Streiflichter von einem Fest für Lyrik und Kunst in Klausenburg
Ausgabe Nr. 2910

Gruppenbild der an dem Projekt beteiligten Lehrerinnen und Lehrer von der Apáczai-Csere-János-Schule.
Poesie wurde (auch) in diesem Frühling besonders großgeschrieben: Der 21. März ist traditionell der Welttag der Poesie, der 11. April der Tag der Ungarischen Dichtung – und im März erschien zudem das Buch „Viva la poesia!” von Papst Franziskus, eine Anthologie von Texten über Literatur und Dichtung. Kurz vor seinem Tod würdigte er darin die Kraft der Poesie: „Die Poesie hilft uns allen, Mensch zu sein – und wir brauchen sie heute so sehr.“ Diese poetische Stimmung war deutlich spürbar in der Kunstgalerie der Apáczai-Csere-János-Schule in Klausenburg, als dort am 16. April das internationale Posterfest zum österreichischen Jubiläumsdichter Rainer Maria Rilke als Höhepunkt der Veranstaltungsreihe Lyrikfest eröffnet wurde.
Die Reihe Lyrikfest bestand aus drei Teilveranstaltungen: einem kreativen Lyrikworkshop in deutscher Sprache mit 29 Schülerinnen und Schülern; einem Kunstworkshop in ungarischer Sprache mit 30 Schülerinnen und Schülern und einem deutschen Rezitationswettbewerb mit 95 Teilnehmenden.
Organisiert wurde das Projekt von der Grafikdesignerin und Kuratorin des Posterfests, Zilahi Nono, den Deutschlehrerinnen Dr. Lokodi Éva-Ildikó und Szabó Viola von der Apáczai-Csere-János-Schule sowie Heinke Fabritius, der Kulturreferentin für Siebenbürgen, den Karpatenraum, Bessarabien und die Dobrudscha am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar/ Deutschland.
2025 beginnt ein doppeltes Rilke-Jubiläum: Am 4. Dezember hätte Rainer Maria Rilke seinen 150. Geburtstag gefeiert, und am 29. Dezember 2026 jährt sich sein Todestag zum 100. Mal. Ein doppelter Anlass, sein Werk neu zu entdecken und einen frischen Blick auf seine Poesie zu werfen.
Im Rahmen des einzigartigen Kunstprojekts Posterfest brachte Rilkes Werk 81 anerkannte Künstlerinnen und Künstler aus 36 Ländern zusammen – darunter 50 Lehrkräfte von internationalen Kunsthochschulen – sowie 30 Schülerinnen und Schüler aus Klausenburg.
Inspiriert von Rilkes religiösem Gedicht – genauer gesagt der zweiten Strophe -, die das diesjährige Lyrikfest-Motto bildete – gestalteten die eingeladenen KünstlerInnen Plakate, die seine Gedankenwelt visuell interpretieren und weitertragen.

Zwei glückliche Preisträgerinnen: Szabó Hanna (links) und Boros Gyöngyike.
Fotos: privat
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,/die sich über die Dingen ziehn./Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,/aber versuchen will ich ihn.//Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,/und ich kreise jahrtausendelang;/und ich weiß nocht nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm/oder ein großer Gesang. (aus dem „Stundenbuch”, 1905)
Über 100 ausgestellte Plakate sprechen uns durch ihre Formen, Farben und Motive an und laden im angenehmen Ambiente der Apáczai-Galerie zur Reflexion und Interpretation ein.
Neben den internationalen Beiträgen wurden auch die Werke der 30 Schülerinnen und Schüler präsentiert, die Ende Februar eine Woche lang an einem Workshop unter der Leitung der Grafikdesignerin Zilahi Nono teilgenommen haben.
Im Rahmen des Workshops erhielten die Teilnehmenden eine Einführung in das Grafikdesignprogramm Adobe Illustrator und lernten die Grundlagen der digitalen Plakatgestaltung kennen.
Eine siebenköpfige internationale Jury – bestehend aus Arek Marcinkowski (Polen), Kye-soo Myung und Shin Hyun Ho (Südkorea), Mohamed Zakaria Soltan (Ägypten), Guan Ghen Liu und Fang Pang Chang (Taiwan), sowie Ibrahim Yilma (Türkei) – wählte die besten Schülerplakate aus. Preisgekrönt wurden Gheváld Dorottya, Hegedűs Mátyás, Fehér Tamás und Székely Szabolcs. Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Mai in der Apáczai-Kunstgalerie sowie im ersten Stock der Schule zu sehen.
Nicht nur Künstler aus verschiedenen Kulturen lasen Rilke – auch Schülerinnen und Schüler aus Klausenburg, die in der letzten Februarwoche am Kreativen Lyrikworkshop teilnahmen, einer Teilveranstaltung des Lyrikfestes, organisiert von der Apáczai Csere János Schule. Insgesamt 29 Jugendliche aus vier Schulen wurden eine Woche lang von dem Schriftsteller und Dramatiker Thomas Perle (Wien) in die Kunst des kreativen Schreibens eingeführt.
