Miteinander und Nebeneinander

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Das Zusammenleben der Rumänen und Siebenbürger Sachsen im Laufe der Jahrhunderte

Ausgabe Nr. 2915

Abschlussrunde mit Horst K. Dengel, Lily Dengel, Piet Spiridon, Dr. Olivia Spiridon, Dr. Erwin Jikeli und Dr. Paul. Bagiu (v. l. n. r.).                   Foto: privat

Die Veranstaltung „Miteinander und Nebeneinander – das Zusammenleben der Rumänen und der Siebenbürger Sachsen im Laufe der Jahrhunderte”, die am 17. Mai 2025 im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf von der Kreisgruppe Düsseldorf im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus organisiert worden ist, ging laut Horst Dengel von zahlreichen Rumänen aus, die im vorigen Jahr an der Veranstaltung „Sachsen und Ungarn in Rumänien“ teilgenommen hatten und das Zusammenleben von Rumänen und Siebenbürger Sachsen ebenfalls als bedeutsam empfanden.

Mit den Worten von August Bebel – „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ – begrüßte Horst Dengel die Anwesenden und stellte die Mitwirkenden vor: Dr. Olivia Spiridon, Dr. Paul Bagiu und Dr. Erwin Jikeli.

Zum Einstieg in das Thema präsentierte Horst Dengel einen historischen Abriss des Zusammenlebens von Rumänen und Siebenbürger Sachsen. Über viele Jahrhunderte lebten Rumänen, Ungarn, Szekler und Siebenbürger Sachsen aufgrund der herrschenden Rechts- und Machtverhältnisse eher nebeneinander als miteinander. Beginnend mit der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg sollte das Miteinander intensiviert werden, zuweilen mit Spannungen, nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch Enteignung, Deportation, Entzug der Bürgerrechte verschärften sich die Spannungen zwischen Rumänen und Siebenbürger Sachsen, allerdings schweißte sie die Unterdrückung durch das kommunistische Regime und die wirtschaftliche Not ab 1945 zusammen. Dennoch führte die Unzufriedenheit zur Zunahme der Aussiedlung und zur nahezu Auflösung der gesellschaftlichen Strukturen der Sachsen in Siebenbürgen nach 1989.

Prof. Simona I. Pop, Vorsitzende des Vereins der rumänischen Lehrkräfte in NRW Deutschland, würdigte die Veranstaltung als eine wertvolle Gelegenheit zum Dialog und zur Reflexion über die gemeinsame Geschichte, die kulturelle Vielfalt und die Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Rumänen in Siebenbürgen.“ Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni, stellte fest, dass „das Verhältnis von Sachsen und Rumänen ein sehr spannendes Thema ist, das recht wenig erforscht ist.“ Manfred Sorin Kafka bedankte sich als Bundesvorsitzender des Bundes rumänischer Vereine in Deutschland e.V. mit Sitz in Dortmund sowie auch als Mitveranstalter dieser Vortragsveranstaltung für die gesamte Organisation bei Horst Dengel. Sein Verein positioniert sich „als ein wichtiger Mitstreiter für eine effiziente Integration aller Rumänen in Deutschland und fördert den Dialog zu anderen Organisationen, Verbänden und Institutionen.“ Der Leitspruch dieses Dachverbandes im Sinne der Integration lautet: „Wir sollen auf das blicken, was uns miteinander verbindet, anstatt auf das, was uns voneinander trennt.“

Dr. Olivia Spiridon, gebürtige Hermannstädterin, leitet am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde den Forschungsbereich Literaturwissenschaft und ist Lehrbeauftragte an der Universität in Tübingen. Ihren Vortrag Geteilte Geschichte? Das Verhältnis von Deutschen und Rumänen in Siebenbürgen aus kulturhistorischer Sicht“ eröffnete sie mit einem persönlichen Beispiel aus ihrer Kindheit an Heiligabend im Treppenhaus ihres Wohnblocks. Bei einer Kolinda zögerten die Sänger, bei der sächsischen Familie zu singen, weil sie nicht wussten, wie diese darauf reagieren würde.

