Ausgabe Nr. 2473
Interview mit der Schauspielerin Krista Birkner vom Berliner Ensemble
In Neumarkt am Mieresch geboren, zog die Schauspielerin Krista Birkner mit 13 Jahren nach Deutschland, wo sie in Stuttgart die staatliche Schauspielschule besuchte. Heute spielt sie im Berliner Ensemble. Sie war vor kurzem im Stück „Die Goldberg-Variationen“ von George Tabori zu sehen, das von Charles Muller an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters in Hermannstadt inszeniert worden ist. Mit der Schauspielerin Krista Birkner sprach die HZ-Praktikantin Lara C e r o s k y.
Ich wusste schon immer, dass ich Schauspielerin sein will, es war schon klare Sache in Rumänien, als ich sechs war. Bevor ich mit dem Schauspielern angefangen habe, habe ich regelmäßig das Theater besucht. Ich saß immer in der ersten Reihe, im Gegenteil zu heute, wo ich die letzte Reihe bevorzuge um einen genaueren Überblick zu bekommen. Zuhause war nichts mit Theater, mein Vater sagte die ganze Zeit, dass der einzige Schauspieler in der Familie der Pfarrer wäre. Also fuhr ich von Lörrach aus nach Basel ins Theater. Ich war jedes Mal hin und weg. Es war meine Welt und sie ist es auch geblieben. Ich bin auf der Bühne am glücklichsten.
Was hat Sie erneut nach Siebenbürgen geführt?
In Stuttgart habe ich den Regisseur Charles Muller kennengelernt. Er war dort Professor und hat mich auf der Schule sehr gefördert. Dann bin ich ans Burgtheater nach Wien gegangen, und so haben sich unsere Wege getrennt. Als der Leiter und Regisseur des Burgtheaters, Claus Peymann, nach Berlin zog, um dort das Berliner Ensemble zu führen, bin ich mitgegangen. Als Charles mit den „Goldberg-Variationen" anfing, hat er sich daran erinnert, dass ich aus Rumänien komme und hat mir vorgeschlagen, die drei Frauenrollen zu übernehmen. Sein Vorschlag war ein Geschenk des Himmels, denn ich wollte schon immer in Siebenbürgen spielen. Außerdem liebe ich das Stück. Ich kannte Tabori, mit dem ich auch viel gearbeitet habe. Also bin ich nach mehr als dreißig Jahren nach Rumänien zurückgekommen. Aber es ist hier schwierig mit der Übersetzung. Bis der erste Witz verstanden wird, sind wir schon am nächsten. Das Tempo ist zu hoch, auch für einen Deutschen. Ich habe das Stück oft gesehen und gelesen, aber es hat eine Weile gedauert, bis ich jeden Witz verstanden habe, weil es einfach so überladen ist. Die Verbindung von Theater, Realität, Fiktion und Fantasie, ist eine Herausforderung sowohl für das Publikum als auch für die Schauspieler, und die Umsetzung ist Charles sehr gut gelungen.
Was hat Sie an diesem Stück so begeistert?
Weil ich am Theater arbeite, kenne ich diese Atmosphäre. Wie die Assistenten auseinandergenommen werden, wie die Regisseure durchdrehen, die Probezeit, die falschen Auftritte, die Unzufriedenheit der Schauspieler, die Verzweiflung der Bühnenbildnerin im Stück, weil kein Geld zur Verfügung steht; kein anderer kennt das so gut wie wir. Im Endeffekt sind alle sehr arme Schweine. Sie versuchen zu überleben. Das ist das Schöne an dem Stück, es beschreibt die Verzweiflung von so vielen Leuten, die am Rande sind. Und das ist es im Theater wirklich. Aber sobald einem die Scheinwerfer in die Augen scheinen, vergisst man alles. Man spielt für die Zuschauer. Man freut sich, wenn sie mitleiden, mitlachen, mitweinen. Man will ihnen was mitgeben von unserer Welt. Das ist für mich immer die höchste Erfüllung. Wenn im Theater die Stille eintritt, dann gibt es eine Symbiose zwischen Schauspieler und Zuschauer, das ist unbezahlbar. Manchmal beneide ich uns, wie toll wir es haben, was wir erleben dürfen. Wir sind zwar immer am Limit, aber so ist unser Leben. Also ich liebe das, anders kann ich das gar nicht beschreiben.
Welche Schwierigkeiten müssen Sie als Schauspieler überwinden?
