Vom Institut zum Studiengang

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70 Jahre Protestantisch-Theologisches Institut in Hermannstadt gefeiert

Ausgabe Nr. 2619

 

Gruppenbild mit den Teilnehmenden vor dem Eingang in das Gebäude des ehemaligen Landeskirchlichen Lehrerseminars, in dem heute der Studiengang untergebracht ist.                                 
Foto: Beatrice UNGAR

Für ihren Dienst bedarf die Kirche unabdingbar der Theologie. Die Schaffung einer eigenen Theologenausbildung war vor 50 Jahren eine Lebensfrage der Kirche“, sagte der damalige Dekan Prof. Dr. Hermann Pitters in seinem Festvortrag am 30. Oktober 1999. Diese Aussage hat 20 Jahre danach, im Jahr des 70. Gründungsjubiläums des Theologischen Instituts nichts an Aktualität eingebüßt, ganz im Gegenteil. So sagte Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, in seinem Grußwort beim Tag der Offen Türen am Samstag: So lange hier an diesem Ort Christus gelehrt, geliebt, gehofft wird, haben wir und unsere Kirche eine Zukunft.“

Unter dem Motto „Lebst du noch oder studierst du schon?“ führte der Student Claudiu Riemer (1. v. r.) die Gäste durch das Haus.
Foto: Beatrice UNGAR

Mit der Frage Warum gibt es das Theologische Institut?“ leitete die Leiterin der inzwischen zum Studiengang geschrumpften Theologenausbildung, Dr. Renate Klein, ihre Begrüßung ein. Bis zum Zweiten Weltkrieg seien die Geistlichen für den Dienst in der EKR noch im Ausland ausgebildet worden. Danach sei durch den Eisernen Vorhang die Reisefreiheit eingeschränkt und Europa geteilt gewesen. Es musste also eine neue Möglichkeit der Theologenausbildung gefunden werden. Auf Grund des neuen Kultusgesetzes von 1948 – das Dekret 177/1948 -, das für die protestantischen Kirchen eine gemeinsame theologische Ausbildungsstätte vorsah, wurde ein gemeinsames Theologisches Institut mit Universitätsgrad eingerichtet, das am 22. Februar 1949 in Klausenburg feierlich eröffnet wurde. 1955 übersiedelte der Zweig mit deutscher Vortragssprache nach Hermannstadt ins Bischofshaus, wo das Theologische Institut (mit seinem vollständigen Namen „Vereinigtes Protestantisch-Theologisches Institut mit Universitätsgrad Klausenburg, Zweig mit deutscher Vortragssprache Hermannstadt“) bis 2006 seinen Sitz hatte. 2006 wurde das Theologische Institut in die „Lucian-Blaga-Universität“ eingegliedert, zunächst als eigenständiges Institut, den Fakultäten gleichgestellt. Dazu Klein: Heute, nach mehreren Umstrukturierungen, sind wir der Studiengang ‚Protestantische Pastoraltheologie in deutscher Sprache‘ innerhalb des Departements für Geschichte, Kulturerbe und Protestantische Theologie, das Teil der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität ist“.

Vikar Nick Fernolendt (unser Bild mit Andreas Guta und einem Besucher) und Pfarrerin Adriana Florea boten unter dem Titel „Die Bibel ins Leben ziehen“ einen Workshop zum „kreativen Umgang mit der Bibel“.
Foto: Beatrice UNGAR

