Die Band ,,Corina Sîrghi și Taraful Jean Americanu“ bald in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2809
Corina Sîrghi ist eine Sängerin aus Bukarest mit Wurzeln in der multiethnischen Dobrudscha. Sie wuchs unter anderem mit Liedern von Maria Tănase auf, sang zuerst a-capella in Cafés von Bukarest. Wenig später gründete sie mit dem Akkordeonisten Shaun Williams und drei erfahrenen Romamusikern eine Band in traditioneller Besetzung: Corina Sîrghi și Taraful Jean Americanu. Die Ururgroßmutter von Shaun Williams mütterlicherseits, Agnetha Haldenwang, stammt aus Deutschpien/Pianu de Jos und war 1920 in die USA ausgewandert, nach Cincinnati im Bundesstaat Ohio. Jetzt ist das Quintett zum ersten Mal auf Tour durch Siebenbürgen bis nach Zagreb, Ljubljana und Budapest, wo sie beim Festival Budapest Ritmo ein Konzert geben. In Hermannstadt konzertiert die Band am Donnerstag, dem 23. März, ab 20.30 Uhr, im Atrium Café.
„Alle sagen mir, dass ich mir sehr schwierige, emotional aufgeladene Stücke aussuche. Und das ich dafür eigentlich noch etwas warten müsste, um schmerzhafte Lebenserfahrungen zu sammeln, die ich dann durch die Musik rauslassen kann. Ich verstehe nicht genau, warum ich diese Stücke wähle, aber sie sprechen mich am meisten an. Traurigkeit hat mich immer angezogen, traurige Musik ist meine Visitenkarte.“, erzählt Corina Sîrghi, gefragt, warum sie so gern cântece de jale singt. Ihre Premiere auf einer größeren Konzertbühne feierten Corina Sîrghi și Taraful Jean Americanu vor einigen Jahren beim legendären Balkanik Festival in Bukarest. Immer wieder kann man diese Band aber auch in Bukarester Clubs hören. Orte, die junges wie älteres Publikum anziehen, sind eine neue Plattform für die Trink- oder Liebeslieder urbaner Romakapellen. Corina Sîrghi singt aber auch die eine oder andere von türkischer Musik oder orientalischen Rhythmen inspirierte Manea, Lieder wie „Cristina“. „Das Lied habe ich bei Tita Barbulescu gefunden, eine Aufnahme aus den neunziger Jahren. Ich denke kaum jemand kennt diese Sängerin. Ich habe das Lied zufällig entdeckt, es ist nicht genau in meinem emotionalen Stil, aber mir gefällt auch dieses Quentchen Fröhlichkeit.“ Doch das Repertoire der Band entwickelt sich immer weiter, Tango oder Romanzen gehören ebenfalls dazu.
Corina Sîrghi und Shaun Williams haben eine außergewöhnliche Mehrgenerationenband geschaffen, allein aus ihrer tiefen Liebe für dieses urbane, bis dahin eher selten hierzulande auf Konzertbühnen gespielte Repertoire der Lăutarimusik. Und ihr gefühlvoller, warmer Retrosound unterscheidet sich wohltuend von anderen Bands. Die expressive Stimme von Corina Sîrghi klingt dabei fast wie aus der Zwischenkriegszeit. Um sie herum gruppieren sich Zimbalom, Geige, Akkordeon und Kontrabass und erinnern an den Klang von Bukarest, aus längst vergangenen Zeiten. Ein zarter Sound, den man heute leider kaum noch findet. Corina Sîrghi wagt sich auch an das Repertoire legendärer Romasängerinnen, wie Gabi Luncă oder Romica Puceanu, obwohl sie davor als Nicht-Romni großen Respekt hatte. „Ich habe mich informiert, das ist nebenbei passiert. Ich habe viele Lebenserinnerungen gelesen und viel Musik gehört und selbstverständlich hat mir auch Shaun einige Türen geöffnet, von denen ich keine Ahnung hatte. Es geht um die authentische Lăutărie. Ich hatte etwas Angst davor, mich da hineinzubegeben. Nicht weil sie mir nicht gefiel. Ich habe mir gesagt, das ist Musik, die von Roma gemacht wird, und ich habe dort als Rumänin nichts zu suchen. Ich war genau aus diesem Grund anfangs etwas zurückhaltend. Aber ich habe gespürt, dass ich zu den Menschen gehöre, die diese Musik weitertragen wollen.“