Oft gelingt uns was nicht und dann sind wir verzweifelt. Nicht jede Vorstellung läuft gut. Manchmal fällt einem der Satz nicht ein. Man fängt an und dann rollte der Ball weiter. Es ist wie im Fußball. Mein Lebensgefährte ist Regisseur und sagt das auch immer: Theater ist wie Fußball. Sie spielen manchmal wahnsinnig toll, und am nächsten Spiel erkennt man sie nicht wieder. Und so ist es bei uns auch, man ist nicht immer gleich gut drauf, manchmal zieht der eine den anderen rauf oder runter, das Licht fällt aus, der Ton kommt falsch.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Das gehört auch zum Schauspielern, dass man nicht mehr oft nachhause kommt. Und das bedeutet auch Verzweiflung. Man kann eine Vorstellung einfach nicht absagen. Die Zuschauer wissen oft gar nicht, was sich eigentlich auf der Bühne abspielt, wie viel Trauer es gibt, und wie es den Schauspielern in dem Moment geht, wenn sie auftreten und in großes Gelächter ausbrechen. Ich habe viele Verträge abgesagt, damit mein Lebensgefährte die Chance hat, Karriere zu machen und ich wollte auf das Kind aufpassen. Ich habe meine Mutter gepflegt und habe daher eine große Pause gemacht. Ich war damals in Berlin und bei den Kritikern ganz oben, und hätte nicht gedacht, dass ich nach der Pause wieder in den Beruf einsteigen könne. Vielleicht hätte ich jetzt eine noch größere Karriere gehabt, aber ich bin jetzt an den größten Häusern, was will ich mehr? Ich bin so froh, dass es überhaupt mit Hermannstadt geklappt hat. Es war mit einer heißen Nadel gestrickt. Ich will nicht arrogant sein und sagen „ich spiele am Berliner Ensemble und am Burgtheater“, denn hier ist es mir genauso wichtig. Viele Schauspieler träumen davon, auf der Bühne des Burgtheaters zu spielen aber ein Theater bleibt ein Theater, und eine Bühne eine Bühne. Mir ist egal, wo ich spiele. Die Zuschauer sind dort nicht besser als hier. Ganz einfach gesagt: Auf der Bühne lebe ich auf.
Die Deutsch-Leistungen der Schauspieler waren beeindruckend.
Absolut. Charles arbeitet sehr an der Sprache. Der Intendant und die deutsche Abteilung haben einen Sprecherzieher engagiert und es hat sich seit dem Herbst schon sehr viel entwickelt. Mr. Jay (Daniel Bucher), kommt aus Deutschland und Goldberg (Daniel Plier) aus Luxemburg, sie leben und arbeiten jetzt hier. Ich schätze das sehr, dass die deutsche Abteilung des Theaters mir die Möglichkeit gegeben hat, hier spielen zu dürfen.
Während des Stückes werden die Zuschauer umgesetzt, sodass sie selbst auf der Bühne sitzen und von da aus auf den Zuschauerraum schauen. Wie sind Sie als Schauspieler damit zurechtgekommen?
Es war die Idee es so umzusetzen, denn das Thema der „Goldberg-Variationen" ist ja Theater im Theater. Den Zuschauern soll die Möglichkeit gegeben werden, an der Realität der Schauspieler teilzunehmen, indem sie z. B. auf den Zuschauerraum blicken und sehen, wie der Schauspieler am Rande der Bühne wartet, bis er wieder dran ist, oder wie die Schauspieler in die Kulissen stürmen, um sich umzukleiden. Mein Problem war die Lautstärke, denn ich rede zu laut, was auf großen Bühnen, auf denen ich gewöhnlich auftrete, wichtig ist. Aber diese Umsetzung – Schauspieler und Publikum befanden sich von aller Anfang im Bühnenbereich – hat überhaupt nicht gestört. Man wird zu einer Einheit mit dem Publikum. Die Zuschauer sind die Freunde, wir spielen ja für sie.
Wie lief die heutige Aufführung?
Es ist die beste, die ich bisher erlebt habe. Nicht mal bei der Premiere hat es so toll funktioniert wie dieses Mal. Im April werde ich wieder hierher kommen, um die „Goldberg-Variationen" nochmal zu spielen. Es muss wahrscheinlich noch Werbung gemacht werden, damit die Deutschen, die hier leben, auch kommen. Die Vorführung findet am 5. April statt und wir spielen im Juni zur Eröffnung des Internationalen Theaterfestivals. Es ist hier wie ein Stück Heimat. Der Geruch, die Straßen, die Laternen, die Sachen zu essen, die ich als Kind kannte, es ist großartig.
Danke für das Gespräch.
Krista Birkner in der Umkleidekabine.
Foto: Lara CEROSKY