Anschließend umrahmte die Referentin dieses Erlebnis mit Betrachtungen, in denen transkulturelle Mehrfachzugehörigkeiten theoretisch definiert wurden. Spiridon verwies auf eine Vielzahl an Monografien und Sammelbänden zur Geschichte der Region, darunter Werke von Konrad Gündisch, Michael Kroner, Thomas Nägler, Ion-Aurel Pop und Ioan Bolovan, um nur einige zu nennen. In vielen dieser historischen Darstellungen liegt der Schwerpunkt auf den Beziehungen zwischen den Minderheiten und den jeweiligen Machthabern, während Alltagsleben und individuelle Interaktionen oft nur am Rande behandelt werden. Umso bedeutsamer sind Einblicke in Gesellschaft, Kultur und Literatur, da sie wertvolle Zeugnisse für den Wandel im interkulturellen Miteinander darstellen.

Aus der Perspektive der Rechtslage gesehen, hatten die Siebenbürger Sachsen und Rumänen sehr unterschiedliche Interessen und bildeten selten Interessengemeinschaften.

Als die Habsburger Siebenbürgen im Jahr 1711 in ihre Monarchie eingliederten, verschlechterte sich die Lage der Siebenbürger deutlich. Die Habsburger schränkten die Autonomie Siebenbürgens erheblich ein. Im Jahr 1791 reichten die Rumänen eine Bittschrift namens Supplex Libellus Valachorum bei Kaiser Leopold II. ein, um Gleichberechtigung zu erlangen, was die Siebenbürger Sachsen bedrohlich für ihre Existenz empfanden.

Im Zuge der Revolution von 1848 änderte sich die Konstellation der Ethnien Siebenbürgens und ihrer Wechselwirkung. Die Ungarn strebten die Angliederung Siebenbürgens an Ungarn an. Die Sachsen sowie die Rumänen waren für die Beibehaltung der Autonomie im Rahmen der Habsburger Monarchie.

Nach 1848 mussten sowohl die Deutschen als auch die Rumänen in Siebenbürgen eine Reihe herber Enttäuschungen hinnehmen. Kaiser Ferdinand I. hatte im Revolutionsjahr 1848 unter dem Druck der Ereignisse eine liberal-konstitutionelle Staatsordnung in Aussicht gestellt, mit politischer und nationaler Gleichberechtigung für alle Bürger und Volksgruppen, Pressefreiheit sowie der Abschaffung der Grundherrschaft. Dieses Versprechen wurde jedoch in den darauffolgenden Jahren des neoabsolutistischen Jahrzehnts unter Kaiser Franz Joseph I. nicht eingelöst. Mit der Einführung des österreichisch-ungarischen Dualismus im Jahr 1867 wurden Siebenbürgen und das Banat dem Königreich Ungarn angegliedert, das sich zunehmend als Nationalstaat verstand und entsprechend agierte. Im Jahr 1876 erließ die ungarische Regierung ein Gesetz, das den Königsboden auflöste und Siebenbürgen in Komitate aufteilte. Die Siebenbürger Sachsen empfanden sowohl die Magyarisierung als auch die zahlenmäßige Überlegenheit der Rumänen als Bedrohung. Nun waren sie eine Minderheit in einem zentralistisch organisierten Nationalstaat, der bestrebt war, die Bevölkerung zu vereinheitlichen.

