Interview mit dem Orgelbauer Hermann Binder
Ausgabe Nr. 2909

Das Ehepaar Dorothea und Hermann Binder.
Foto: Werner FINK
„Eine Vielfalt von Orgeln unterschiedlichen Alters, Größe und Funktionsweise gehörten in den Bereich meiner Arbeiten für die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien”, erklärt der Orgelbauer Hermann Binder, der am 28. April 1945 in Schäßburg geboren wurde. Zwischen 1963 und 1968 studierte er Physik in Klausenburg und war danach kurze Zeit Lehrer in Stolzenburg. Da die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien dringend eine Fachkraft für die Wartung von Orgeln suchte, meldete er sich und wählte dafür eine Ausbildung zum Orgelbauer bei der Firma Alexander Schuke Orgelbau in Potsdam.
Die Aktivität als Orgelbauer in Siebenbürgen begann 1973 mit der Restaurierung der Orgel in Arbegen als Angestellter des Landeskonsistoriums der Evangelische Kirche A. B. in Rumänien (EKR). Im Jahr 1995 wurde die Werkstatt als GmbH eingetragen, um den Ablauf der Arbeiten besser gestalten zu können und Kunden außerhalb der EKR bedienen zu können. Im Jahr 2000 war er Mitbegründer des Vereins in Rumänien ansässiger Orgelbauer (AOR) und ebenfalls 2000 erschien sein Buch „Orgeln in Siebenbürgen“ im Gehann-Musik-Verlag Kludenbach, in der Reihe „Musikgeschichtliche Studien“. Seit 1973 ist er mit Dorothea Franke verheiratet und hat drei Töchter und fünf Enkelkinder. Zu seinem Werdegang führte HZ-Redakteur Werner F i n k mit Hermann Binder folgendes Gespräch:
In ihrem Buch „Orgeln in Siebenbürgen“ erwähnen Sie, dass in der Vergangenheit Orgelbauer oft von weither gerufen wurden. Im 18. und 19. Jahrhundert, einer Zeit reger Orgelbautätigkeit, gehörten inzwischen viele Siebenbürger dazu. Was hat Sie dazu bewegt, Orgelbauer zu werden?
Unsere Landeskirche suchte einen Interessenten, der sich um die Orgeln der Landeskirche kümmert. So kam es dazu, dass ich mich in der Orgelbauanstalt Alexander Schuke in Potsdam meldete und angenommen wurde. Dort lernte ich den Beruf eines Orgelbauers in allen Bereichen kennen (Neubau, Restaurierungen alter und sehr alter Instrumente, Orgelwartungen, Stimmung und Reparaturen).
Wer hatte diese Arbeit bis dahin hier durchgeführt?
Otto Einschenk, Klavierstimmer aus Kronstadt, setzte die vielfältige Arbeit seines Vaters Karl Einschenk fort.
Sie sind in Schäßburg geboren. War Ihr Vater dort Pfarrer?
Mein Vater Hermann Felix Binder war Pfarrer in Schäßburg und später Theologieprofessor am Theologischen Institut in Klausenburg und Hermannstadt. Die Familie wohnte weiterhin in Schäßburg und später in Hermannstadt.
Wann begann Ihr Interesse für die Orgel?
Während meines Physikstudiums in Klausenburg hatte ich Gelegenheit, täglich Orgel in der evangelischen Kirche und im Theologischen Institut zu spielen und lernte Walter Kindl (Musikstudent) kennen. Er brachte mir Musiktheorie und Satztechnik bei und ich begann Orgeln zu respektieren und zu schätzen.
Hatten Sie schon Orgelunterricht erhalten ?
Nein, etwa ab der fünften Klasse nahm ich in Hermannstadt Klavierstunden bei Christel Dressler und vertretungsweise bei ihrem Vater Franz Xaver Dressler. Er hat mich öfters gerufen, wenn an der Orgel technische Fehler zu beheben waren.
Wie kam es dazu, dass Sie in die DDR reisten, um den Beruf des Orgelbauers zu erlernen?
Die Landeskirche war daran interessiert, dass ihre Orgeln besser gewartet werden und war bereit, dafür eine Arbeitsstelle einzurichten. Die Thüringische Landeskirche unterstützte anfänglich meine Ausbildung.
Hatten Sie persönlich damals daran gedacht, dort zu bleiben?
Nein. Obwohl ich nicht direkt vom Landeskonsistorium geschickt wurde, habe ich meine Ausbildung als ein Versprechen verstanden, nach Hause zurückzukehren.
Ihre Frau Dorothea haben Sie in der DDR kennengelernt?
Ja! Beim Orgel reparieren in ihrem Heimatdorf!
Nach der Ausbildung in der DDR haben Sie in Arbegen begonnen? Wie kam es dazu?
Mein Bruder Rolf Binder war dort Pfarrer. Die Sommerküche wurde meine erste kleine Werkstatt.
Welche Arbeiten mussten in Arbegen durchgeführt werden?
Wir, meine Frau und ich, haben dort die Orgel auseinandergenommen, gereinigt, repariert und wieder zusammengesetzt und sogar erweitert. Das war eine größere Arbeit für einen Orgelbauer. Die Arbegener hatten Glück damit, dass ich im Ort wohnte.
Wie ging es nach der Arbeit in Arbegen weiter?