Kennengelernt hat Corina Sîrghi den Musikethnologen und Musiker Shaun Williams über Facebook. Schnell wurden sie ein Duo. Der Amerikaner, der in Rumänien seine Doktorarbeit über Romamusiker schreibt, Akkordeon und Zimbalom spielt, hat enge Freundschaften in der Lăutarimusikszene geknüpft. „Auch Corina ist keine Romni, auch für sie ist das eine neue und sehr gute Erfahrung mit Lăutarimusikern zu arbeiten. Wir lernen sehr viel von diesen Musikern. Besonders den älteren Lăutarimusikern gefällt unsere Band, denn sie haben Freude daran, das zu erneuern. Wir arbeiten demokratisch in dieser Band. Wenn der Geiger Marian Mirea etwas sagt oder Marian Șerban, dann höre ich genau hin, denn ich habe lange nicht so viel Erfahrung mit dieser Musik und folge ihrem Rat.“
Zum Taraf von Corina Sîrghi gehört der Romamusiker Marian Șerban am Zimbalom, er hat über 20 Jahre in Italien gelebt als Musiker und dort mit Stars wie Elvis Costello, Ennio Morricone und Ute Lemper gearbeitet. Er ist das virtuose Rückgrat der Band, zusammen mit Cristian Mirea am Kontrabass, der aus einer Lăutarifamilie stammt und Musik studiert hat. Die Geige spielt sein Vater, Marian Mirea, der sich oft um die Orchestrierung kümmert. Er gehört zu den Urgesteinen der muzica lautarească in Bukarest, sein Vater Constantin Mirea hat als Geiger Orchester geleitet, und stand im Aufnahmestudio mit Maria Tănase oder Gabi Luncă. Marian Mirea ist jetzt Mitte sechzig und fand die Idee spannend, mit jungen Leuten, die ganz unterschiedlich sozialisiert wurden, diese wunderschöne, tief empfundene Musik zurück auf die Bühnen zu bringen: „Ich hatte die Tradition sozusagen zuhause und als Shaun mich in die Band eingeladen hat, sagte ich freudig zu, denn ich konnte der Musik meinen Stempel aufdrücken. Corina singt Lăutarimusik so gut, sie ist dafür geschaffen und sie hat ein außergewöhnliches Gehör. Sie braucht keine Noten, sie fühlt diese Musik.“
Trotzdem bleibt es schwierig, Lăutarimusik aus dem Kontext von Hochzeiten oder privaten Festen zu lösen, findet der Musik-ethnologe Shaun Williams, der fließend Rumänisch und Ukrainisch spricht. Er wünscht sich, dass diese Musik in Rumänien genauso geschätzt wird, wie Rock, Jazz oder Blues. Mit der emotionalen Stimme von Corina Sîrghi wird dieser Band das gelingen, das hofft auch die elegante Sängerin: „Das braucht einige Generationen, wie beim Jazz. Jazz gilt heute als Musik für kultivierte Menschen. Unsere Musik sei dagegen für Menschen, die keine Ahnung von Musik haben, solche Kommentare habe ich anfangs oft gehört. Weil man unsere Musik nicht nach Noten spielt, ist sie für einige keine Kunst, sondern Folklore, die man übergehen kann. Aber mich ziehen die guten Texte an. Nur die Kunst des Zuhörens ist verloren gegangen. Ich möchte das zurückholen.“
Grit FRIEDRICH
Konzerttermine in Rumänien:
Kronstadt/Brasov, 22. März, Aftăr Hours
Hermannstadt/Sibiu, 23. März, Atrium Café, 20.30 Uhr
Klausenburg/Cluj-Napoca, 24. März, Bruto
Großwardein/Oradea, 25. März, Noo’vo Resto Lounge
Temeswar/Timișoara, 30. März, Berăria 700