Das Ende des Ersten Weltkrieges führte zunächst zu einer Phase der Annäherung, die jedoch nur von kurzer Dauer war. Der geschichtliche Abschnitt wurde durch kulturhistorische Interferenzen ergänzt, wie zum Beispiel das rumänische Wandertheater, Gesellschaften von Gelehrten Ende des 18. Jahrhunderts, Alexander Flechtenmacher, den Komponisten der Hora Unirii, mit Texten von Vasile Alecsandri sowie Daniel Roth, der sich als Redakteur der Transilvania für ein gutes Verhältnis zwischen den Ethnien in Siebenbürgen einsetzte. Ebenso setzte sich Stephan Ludwig Roth für die Anerkennung des Rumänischen als Landessprache ein und Josef Marlin sowie Johann Karl Schuller veröffentlichten Studien über rumänische Volkssagen. Es wurden kulturell-wissenschaftliche Vereine ins Leben gerufen: 1840 der Verein für Siebenbürgische Landeskunde, der 1843 die Zeitschrift Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde herausgab und 1861 der ASTRA-Verein (Siebenbürgischer Verein für rumänische Literatur und Kultur des rumänischen Volkes), mit der ab 1868 erscheinenden Zeitschrift Transilvania. Verlage wie Krafft & Drotleff veröffentlichten u. a. die Geschichte der Rumänen und ihrer Kultur von Nicolae Iorga sowie die monatliche Zeitschrift Luceafărul, um nur einige kulturelle Interferenzen zu nennen.

Im Anschluss an den Vortrag gab es einen gelungenen musikalischen Beitrag am Klavier von Piet Spiridon. Danach eröffnete Horst Dengel die Diskussionsrunde mit Dr. Olivia Spiridon und den Historikern Dr. Paul Bagiu, der seine Promotion zum Thema Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien mit der Dissertation Die Geheimsache Kanal abgeschlossen hat, und Dr. Erwin Jikeli, Leiter der Sektion Schulgeschichte und Pädagogik im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde.

Zu Beginn wurde das Spannungsverhältnis zwischen Rumänen und Siebenbürger Sachsen nach der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien im Jahr 1918 thematisiert. Obwohl den Minderheiten damals weitreichende Rechte zugesichert wurden, erwiesen sich Hoffnungen auf Autonomie sowie auf Vorteile durch das deutsche Königshaus der Hohenzollern bald als Illusion. Dr. Spiridon betonte, dass die Machthaber bestrebt waren, die Minderheiten stärker an das zentrale Machtzentrum zu binden. Die Bukarester Regierung unter Brătianu, der das Verständnis für die transsilvanischen Eliten weitgehend fehlte, verfolgte dabei eine nationale Wirtschaftspolitik. Eine kurze Phase der Entspannung trat erst unter der Regierung von Iuliu Maniu ein, der den Anliegen der Minderheiten aufgeschlossener gegenüberstand.

Dengel lenkte das Gespräch auf die Problematik der Zwischenkriegszeit, insbesondere auf die wachsende Sympathie der Siebenbürger Sachsen für den aufkommenden Nationalsozialismus. Ein belastender Faktor war die Bodenreform von 1921, die das Verhältnis zwischen Rumänen und Siebenbürger Sachsen nachhaltig erschütterte. Dr. Spiridon wies darauf hin, dass auch die Schulpolitik maßgeblich zur zunehmenden nationalistischen Ausrichtung der sächsischen Gemeinschaft beitrug – etwa durch die Entscheidung, das Bakkalaureat ausschließlich in rumänischer Sprache abzunehmen.

Die Rumänisierung der neu gewonnenen Gebiete sei eines der zentralen Ziele der Schulpolitik unter Kultusminister Constantin Angelescu gewesen, ergänzte Dr. Jikeli. Dieses spiegelte sich auch in dessen Motto wider: „Schule so viel wie möglich! Schule so gut wie möglich! Schule so rumänisch wie möglich!“ Das Bakkalaureatsgesetz von 1925 bot dem rumänischen Staat ein wirksames Mittel, um die Bildung einer Minderheitenelite gezielt zu erschweren.