Die Schülerinnen und Schüler der Klassen V–VIII begegneten humorvollen Gedichten von Joachim Ringelnatz, während die Jugendlichen der Lyzealklassen (IX-XII) Werke von Petőfi Sándor, Rainer Maria Rilke, Frieda Paris und Friederike Mayröcker lasen. Sie experimentierten mit Haikus, Elfchen und freien Gedichtformen und überwanden durch die Methode des automatischen Schreibens ihre anfänglichen Hemmungen.
Die besten Gedichte wurden von den Dozentinnen Dr. Réka Jakabházi und Dr. Kata-Szilvia Bartalis sowie dem Workshopleiter Thomas Perle ausgewählt und am 16. April mit dem Lyrikpreis ausgezeichnet.
Wir gratulieren herzlich Sikó-Barabási Iringó, Darvay Nóra und Mărginean Katrin-Regine (Klassen V–VIII) sowie Riana Maier, Patricia Fanea, Fall Dóra und Balázs Blanka (Klassen IX-XII) für ihre preisgekrönten Gedichte.
Das Publikum der Vernissage bestand aus Kunstliebhabern, Kolleginnen sowie vielen begeisterten Schülerinnen, die aufgeregt dem anschließenden Rezitationswettbewerb entgegenfieberten.
Rund 95 SchülerInnen der Klassen V–VIII stellten sich der Herausforderung, ihre Gedichte auf Deutsch vorzutragen – und machten es der Jury nicht leicht, die besten Beiträge auszuwählen.
Unser herzlicher Dank gilt den Dozentinnen Dr. Kata-Szilvia Bartalis und Izabella Veibel vom Departement für Pädagogik und Didaktik in deutscher Sprache der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Babeș-Bolyai-Universität, sowie den engagierten Deutschlehrerinnen Darvay Éva, Lapohos Ildikó, Hegyi Noémi und Nagy Kinga Hajnalka, die mit viel Fachkompetenz und Empathie die Gedichtvorträge bewerteten.
Zum Auftakt der feierlichen Vernissage betonte der Schulleiter, Dr. Vörös Alpár, wie selten sich eine Veranstaltung so dynamisch entwickle wie das Lyrikfest. Mit dessen dritter Auflage rückte die Schule damit in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit. Auch die stellvertretende Direktorin Ghevald Júlia, zeigte sich erfreut darüber, dass eine ehemalige Schülerin der Schule als anerkannte Grafikerin und Kuratorin der Ausstellung zurückgekehrt ist – und heute eine Inspiration für die neue Schülergeneration darstellt.
Die Kuratorin Zilahi Nono berichtete kurz über die Geschichte der Plakatkunst und würdigte die thematische Ausstellung: 50 eingeladene, anerkannte Lehrkräfte von Kunsthochschulen sowie 30 weitere berühmte GrafikdesignerInnen aus 36 Ländern gestalteten Plakate zum Motto von Rilke.
Beeindruckend war die Videobotschaft der türkischen, taiwanischen und polnischen Jurymitglieder, die dem Publikum gezeigt wurde. Ihre Worte in diesen Sprachen waren wahre Poesie für unsere Ohren!
Die organisierenden Deutschlehrerinnen führten das Schülerpublikum in die Welt von Rainer Maria Rilke und die zentralen Themen seiner Dichtung ein. Fall Dóra und Gecse Borgovan Egon sangen gemeinsam mit dem Publikum die Vertonung des Rilke-Mottos. Einige Teilnehmehende am kreativen Lyrik-Workshop trugen ihre Gedichte vor, der Schüler Szabó Csanád begleitete sie auf dem Klavier.
Zum Abschluss, als Highlight der Veranstaltung, führte die Schul-Rockband „Abyss of Sorrow” – bestehend aus Gecse-Borgovan Egon, Kudor Alex, Kovács Tibor und Poszet Kristóf – das bekannte Gedicht „Der Panther” von Rilke in ihrer eigenen Vertonung auf.
Wir danken unseren Medienpartnern TVR Cluj/TVR 3 sowie dem Klausenburger Tagesblatt Szabadság, und unseren Förderern: Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, die Kulturreferentin für Siebenbürgen, den Karpatenraum, Bessarabien und die Dobrudscha am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar/Deutschland gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Apáczai Csere János Schule und die Encyclopaedia Stiftung, Adrenalin Park, Yachting Club Tarnița, Compart Impex SRL, DOSA Specialized Machinery, Findi Bistro, Gecző Lajos PFA, Kerékcsárda, Medline, die Reformierte Kirchgemeinde aus Inucu, Sapientia Universität, Dynamic Print & Advertising.
Wer Lust bekommen hat, Rilkes Gedichte und Werke näher kennenzulernen, kann den Empfehlungen von Sandra Richter folgen – Germanistin, Professorin und Direktorin des Literaturarchivs in Marbach sowie Autorin der neuen Rilke-Biografie Rainer Maria Rilke oder Das offene Leben (erschienen 2025):
Zunächst empfiehlt sie, die ersten zehn Seiten aus Rilkes Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge zu lesen, anschließend die erste Duineser Elegie und danach die Sonette an Orpheus. Zwischendurch lohnt sich ein Blick auf das Gedicht Archaischer Torso Apollos. Wer tiefer einsteigen möchte, kann sich dem Briefband oder der Biografie widmen, die Fürstin Marie von Thurn und Taxis über ihn verfasst hat.
Viola SZABÓ