Gespräch mit dem Heilbronner Naturfotografen Roland Schweizer
Ausgabe Nr. 2847
Von der Schönheit der Wildnis und magischen Naturphänomenen zeugen die einzigartigen Fotografien des deutschen Naturfotografen Roland Schweizer. Sein Ziel dabei ist es, die Natur in ihrer Mannigfaltigkeit genauso zu zeigen, wie sie eben ist – Photoshop und Co. kennt Schweizer nicht. Seine Bilder präsentierte der Heilbronner Fotograf bereits im In- und Ausland auf zahlreichen Ausstellungen, veröffentlichte bereits fast 100 Kalender und Bildbände. Dabei zieht es Roland Schweizer immer zu neuen, noch unbekannten Reisezielen hin, die er dann, mit seiner Ausrüstung im Gepäck, fotografisch erkundet. Ende Oktober besuchte er für 10 Tage Siebenbürgen, hier auf der Suche nach der wilden Natur im Karpatenbogen und den unberührten Wäldern Siebenbürgens. Über seine Leidenschaft des Fotografierens und seine Siebenbürgen-Reise führte Fabian L u t s c h mit ihm das folgende Gespräch.
Sie sind bereits seit über 40 Jahren als Fotograf tätig, wie entdeckten Sie die Fotografie als ihre persönliche Leidenschaft?
Ich bin nahe Heilbronn, in den Löwensteiner Bergen aufgewachsen – mit Landwirtschaft, einem Weinbaubetrieb, und der Natur als Abenteuerspielplatz. Zu meiner Konfirmation habe ich eine kleine, ganz einfache Kamera geschenkt bekommen. Damit habe ich angefangen, Dinge in der Natur zu fotografieren. Die Liebe und Begeisterung dafür ist schnell gewachsen. Mit etwa 20 hatte ich dann die erste Ausstellung mit meinen Naturbildern in Heilbronn. Dann habe ich mein erstes Buch mit Bildern an Verlage geschickt und irgendwann musste nicht mehr ich die Klinke putzen. Fremde Länder und Kulturen haben mich dabei seit meiner Kindheit begeistert, genauso wie Vulkane. Doch erst mit 20 bin ich zum ersten Mal ins Ausland gereist und habe auch dort von Anfang an leidenschaftlich fotografiert.
Als Fotograf haben Sie sich vor allem der Naturschönheit und der Magie des Lichtes verschrieben, was fasziniert Sie daran so sehr?
Am meisten fasziniert mich die Natur in ihrer Wildnis, das ist mein fotografisches Lebensthema. Die Natur im Urzustand zeigt uns wie sie ist, wenn der Mensch nicht eingreift.
Denn die Natur braucht den Menschen nicht, doch der Mensch braucht die Natur. Als Fotograf schaue ich mit einem besonderen Blick auf die Kunstwerke, die die Natur erzeugt. In meiner zweiten Heimat Island schafft die Natur mit ihren Formen und Farben fast surreale Landschaften, die ein Maler gemalt haben könnte. Vor allem das Licht ist das wesentliche Gestaltungsmittel der Fotografie. Nicht zufällig bedeutet das Wort Fotografie, das aus dem Griechischen kommt in etwa „Zeichnen mit Licht“.
Die Kunst der Fotografie besteht für mich nicht darin, das Vorhandene zu dokumentieren. Ich gehe wie ein impressionistischer Maler vor, der die Natur aufnimmt und sie wie ein Gemälde interpretiert, statt nüchtern dokumentiert. So wie Monet, der die Landschaft zu impressionistischen Gemälden gemacht hat, so möchte auch ich mit meiner Fotografie gestalten.
Sie bereisten schon aller Herren Länder, von Island und Italien bis zu den Vereinigten Staaten – wieso nun gerade Siebenbürgen?
Letztes Jahr habe ich im Fernsehen einen wunderbaren Dokumentarfilm über die Karpaten im Herbst gesehen. Das hat mich sehr fasziniert. Da ich Wälder und Herbstfarben unglaublich schön finde, dachte ich mir: Diese beiden Dinge kann ich in Siebenbürgen finden! Dazu interessieren mich schon lange Bären in freier Wildbahn und der Vulkanismus, den ich überhaupt nicht in Rumänien vermutet hätte. Dass es einen Kratersee (Sankt Anna-See im Kreis Harghita) und die Schlammvulkane von Berca gibt, hat mich neugierig gemacht. Da ich mehrere Kollegen aus Siebenbürgen habe, machten ihre Erzählungen Siebenbürgen noch interessanter für mich, und brachten mich schließlich zu dem Entschluss, endlich dorthin zu reisen.
Was haben Sie in den 10 Tagen Ihres Aufenthaltes hier alles gesehen und vor allem fotografisch festhalten können?
Ich habe mir bewusst keinen Plan gemacht, bin kleine Straßen gefahren und habe nur für die erste Nacht vorgebucht. Eine Landkarte, ein kleines Zelt und natürlich meine Kameraausrüstung hatte ich immer dabei – kein Smartphone. Ich habe in kleinen Dörfern gehalten, mit Händen und Füßen nach dem Weg oder einer Übernachtungsmöglichkeit gefragt. Oft wurde ich mitleidig belächelt, weil ich kein Google Maps, sondern nur die Karte hatte. Weite Waldgebiete nördlich von Kronstadt, Moorgebiete und den Sankt Anna-See habe ich mir angesehen.
