ARTmania Festival kehrte nach einjähriger Pause zurück
Ausgabe Nr. 2780
Wenn in schwarz gekleidete Frauen mit langen Mähnen, Männer mit großen Bärten und Kinder mit lärmschützenden Kopfhörern im Hermannstädter Stadtzentrum zu sehen sind, dann kann das nur eines bedeuten: ARTmania ist zurück! Nach einer einjährigen pandemiebedingten Pause, rockte es am Wochenende auf dem Großen Ring gewaltig. Heavy Metal Fans aus dem ganzen Land reisten zwischen dem 22. und 24. Juli nach Hermannstadt, um bekannte Bands wie „Transatlantic“, „Testament“, „Meshuggah“ oder „Mercyful Fate“ live zu erleben. Es war heuer die 15. Auflage des ARTmania Festivals, eines von etwa sechs jährlich stattfindenden Musikfestivals der Stadt.
Schon am Freitagabend kamen die Zuschauer in den Genuss von feinstem Heavy Metal, Den Anfang machte die Folk-Metal-Band „Bucovina“ aus Jassy. Seit ihrem Gründungsjahr 2000 haben sich die Rocker in der Szene etabliert und insgesamt vier Alben veröffentlicht. Rumänisch gesungen wurde auch etwas später am Abend: die aus Chișinău stammende Truppe „Alternosfera“, die sich inzwischen in Hermannstadt angesiedelt hat, trat anstelle der berühmten Band „My Dying Bride“ auf, die krankheitsbedingt abgesagt haben. Die Moldauer um Sänger Marcel Bostan spielten alternativen Rock vom Feinsten und sangen unter anderem die beiden Hits „Ploile nu vin“ und „Flori de mai“. Vor ihnen rockten „Stoned Jesus“ aus der Ukraine.
Als letzte Band des Abends war „Transatlantic“ in Hermannstadt zu sehen. Mit ihrem Album „The Absolute Universe“ ist die Progressive-Rock-Band gerade auf Europa-Tour, die praktisch in Hermannstadt am Freitag gestartet ist und weiter nur in großen Städten und Hauptstädten zu sehen war oder noch ist. Die Supertruppe besteht aus vier Mitgliedern, die eigentlich mit ihren eigenen Bands berühmt geworden sind – „Transatlantic“ ist ein Nebenprojekt der Musiker Neal Morse (Spock’s Beard), Roine Stolt (Kaipa, The Flower Kings), Pete Trewavas (Marillion, Edison’s Children) und Mike Portnoy (Dream Theater). Die Musiker präsentierten praktisch ein vollständiges musikalisches Projekt, inklusive Ouvertüre und passende Videos, die abwechselnd mit Live-Bildern von der Bühne auf großen Bildschirmen zu sehen waren.
Im Vergleich zu vielen anderen Rockbands ist „Transatlantic“ mit ihrem Progressive Rock eher sanft und weniger hart, doch bei allen vier Musikern war es offensichtlich, warum sie weltberühmt sind. Dabei hatten sie einige Schwierigkeiten, die eigentlich ganz Europa zu schaffen machen: ein Teil ihres Gepäcks – genauer gesagt ein Teil ihrer Instrumente – gingen auf einem Flughafen in England verloren und sie mussten hier improvisieren und sich einige Instrumente von Kollegen ausleihen. Die Band, die halb europäisch und halb amerikanisch ist, traf sich schon zwei Tage vor dem Konzert in Hermannstadt und probte zusammen – sieben Stunden am Tag, wie ein Journalist aus Bukarest berichtete.
Am Tag des Konzertes ließ bei den ersten Songs die Technik den Gitarristen Roine Stolt in Stich, was das Publikum allerdings nicht spürte und störte – die Erfahrung einer der berühmtesten Rockmusiker Schwedens machte sicherlich den Unterschied.
Für die Fans dieses Musikgenres war das Transatlantic-Konzert ein Traum, aus dem sie praktisch nur bei dem Schlussapplaus aufwachten. Und da die Band sich eher selten trifft, um gemeinsam auf Tour zu gehen, war das Konzert in Hermannstadt eine seltene Chance, sie live zu erleben.
Härter und mit viel weniger Kindern auf dem Großen Ring ging es am Samstag weiter. Da konnte man auch nicht mehr gemütlich mitten auf dem Platz mit mehreren Bechern Bier liegen, denn der Ring war voll. „The Vintage Caravan“, „Leprous“, „Cult of Luna“ und „Meshuggah“ waren am zweiten Abend von ARTmania zu sehen. Der Tag war heiß, erst spät am Abend konnte man ein kleines erfrischendes Lüftchen spüren – die Hitze war allerdings kein Grund, nicht richtig mitzurocken. Dabei half es auch, dass dieses Jahr mehr Zelte aufgestellt waren, wo man sich setzen konnte und ein Bier genießen konnte. Die Organisation des Festivals war auch wirklich gut: für ein Wasser, Bier oder Cola musste man selten mehr als fünf Minuten Schlange stehen – bei der Hitze eine ausschlaggebende „Kleinigkeit“ – man konnte auch etwas essen oder Souvenirs kaufen, wie T-Shirts, CDs und Armbänder.
