50 Lieder für 50 Jahre

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024

Ausgabe Nr. 2886

Es ist für mich eines der eindrücklichsten Lieder unseres Gesangbuches, das Lied Nr. 13 „O Heiland reiß die Himmel auf!“ Es ist meine Stimmung: ich fühle mich im Dunkel sitzend, in einer unfruchtbaren, unsentimentalen, öden Welt. Meine Seele dürstet nach Sinn und nach Leben! Wo bleibt der Lichtblick für mich, wo der Trost der ganzen Welt?

Das Lied ist ein Ruf nach Hoffnung und nach Perspektive in der Depression. „Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab!“ – hatte, in ähnlicher Verfassung schon der Prophet Jesaja (63,19) gerufen. Oder auch (45,8): „Tauet, ihr Himmel, von oben, und die Wolken mögen den Gerechten regnen; es öffne sich die Erde, und sie sprieße den Heiland“. Die Vorstellung spricht mich an: Das bedrohliche Dunkel reißt auf, man sieht die Sonne. Gleichzeitig beginnt es zu tauen, es beginnt fruchtbares Wetter, es fängt an zu regen und zu sprießen. Ein Ausweg eröffnet sich!

All das ist der Heiland: die klare Sonne über den aufreißenden Wolken, das lebensspendende Wasser vom Himmel, die fruchtbar sprießende Erde! Inmitten einer trostlosen Welt erwacht das Leben!

Friedrich Spee von Langenfeld, der Liederdichter, nimmt in unserem Lied aus dem Lyrikband „Trutznachtigall“, diese Stimmung auf. Es ist 30-jähriger Krieg. Und es ist auch die finstere Zeit der Hexenverfolgungen. Spee konnte den Terror nicht stoppen; aber er konnte ihn anklagen. Sein Trostlied ist heute genauso erschütternd und notwendig wie damals 1622.

Es spricht mich an, in der trübsinnigen Sinnlosigkeit meines Daseins und in den mich umgebenden Zuständen. Es reißt die Finsternis auch meiner Seele auf. Licht strömt in mein Inneres. Auch mir kann der Heiland sprießen, wie eine Blume nach dem Regen.

Das Lied könnte, wenn es im Advent, mit der schönen, mitreißenden alten Melodie in den Kirchen erklingt, zum Trost der ganzen Welt werden.

Thomas PITTERS

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.