Meistens bin ich einfach durch den wunderschönen Wald gewandert – völlig überwältigt von der Atmosphäre, die dieser ausstrahlt. Hermannstadt habe ich besucht und war beeindruckt von der Kultur und Lebendigkeit, die diese Stadt zu bieten hat, sei es das Astra-Filmfestival oder eine Fotoausstellung, die ich besuchte.
Auch Richtung Buzău bin ich gefahren und habe das vulkanische Gebiet bei Berca mit seinen interessanten Formationen gesehen. Und auch von der Transfogarascher Hochstraße hatte ich viel Gutes und Schönes gehört und wollte mich selbst davon überzeugen. So fasziniert von der Landschaft, den Wäldern und der Natur habe ich dort bis zur letzten Minute fotografiert, so dass ich beinahe meinen Flieger verpasst hätte.
Haben Sie in Rumänien etwas entdeckt, was Sie in der Form zuvor noch nicht erleben konnten?
Die weitgehend unberührte und derartig vielfältige Natur ist natürlich beeindruckend. Vor allem die Schlammvulkane waren dabei sehr besonders für mich. Wenn man sich so viel mit heißen, feuerspeienden Vulkanen beschäftigt wie ich, dann sind kalte, schlammspuckende Vulkane etwas Neues. Auch meine Begegnungen mit Bären waren sehr spannend, vor allem, da ich keinen Bärenspray im Flugzeug mitnehmen konnte. Doch Bären sehen den Menschen üblicherweise nicht als ihre Beute an, und man darf vor ihnen nicht wegrennen. Aber überraschend ist es dennoch, wenn man einem stattlichen Bären plötzlich gegenübersteht.
Ziel ihrer Naturfotografie ist es, die Schönheit unberührter Natur darzustellen. Nun sind aber hier in Rumänien, wie anderswo auch, die Spuren des menschlichen Einflusses immer größer geworden. Haben Sie hier wirklich die unangetastete Natur gefunden?
In Rumänien habe ich viele schöne unberührte Plätze gefunden, der Wald ist hier wie eine Kathedrale aus Farben und Licht. Leider habe ich aber auch kahl geschlagene Berge gesehen, das hat weh getan. Gerade wenn man solche wunderbaren Wälder wie in Rumänien hat, muss man sie besser schützen. Natürlich habe ich mich intensiv auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob ich auf meinen Bildern nicht auch die Zerstörung zeigen müsste. Doch meine Überzeugung ist: Wenn der Mensch nur Zerstörung vorgeführt bekommt, glaubt er, sich nicht mehr engagieren zu müssen. Mein Ansatz ist, dass ich zeige, wie die Natur sein kann und baue darauf, dass die Menschen so erkennen, was sie der Natur antun.
Zum Glück sagt die Natur manchmal Halt und weist den Menschen in seine Schranken. Zum Beispiel Vulkane, die ganze Bauwerke in kurzer Zeit dem Erdboden gleichmachen können.
Der weltbekannte Kriegsfotograf Robert Capa sagte einmal: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Wie war es bei Ihrer Bärenbegegnung – waren Sie da nicht gefährlich nahe dran?
Anfangs habe ich dieses Zitat so verstanden, dass Capa damit die räumliche Nähe meint. Doch dann begriff ich: das Wesentliche ist die innere Nähe, die Leidenschaft, Begeisterung und Identifikation. Ich wollte nie meine Seele als Fotograf verkaufen, ich habe mich entschieden, nur Dinge zu fotografieren die mir etwas bedeuten, Themen die mich auch ohne Kamera interessieren würden. Ich fotografiere mit allen Sinnen, einen Vulkan zum Beispiel will ich auch riechen, schmecken und nicht nur aus der Ferne mit dem Teleobjektiv einfangen. Da braucht man dann die räumliche Nähe. Und auch einen Herbstwald wie die, die ich in Siebenbürgen erleben durfte muss man mit allen Sinnen erleben. Bei meiner Bärenbegegnung war ich natürlich beides, räumlich und innerlich nah dran – beides ist wichtig.
Gibt es bereits Pläne für künftige Reiseziele? Werden Sie Siebenbürgen noch einmal besuchen?
Siebenbürgen hat mich sehr begeistert, es hat alle meine Erwartungen übertroffen, vor allem was die Natur angeht. Ich habe sehr nette Menschen kennengelernt, war von Hermannstadt und der vielfältigen Kultur begeistert. Natürlich sind mir auch die Schattenseiten nicht entgangen, aber Licht und Schatten gehören überall zusammen, nicht nur bei der Fotografie.
In Siebenbürgen habe ich viele Plätze kennengelernt, die nach einem Wiedersehen rufen. Ich werde wiederkommen, doch jetzt bereite ich mich auf den bevorstehenden großen Vulkanausbruch in Island vor, um auch diesen fotografisch einzufangen und aus räumlicher Nähe hautnah zu erleben.
Vielen Dank für das Gespräch!