Wir zogen nach Hermannstadt in eine Wohnung des Landeskonsistoriums, in der wir heute noch leben. Eine Werkstatt wurde an das Wohnhaus angebaut.

Die Orgel von Niedereidisch/Ideciu de Jos; der Mittelteil der Orgel stammt aus der Spitalskirche von Schäßburg um 1680; Zubau der Seitentürme von Friedrich Binder 1869/Restauriert 2022 von der Firma Hermann Binder Orgelbau. Foto: Privat
Welche Arbeiten prägten Ihre Tätigkeit?
Restaurierungen besonders alter und wertvoller Instrumente, Einbau von Elektroventilatoren, Fehlerbeseitigungen, Reinigungen, Nachstimmen, Generalreparaturen, Erweiterungen, Neubauten, Wartungsarbeiten, Abbauen der vom Landeskonsistorium der EKR verkauften Orgeln.
Überfordert bin ich mit keiner von diesen Arbeiten gewesen. Sie waren sehr unterschiedlich im Umfang, in Genauigkeit, in nötigen Ergänzungen und in der guten und soliden Durchführung. Ich kann die Zahl der Arbeiten nicht sagen. Ich könnte höchstens eine Liste hervorholen, wo über hundert Gemeinden aufgeschrieben sind, in denen ich gearbeitet habe. Ich kann auch nicht sagen, welches meine liebste und beste Arbeit gewesen wäre. Erwähnenswert ist, dass ich im Laufe der Jahre viele gute und zuverlässige, vor allem ungarische Mitarbeiter hatte. Sie haben inzwischen eigene Werkstätten und arbeiten hochprofessionell vor allem für das Ausland. Die siebenbürgisch-sächsischen Mitarbeiter wanderten aus. Einige von ihnen arbeiteten in Deutschland weiter als Orgelbauer, was mich sehr freute!
Einige Jahre unterrichtete ich in der Orgelbauschule in Honigberg. Lehrlinge aus dieser Schule leiten heute die dortige Orgelbauwerkstatt.
Sie arbeiteten auch in Kirchen anderer Konfessionen?
Ja, z. B. für eine ungarische Gemeinde, Pericei, zwischen Klausenburg und Großwardein gelegen. Dort habe ich sozusagen eine neue Orgel gebaut, eine größere Orgel. Ich habe nur einige alte Teile von einem älteren Instrument übernommen und dieses erweitert. Aber das ist im Grunde genommen durch und durch ein Neubau gewesen. Wenn ein Instrument nicht mehr zu retten ist, ist das Restaurieren ein größerer Aufwand, als ein Neubau. In den meisten Fällen oder in sehr vielen Fällen ist es ja so gewesen, dass die Kunden schon von vornherein wollten, dass die Orgel vergrößert wird. Meinerseits habe ich dazu auch verholfen, dass man durch die Ausstattung des Instrumentes einen Fortschritt erreicht.
Hatten Sie auch Aufträge im Ausland?
Natürlich. Es handelte sich dabei um einige Neubauten – eine Hausorgel in Hartenstein/Erzgebirge, ein Positiv für die evangelische Kirchengemeinde in Meißenheim, eine Privatorgel in der Altmark/Ostdeutschland, eine Privatorgel in der Nähe von Wien -, eine Restaurierung – Evangelische Kirche in Radefeld, bei Leipzig -, und zwei Arbeiten im Auftrag der Firma Schuke Potsdam für das Konservatorium in Moskau.
Wie kam es zur Gründung der eigenen Firma?
Diesen Schritt unternahm ich, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren.
Wie oft haben Sie in Hermannstadt an der Sauerorgel in der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche gearbeitet?
Unzählige Male!!!
An der Orgel in der Ferula der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche haben Sie auch gearbeitet?
An der Orgel von Martinsberg haben meine Mitarbeiter und ich sehr viel gearbeitet. Das war eine Generalreparatur, also eine Rückführung auf den alten Zustand. Sie wurde von Martinsberg aus Sicherheitsgründen nach Hermannstadt weiter gegeben.
Was hatte sich in Michelsberg zugetragen, als die Orgel abgebaut werden musste?
Wegen der Reparatur des maroden Kirchenschiffes musste die Orgel abgetragen werden und wurde danach im Sinne des Originals restauriert.
An welcher Orgel haben Sie zuletzt gearbeitet?
Unsere letzte große Arbeit war die Orgel in Niedereidisch. Der Kern dieser Orgel gehört zu dem Ältesten, was wir in Siebenbürgen haben. Der Mittelteil der Orgel stammt etwa aus dem Jahr 1680 und gehörte zu der Orgel in der Spitalskirche von Schäßburg. Später, etwa um 1890, wurde sie abgegeben an die Gemeinde Niedereidisch bei Sächsisch Regen. Dort hat ein Schäßburger Orgelbauer sie mit zwei Seitentürmen erweitert. In der Nachkriegszeit wurde sie mutwillig zerstört. Es herrschte große Freude, als die Orgel am 24. Juli 2022 im Rahmen eines musikalischen Gottesdienstes wieder erklang!
Vielen Dank für das Gespräch!
Anmerkung der Redaktion: Am Montag, den 28. April 2025, feiert Hermann Binder seinen 80. Geburtstag.
Hiermit wünscht ihm das Team der Hermannstädter Zeitung alles Gute und vor allem Gesundheit!