Die Isländer von „The Vintage Caravan“ traten als erste auf die Bühne, gefolgt von „Leprous“ aus Norwegen, die auf ihrer 20-jährigen Tournee sind. Die Norweger haben auch für 2023 die Tourdaten veröffentlicht, Rumänien ist nicht dabei.
Cult Of Luna war die 3. Band des Abends aus dem Norden Europas, genauer gesagt aus Schweden, auch sie sind nicht so bald wieder in Rumänien zu sehen. Mit ihrem klassischen Heavy Metal und ihren zwei Drumsets auf der Bühne war ihre Musik bis in die Knochen zu spüren und begeisterte die Fans.
Der krönende Abschluss des Abends kam auch aus Schweden: „Meshuggah“, die Extreme-Metal-Band rockte bis nach Mitternacht.
Über den letzten Festivaltag, dem Sonntag, gibt es auch einiges zu berichten. Nach einem halbstündigen Gig der Truppe „DorDeDuh“ aus Rumänien, traten die Briten von „The Pineapple Thief“ auf. Die Progressive Rock Band wurde 1999 gegründet und veröffentlichte 14 Studioalben. In Hermannstadt gab es viele Fans, die wegen dieser Truppe angereist waren. Noch mehrere Fans kamen jedoch, um die Thrash Metal Veteranen von „Testament“ zu sehen. Die Band aus Berkeley, Kalifornien, die zuerst unter dem Namen „Legacy“ bekannt wurde, hat weltweit viele Anhänger und befindet sich laut Wikipedia im Top 8 der besten Thrash Metal Bands der Welt, gleich hinter „Metallica“, „Megadeth“, „Slayer“, „Anthrax“, „Exodus“, „Overkill“ und „Death Angel“. Die Band ist seit 1983 ununterbrochen aktiv und hat 13 Studioalben veröffentlicht.
Die letzte Band des Festivals war „Mercyful Fate“ aus Dänemark, die durch den Auftritt des Frontmanns und Sängers King Diamond nichts für schwache Nerven war. Schon das Petruskreuz, das Pentagramm und der Dämonenkopf als Bühnenbild waren sehr aussagekräftig. Als King Diamond mit Widderhörnern und furchterregender Gesichtsschminke auf die Bühne trat, war klar: es handelte sich um Musik zur Anbetung von Satan. Musikalisch zeichnen sich „Mercyful Fate“ durch Einflüsse aus dem Progressive Rock, dem epischen Hard Rock der 1970-er Jahre und dem traditionellen Heavy Metal, virtuose Gitarrenarbeit und häufige Tempowechsel aus. Charakteristisch ist die von normaler Stimmlage häufig in Falsett wechselnde Stimme von King Diamond. Auch bei ARTmania fanden die exzentrischen Rocker viele Fans.
Das Line-Up des Festivals war wie jedes Jahr sehr gelungen und auch sehr ausgeglichen und für jeden Rocker gab es ein Highlight oder auch mehrere. Das Festival hat immer auch einen soften Abend, aber auch richtig harte und extreme, so dass es sich lohnt, dabei zu sein und den Urlaub entsprechend zu planen. Auch die Abende waren aufsteigend an Intensität und Volumen, je dunkler es draußen wurde, desto härter wurde gerockt.
Für die ARTmania-Fans, die nicht zum ersten Mal da waren, gab es zwei Unterschiede zu den letzten Festivals: die Kontrolle beim Eingang war viel strikter und die meisten begeisterten Pfiffe blieben aus. Warum die Kontrolle strikt war, ist zu vermuten – vor Kurzem gab es bei einem Festival in Rumänien Todesfälle wegen des Drogenkonsums. Warum die Pfiffe ausblieben, war klar: nach zwei Jahren Pandemie überlegt man sich zwei Mal, bevor man die Finger in den Mund steckt. Weder das eine noch das andere störten: Drogen braucht man eigentlich nicht mehr, wenn man sich von der Rockmusik berauschen lässt und die Pfiffe kann man leicht durch Jubel ersetzen. Und das Jubeln und Headbangen kann man bis Juli 2023 üben, denn das Festival wird bestimmt mindestens genauso toll.
Ruxandra STĂNESCU
Cynthia PINTER