,,Meiteli, wenn du witt go tanze, gang du nur dä Gige na!“

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Der Mediascher Familienchor war zu Gast in Lenzburg/Schweiz / Von Pfarrer Gerhard SERVATIUS-DEPNER

Ausgabe Nr. 2894

Der Mediascher Familienchor singt in der Lenzburger Stadtkirche, zusammen mit dem Lenzburger Musikverein.                           Foto: Mirjam STUTZ

Der Musikverein Lenzburg/Schweiz plante vor einigen Jahren eine Konzertreise nach Siebenbürgen. Im Vorfeld der Reise fragten die Organisatoren nach der Möglichkeit der Kooperation mit einem einheimischen Chor, mit dem sie also in Rumänien zusammen singen könnten. Das Repertoire – querbeet! Eine Kantate, geistliche Lieder in mehreren Sprachen, rumänische wie schweizerische Volkslieder. Der Mediascher Familienchor (früher: Kirchenchor) der evangelischen Kirchengemeinde rund um die Margarethenkirche, meldete sich dafür bereit. Der Name kommt daher, weil der immer kleiner werdende Chor sogar die Pandemie nur mit der Hilfe von Kindern und Familien überlebt hat. Und so beginnt diese schöne Geschichte!

Im Sommer 2023 traten der Familienchor mit dem Chor und dem Orchester des Lenzburger Musikvereins in Mediasch und auch in Hermannstadt auf. Die HZ berichtete darüber in der Ausgabe Nr. 2834 vom 22. September 2023. Für viele im Mediascher Familienchor war das einfach einmalig! Nicht alle hatten nämlich schon die wunderschöne Erfahrung gemacht, in Begleitung eines Orchesters zu singen, vor großem Publikum und auch noch standing ovations zu bekommen. Alles wie ein Traum! Aber es sollte noch traumhafter werden…

Der Musikverein Lenzburg lud in diesem Zusammenhang den Familienchor für 2024 in die Schweiz ein. In Mediasch lächelte man etwas ungläubig darüber … „Das wäre wirklich was Schönes!… Aber – wie soll das denn gehen?! Die Schweiz liegt doch so weit!“ Ja, man fürchtete sich ein bisschen, dass eine so lange Reise, dazu der Aufenthalt sicher viel zu teuer werden können. Auch fürchtete man sich ein wenig vor den vielen Details, die man für so eine Reise, dazu mit einer so gemischten „Familie“ (im Alter zwischen 3 und 81!) organisieren müsste…. Doch jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Nach dem „Ja, gerne…“ aus Mediasch als Antwort auf die Einladung, passierte erstmal gar nichts. Es liefen weiterhin die regulären Proben jeden Mittwochabend im Mediascher Gemeindehaus. Je näher aber der Termin kam, wurden auch die Vorbereitungen konkreter. Es wurde nicht nur mehr und mehr darüber gesprochen und geplant, die Sache an sich wurde auch immer vorstellbarer. Dann fanden sich auf wundersame Weise auch Privatspender, die die Reise erheblich mitfinanziert haben, es standen schließlich ein größerer Bus (der einen ermäßigten Preis angeboten hat) und ein kleinerer Kirchenbus für die Reise zur Verfügung.

In Lenzburg meldeten sich einige Mitglieder des Chors und auch des Orchesters mit Privatunterkünften für die Mediascher Gäste. Hier und dort wurde in vielen Wochen das bunte Repertoire erstellt. In Lenzburg ging es bei der Ankunft am Abend des 26. Oktobers erstmal in die Familien. In sehr schöner Erinnerung behalten wir den Besuch bei der Volkstanzgruppe und dem Mundarttheater in Eggenwill. Dort fühlten sich viele von uns sehr heimisch, denn vieles erinnerte an unsere eigenen Gemeindefeste. Die Jurawanderung am zweiten Tag, durch dichten Nebel hoch hinauf in die warme Sonne und zu einem wunderbaren Ausblick, kulminierte in einem leckeren Käsefondue, für manche Mediascher eine unbekannte Speise. Der schmackhafte Käse und ein leckerer Wein haben nach dem anstrengenden Auf und Ab die Mediascher und Lenzburger Leiber und Seelen wohlig gewärmt. Am Abend fand dann die erste der beiden Generalproben statt.

Um die kurze Zeit in der Schweiz so gut wie nur möglich zu nutzen, aber um auch einiges kennenzulernen, haben die Gastgeber für den dritten Tag einen Ausflug nach Luzern organisiert, mit einer entspannten Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Der tägliche dichte Nebel hing zwar auch an dem Tag lange tief. Aber die Stimmung der Teilnehmer lag hoch. Man freute sich einfach an der Gemeinschaft und an den Gesprächen, oder ließ die eigenen Gedanken einfach schweifen. Am Nachmittag konnte man bei einer unerwarteten klaren Sicht und in warmen Sonnenstrahlen durch die schönen Gassen der Luzerner Altstadt spazieren gehen. Der vierte Tag war frei – einige besuchten Bern oder das Lenzburger Schloss, andere haben eine Bergwanderung gemacht. Andere wiederum besuchten Partner und Freunde von Mediasch, die in der Nähe von Zürich leben und in den letzten Jahren die Kirchengemeinde (mit dem Kauf des Kleinbusses) oder wesentlich beigetragen haben, wichtiges Erbe zu retten (Tobsdorfer Orgel). Am Abend hat dann die Hauptgeneralprobe in der Lenzburger Stadtkirche stattgefunden.

Der letzte und wichtigste Tag des Aufenthaltes war am Reformationsfest (31. Oktober), an dem das lang vorbereitete Konzert stattgefunden hat. Die Stadtkirche war richtig voll. Die Augen der Mitwirkenden strahlten, bald auch die Augen der Zuhörer. Die Freude am Singen und Spielen war spürbar. Als Allerschönstes wurde der Zusammenklang, die Harmonie der verschiedenen Menschen empfunden. Man sagte uns im Nachhinein, dass normalerweise keine Zugabe erfolgt, doch dieses Mal war es anders. Gemeinsam wiederholten Lenzburger und Mediascher das rumänische Liebes- und Scherzlied „Iac-aşa!“ Langer Applaus ertönte wieder. Nach dem Konzert saßen wir noch lange beisammen, bei einem Festessen im Gemeindesaal. Wir sangen und freuten uns einfach an dieser schönen harmonischen Begegnung.

Auf der Rückreise schien uns im Rückblick alles wie ein schöner Traum. Ein Traum, der schnell wieder vorbei war. Mit dankbaren Herzen kamen wir am Abend des 2. November wieder in Mediasch an. Nun ist mehr als ein Monat vergangen, seitdem wir zurück sind. Aber immer noch sind wir sehr erfüllt von der Reise, vom Aufenthalt in Lenzburg, von den Begegnungen und Besuchen, von der Musik und den Gesprächen, von der Landschaft und von der Herzlichkeit unserer Gastgebern. Es gibt Träume, die tatsächlich in Erfüllung gehen. Vor allem dann, wenn man genügend Mut aufbringt, einer unglaublichen Einladung zu folgen. Aus einem Schweizer Lied haben wir nun so was wie ein Sprichwort gelernt: ,,Meiteli, wenn du witt go tanze, gang du nur dä Gige na!“ (Mädchen, wenn Du tanzen gehen willst, folge nur der Geige!) Dank sei auch auf diesem Weg allen Gastgebern und Förderern ausgesprochen. Stellvertretend für alle, die daran geglaubt und dafür mitgewirkt haben, den beiden Leitern Edith Toth (Mediasch) und Beat Wälti (Lenzburg).

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.