Renate Klein schloss ihre Begrüßung mit den Worten: Wir sind klein geworden, aber mit einer großen Wirk- und Strahlkraft in die Gesellschaft und in die Welt hinaus. Das Institut für Ökumenische Forschung, das 2005 von unserem Theologischen Institut und der Andrei Șaguna-Fakultät für Orthodoxe Theologie  gegründet wurde, ist ein wichtiges Standbein für den ökumenischen Dialog vor allem mit der orthodoxen Kirche. Das vom Ökumenischen Institut veranstaltete Ökumenesemester bietet seit fünf Jahren Studierenden aus dem deutschsprachigen Ausland die Möglichkeit, die multikonfessionelle siebenbürgische Kirchenlandschaft näher kennen zu lernen. Der Deutsch-Sprachkurs für (meist orthodoxe) Theologen, die ein Magister- oder Promotionsstudium im Ausland anstreben, vereint seit über 20 Jahren jährlich ca. 15 Menschen aus der ganzen Welt von Indien über Georgien und die Ukraine bis Spanien, die in unserem Haus lernen und unsere Gemeinschaft als Ausgangspunkt für ihre weiteren Lebens- und Studienetappen nehmen. Nicht zuletzt ist unser Haus durch den Studienbetrieb des Studiengangs Grundschulpädagogik in deutscher Sprache auch der Ort, an dem Schule und Kirche als Grundpfeiler der Gesellschaft leibhaftig aufeinandertreffen.

Wir sind international vernetzt, nicht nur über unsere Studierenden, die die Möglichkeit eines Auslandsstudiums wahrnehmen oder über ausländische Studierende, die den Weg zu uns finden, sondern auch über viele ausländische Dozenten, die regelmäßige Veranstaltungen anbieten oder zu Gastvorträgen unser Haus betreten und unseren Wissenshorizont erweitern.

Wir sind als Theologisches Institut dankbar für die 70 Jahre, die uns geschenkt worden sind und für alle Studierenden und Lehrenden, die hier gelernt und gelehrt und das Gesicht unserer Kirche über die Jahre entscheidend mit geprägt haben.“

Im Anschluss an die Begrüßung hielt der Student Andreas Guta eine Andacht. Der gebürtige Mühlbacher erzählte, dass seine Eltern wollten, er solle ein Medizinstudium aufnehmen. Er habe sich aber dagegen gesträubt und sei nach Hermannstadt gekommen, um protestantische Theologie zu studieren. Heute könne er sagen:  Ich freue mich, dass ich dieses Studium gewählt habe“. Seine Großmutter tröstete die Familie, indem sie meinte, er werde nun kein leiblicher sondern ein geistlicher Arzt“.

Aus dem Nähkästchen“ des Studentenlebens an dieser Einrichtung erzählten danach einige der Anwesenden. Altbischof Christoph Klein, der zu dem ersten Jahrgang gehört hatte, sagte: Wenn ich an die Zeit 1954 zurückdenke, muss ich sagen, wir müssen dankbar sein, wie gut es uns im Vergleich heute geht.“ Er sei zum Studium mit dem Linienbus nach Klausenburg gefahren und habe ein Zimmer mit elf Kommilitonen teilen müssen. Und statt Matratzen gab es mit Stroh gefüllte Säcke usw. Trotzdem haben wir uns wunderbar gefühlt und die Gemeinschaft wurde dadurch gefördert“, sagte Klein.

Die Gäste erfuhren so z. B., was das ökumenische Schwein“ gewesen ist, das alle früheren Studierenden, darunter Bischof Reinhart Guib, der Schäßburger Dechant Hans-Bruno Fröhlich, Renate Klein, erwähnten: Das im Bischofspalais untergebrachte Institut fütterte“ mit Resten aus der Kantine ein Schwein, das von dem Orthodoxen Institut beherbergt“ wurde. Die Studenten brachten diese Essensreste per Handwagen zu diesem Institut in die Fleischergasse. Für Renate Klein, die ihr Studium 1989 aufgenommen hatte, wird ihr Einsatz mit dem Handwagen stets zu den schönsten Erinnerungen aus dem Studentenleben gehören. Sie hatte nämlich ganz im Sinne der von den Theologiestudenten herausgegeben Zeitschrift Die 7. Posaune“ gefragt: Warum dürfen nur die Jungen das ‚ökumenische Schwein‘ füttern gehen?“ und setzte sich schließlich durch.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Kirche.