„Die Schere“ setzt der Schriftstellerin Irmgard Höchsmann-Maly ein Denkmal
Ausgabe Nr. 2704
Erzählen kann sie gut. Als Tochter zweier Schriftsteller, dem Österreicher Anton Maly und der aus Agnetheln stammenden Dichterin und Komponistin Christine Maly-Theil, wurde es ihr sozusagen in die Wiege gelegt: Irmgard Höchsmann-Maly, am 10. Januar 1920 in Hermannstadt in der Brukenthalgasse (heute Xenopol) geboren, schreibt schon als Kind und gewinnt in der Schule einen Schreibwettbewerb mit einem Aufsatz, in dem sie einen Ausflug mit der Familie zur Kirschblüte nach Michelsberg schildert.
Die Liebe zum Schreiben und die Verbundenheit mit Siebenbürgen begleiten sie ein Leben lang. Ihre Erlebnisse bringt sie stets mit Gefühl und Humor zu Papier.
Am 10. Januar 2020 wäre Irmgard Höchsmann-Maly 100 Jahre alt geworden. Die diesem Anlass gewidmete Festschrift „Die Schere. Stories zwischen Ost und West“, herausgegeben von ihren drei Söhnen, ist eine Sammlung von Texten, die man als Meilensteine im Leben der Autorin bezeichnen kann und enthält Biografisches aus der Perspektive der Ich-Erzählerin. Die lesenswerten Geschichten, zum Teil aus ihrem Werk „Windbruch“, handeln von einschneidenden Ereignissen, die sie als mutige Frau charakterisieren, die ihren Lebenswillen auf besondere Art vertreten hat.
Irmgard Höchsmann-Maly ist Mutter, Schriftstellerin, Ehefrau und bedient sich ungewöhnlicher Methoden, um ihre Ziele zu erreichen. Es ist das Porträt einer Kämpferin, die ihrer Familie in unruhigen Zeiten ein Zuhause bietet, eine authentische Geschichte über ein siebenbürgisches Einzelschicksal, das stellvertretend für viele steht. Denn den Siebenbürger-Sachsen sind ihre Themen vertraut: das Leben in Rumänien im letzten Jahrhundert, die Kriegs- und die Nachkriegszeit, die Auswanderung nach Deutschland, das Eingewöhnen in der neuen Heimat. Und schließlich entdeckt sie ihr persönliches El Dorado, das sagenhafte Goldland – ein geflügeltes Wort im Hause Höchsmann für besondere Orte – tatsächlich am Flughafen „El Dorado“ im kolumbianischen Bogotà: Dort trifft sie auf Menschen, die sie begeistern und ihre schriftstellerische Tätigkeit beflügeln.
In einfacher und lebendiger Sprache berichtet Höchsmann-Maly humorvoll, selbstkritisch und empathisch von den Dingen, die ihr widerfahren sind, und bringt den Leser immer wieder zum Schmunzeln, manchmal sogar zum Lachen.
Wer gerne Geschichten liest, über eine Frau, die in Siebenbürgen aufwächst, sich anschließend in Westdeutschland durchschlägt und schließlich Südamerika als Ort der Sehnsucht entdeckt, könnte „Die Schere“ als kostbares Lesevergnügen aus der Heimat betrachten. Auf jeden Fall ist es eine Stimme aus Siebenbürgen, an die sich ihre Kinder gerne zurückerinnern, eine starke Persönlichkeit, die in ihren Berichten und Erzählungen auch für nachfolgende Generationen erhalten bleiben wird.
Bettina PONSCHAB