Dr. Bagiu berichtete, dass in dieser Zeit zahlreiche Führungskräfte aus Bukarest nach Temeswar versetzt wurden, wodurch die Minderheiten deutlich unterrepräsentiert waren. Der Zweite Weltkrieg führte zu weiteren Spannungen, da ein Teil der Söhne der Siebenbürger Sachsen der Wehrmacht oder der Waffen-SS beitrat – im Einklang mit der damaligen Gesetzgebung des rumänischen Staates und auch aus dem Gefühl heraus, dort besser ausgerüstet und somit sicherer zu sein als in der rumänischen Armee. Gegen Ende des Krieges wurde der deutschen Minderheit pauschal eine kollektive Schuld zugewiesen, woraufhin viele in die Sowjetunion deportiert wurden. Die Verluste in diesem Zusammenhang waren erheblich, zumal ein Teil der Deportierten nicht nach Siebenbürgen zurückkehrte, sondern in die DDR gebracht wurde. Die in Rumänien verbliebenen Deutschen wurden vollständig enteignet, zeitweise entrechtet und sahen sich massiver staatlicher Diskriminierung und Repression ausgesetzt.

Während der kommunistischen Zeit wurde laut Dr. Spiridon ein „Schleier des Vergessens“ über die Kriegsereignisse gelegt, was eine Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsverlierern ermöglichte. Die zuvor erfolgte Entrechtung wurde schrittweise zurückgenommen, während gleichzeitig die Kollektivierung vorangetrieben wurde, auch mit dem Ziel, die nationale Einheit der Minderheiten zu untergraben. Wie Dr. Jikeli anmerkte, versuchte der Staat zudem, über kulturelle Großveranstaltungen wie Cântarea României, bei denen gemischte Kulturgruppen auftraten, die Minderheiten in das gesellschaftliche Leben zu integrieren.

In den Städten erfolgte die Integration der Minderheiten deutlich schneller. Durch das Studium, die staatliche Stellenzuweisung sowie durch Eheschließungen lockerte sich die Bindung an die jeweilige Minderheit zunehmend auch im Arbeitsalltag. In der Folge verloren viele Angehörige der Minderheiten nicht nur ihre kulturelle Identität, sondern auch ihre Sprache.

Die Gefahr, vollständig assimiliert zu werden, ein Prozess, der vom nationalistisch geprägten kommunistischen Regime unter Ceaușescu aktiv vorangetrieben wurde, sowie Diskriminierungen, Enteignungen und die Deportation im Januar 1945 führten dazu, dass immer mehr Angehörige der deutschen Minderheit die Ausreise nach Deutschland anstrebten. Hinzu kam die in der Zwischenkriegszeit durch den Nationalsozialismus vermittelte Vorstellung, dass Deutschland als Mutterland stets einen Ausweg biete. Viele nutzten den Vorwand der Familienzusammenführung, um zu den nach dem Krieg in Deutschland verbliebenen Siebenbürger Sachsen auszureisen. Diese Auswanderung wurde vom rumänischen Staat im Geheimen gefördert und als eine Art Menschenhandel betrieben, während nach außen hin offiziell für den Verbleib der Minderheit im Land geworben wurde.

Eine Person aus dem Publikum meldete sich zu Wort und schilderte persönliche Erfahrungen im Zusammenhang mit Auswanderung. Dr. Jikeli berichtete anschließend von seinen aktuellen Eindrücken aus Rumänien. Er hob hervor, dass dort heute ein harmonisches Zusammenleben zwischen der rumänischen Mehrheitsbevölkerung und verschiedenen Minderheiten zu beobachten sei, die zahlreiche Sonderrechte genießen.

Auf die Publikumsfrage zur Entwicklung neuer Diversitäten und deren Zukunftsperspektiven in Rumänien sowie innerhalb der Europäischen Union, betonte Dr. Spiridon nachdrücklich, dass autoritäre Systeme einem friedlichen Miteinander ethnischer Gruppen im Wege stünden. Zum Schluss erinnerte Horst Dengel an die kürzlich verstorbene Margot Friedländer, die sich stets sachlich und mit Nachdruck für einen respektvollen Umgang miteinander einsetzte. Ihr eindringlicher Appell lautete: „Seid Menschen!“

Liane JIKELI

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein.