des Astra-Filmstudios.

 Nach der Bekanntgebung der Filmvorführungen dauerte es nicht lange, bis alle Eintrittskarten ausverkauft waren. Am Donnerstag gab es für die Hermannstädter die Möglichkeit nach dem Film an einem Q&A mit den Hauptdarstellern Luminița Gheorghiu, Bogdan Dumitrache und Ilinca Goia teilzunehmen.

„Die Stellung des Kindes“ ist ein Psychodrama, das von einer schwierigen, teilweise krankhaft obsessiven Mutter-Sohn-Beziehung, in einer korrupten rumänischen Gesellschaft, erzählt. Die Mutter, Cornelia Kerenes, sehr überzeugend gespielt von Luminița Gheorghiu, leidet darunter, dass sich ihr 34-jähriger Sohn Barbu, verkörpert von Bogdan Dumitrache, von ihr distanziert. Als Barbu aus Versehen einen 12-jährigen Jungen mit dem Auto überfährt, nutzt die besorgte Mutter ihre Beziehungen, um den Sohn vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Dabei fälscht sie skrupellos die Aussage ihres Sohnes bei der Polizei und versucht, einen Zeugen zu bestechen. Es entsteht ein Konflikt zwischen dem erwachsenen Barbu, der aber emotionell noch ein Kind ist, und seiner Mutter, die nicht versteht, dass sie loslassen muss.

Der Titel des Films hat mehrere Bedeutungen. Entstanden ist der Titel eigentlich durch eine Szene, die aus dem Film heraus geschnitten wurde: Cornelia macht eine Yogastellung, die im Fachjargon als „Stellung des Kindes“ bezeichnet wird. Das verriet der Regisseur Călin Peter Netzer während eines Interviews, das Christel Ungar-Țopescu für die deutsche Sendung „Akzente" des TVR 1 führte. Außerdem gibt es noch zwei weitere Stellungen des Kindes im Film, sagte Schauspieler Bogdan Dumitrache am Donnerstagabend in einem Gespräch mit dem Hermannstädter Publikum: „Die Stellung von Barbu und die Stellung von Barbus Opfer, das auch ein Kind ist.“

Ob das Thema im eigenen Leben Inspiration fand? Dazu Călin Peter Netzer im „Akzente"-Interview: „Die Mutter-Sohn Beziehung ist immer eine schwere Beziehung. Ja, ich habe mich von meiner eigenen Beziehung zu meiner Mutter inspiriert.“

Călin Peter Netzer wurde 1975 in Petroschen/Petroșani geboren, wanderte mit seinen Eltern 1982 aus Klausenburg nach Deutschland aus, kehrte 1994 nach Bukarest zurück, wo er das Studium der Filmwissenschaften begann. Für seinen ersten Spielfilm „Maria“ bekam Netzer 2003 mehrere Auszeichnungen, u.a. den Sonderpreis der Jury beim Internationalen Filmfestival in Locarno.

„Dass wir den Goldenen Bären gewinnen würden, hätte keiner von uns gedacht. Wir haben schon gemerkt, dass der Film gut in Berlin aufgenommen wurde, aber dass wir den Hauptpreis gewonnen haben, war eine Überraschung“, gab Luminița Gheorghiu im Gespräch mit der Hermannstädter Presse am Donnerstag bekannt. Nur etwas hatten die drei Schauspieler zu bemängeln: Es sei Schade, dass eine solche kulturelle Stadt wie Hermannstadt kein anständiges Kino habe. Zum Glück gäbe es die Alternative der Astrafilm-Studios.

Zum Thema Kino in Rumänien allgemein sagte Netzer in dem o.g. Interview: „Es gibt kein rumänisches Publikum für rumänische Filme, aber dafür im westlichen Europa. Die Leute hier wollen Entertainment und nicht Filme, die sie zum Nachdenken auffordern. Dafür sind die Multiplex-Kinos genau richtig. Aber für Kino im klassischen Sinne gibt es kaum Interesse“.

Cynthia PINTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.