Konzerte der Reihe „musica suprimata“ in Temeswar, Klausenburg und Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2615
In diesem Jahr bald, Ende März bis Anfang April, wird die Reihe „musica suprimata” wieder im Lande sein: In Temeswar, in Klausenburg und in Hermannstadt. Was heißt eigentlich „musica suprimata“? Das changiert zwischen zwei Bedeutungen: Rumänisch bedeutet es „unterdrückt“. „Verfemt“ heißt es in Deutschland, wo im Nationalsozialismus alles begonnen hatte, die „undeutsche“ Musik mundtot zu machen. Gründlich und für immer. Aber eine kleine Veränderung, nur ein einziger Buchstabe, macht deutlich, um was es sich da gehandelt hat und für immer handelt, nämlich um Musik der höchsten Qualität. Inzwischen weiß es das Publikum in Siebenbürgen ebenso wie im Banat: Da kommt Musik auf’s Podium, der man gespannt zuhören sollte.
Die Musik Norbert von Hannenheims zum Beispiel, des Schönberg-Schülers aus Hermannstadt. Oder Philipp Herschkowitz‘, des Webern-Schülers aus Jassy. Die ist zwölftönig. Die Komponisten waren sich sicher: wenn jetzt komponiert wird, kann das, darf das nur so sein. Das heißt auch, etwas zweimal zu sagen, kann nur bedeuten, Überflüssiges zu sagen. Welche Anmaßung! In der Zeit der Ersten Wiener Klassik war es gerade umgekehrt: Ein Thema wurde vorgestellt, wiederholt, Nebengedanken entwickelt, dann noch einmal wiederholt und nun die Nebengedanken integriert, am Schluss wurde das Fazit gezogen. So war es zu der Zeit, die den Anspruch erhob, ebenfalls maßgeblich, klassisch geworden zu sein, nämlich zur Zeit der Zweiten Wiener Klassik, nicht mehr. Nicht mehr das Tongeschlecht wurde gewählt, sondern eine Tonreihe definiert, an die man sich zu halten hatte, mit der man einen sinnvollen Gedanken ausführte, und Schluss. Bilder zum Beispiel wurden ja auch nicht mehr liebevoll detailreich koloriert. Der Weltkrieg war ja gerade vorbei, schöne Geschichten wollte man nun nicht mehr erzählen. Hinschauen! Hinschauen!
Dass nicht jedermann und jederfrau mit solcher radikalen Kürze konfrontiert sein möchte, ist verständlich. Auch dass er/sie das vielleicht gar nicht anstrebt, ist sein/ihr gutes Recht. Schließlich gibt es überhaupt viel zu wenig Gelegenheiten, sich aus dem Alltag auszuklinken und sich in Ruhe und aufmerksam auf Musik einzulassen. Aber doch, auch Beethoven und Schubert hört man besser nicht „nebenbei“, das wäre viel zu schade!
Nun aber kommt nach der langen Vorrede der Sinn, und das heißt die Ankündigung: Vom 29. März bis 5. April 2019 zieht wieder die „musica suprimata” durch Rumänien. Die Tournee beginnt am 29. März in Temeswar mit einem Lied-Rezital der Sopranistin Anna Miklashewich (Basel), begleitet wird sie von dem hierzulande wohlbekannten Pianisten Moritz Ernst. Sie stellen Rilke-Lieder vor, von Hannenheim, von den „Theresienstädtern“ Viktor Ullmann und Hans Krása und von Adrian Pop vertont, und Lieder nach französischer Dichtung von Viktor Ullmann und von Artur Vincent Lourié (Moritz Ernst hat schon öfter Klavierkompositionen von Lourié vorgestellt).
In seinem Klavier-Rezital am 30. März spielt Moritz Ernst Musik von Norbert von Hannenheim, Philipp Herschkowitz und Viktor Ullmann. Wer immer strebend sich bemüht hat, dieser neuen Musik gerecht zu werden, der wird nun auch belohnt mit Musik von Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven. Die thematische Klammer? Eben die Differenz: Erste Wiener Schule und Zweite Wiener Schule. Und dies 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg.
Das alles gibt es zu hören an den Musikhochschulen bzw. -akademien in Temeswar (29. und 30. März) und in Klausenburg (2. April).
Die Klausenburger dürfen am 3. April ein einmaliges, zumindest erstmalig in dieser Zusammensetzung spielende Klaviertrio genießen. Die wohlbekannte Geigerin Marianne Boettcher kann in diesem Jahr leider nicht mit ihrem Bruder, dem Cellisten Wolfgang Boettcher, konzertieren. Es gibt zwei neue „Einspringer“, auf die wir uns auch sehr freuen können: den dänischen Cellisten Troels Svane, Professor in Lübeck und Berlin und wie Wolfgang Boettcher ein Musiker auf Weltniveau. Und ein junges Blut, den Pianisten Sergej Filioglo, agil und sensibel. Er stammt aus der Republik Moldova, studierte in Chișinău, machte 2003 sein Diplom mit Auszeichnung an der Musikhochschule Köln und lebt seit einiger Zeit in Berlin.
Sie beginnen mit Beethoven und enden mit Mendelssohn Bartholdy, dazwischen spielen sie Iranyi, Hannenheim, Schulhoff und Enescu.
Das letzte Konzert dieser schönen Tournee wird in Hermannstadt stattfinden, mit dem Klaviertrio am 5. April, um 19 Uhr im Thalia-Saal.
Hier soll doch noch einmal erwähnt werden: Das Stadttheater im Dicken Turm (heute: Thalia-Saal), wo seit 2004 die Hermannstädter Staatsphilharmonie ihren Sitz hat, ließ einst Marianne Boettchers Ururgroßvater, Martin Hochmeister d. Ä., 1788 erbauen, die Familie von-Larcher-Hochmeister-von Hannenheim gehörte zur Hermannstädter Musikkultur wie der Rahm zum Hanklich.
Dies ist eine herzliche Einladung. Weitere Informationen gibt es im Netz unter www. mu sica-suprimata@gmx.de
Heidemarie T. AMBROS