Zu Presse und Politik

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Ausgabe Nr. 2456
 

Europäischer Journalistenverband tagte in Hermannstadt

 

Zwischen dem 5. und 8. November tagte der 53. Kongress des Europäischen Journalistenverbands zum Thema „Europa im Aufruhr – Betrachtungen in Politik und Medien” im Hotel Continental Forum in Hermannstadt. Der Kongress fand kurz nach dem Brand im Bukarester Klub Colectiv statt, zu einer Zeit der politischen Unsicherheit in Rumänien.

 Bei der Eröffnung des Kongresses sprach Astrid Fodor, Bürgermeisterin ad interim, über die Verantwortung der Journalisten, die die Aufgabe hätten, die Gründe aufzudecken, die hinter dieser Tragödie stecken und die Premierminister Victor Ponta dazu gezwungen hätten, sich zurückzuziehen.

MdEP Monica Macovei, frühere rumänische Justizministerin, war da  etwas direkter. Schuld daran sei die weitverbreitete Korruption gewesen, die zu den Straßenprotesten in den Großstädten Rumäniens geführt haben soll. „Korruption tötet”, sagte sie.

Die Debatte „Europa im Aufruhr“ wurde von Otmar Lahodynsky, Präsident des Europäischen Journalistenverbands, moderiert. Diskussionsteilnehmer waren Nicholas Kralev, Adrian Sturdza, Evgheni Demenok und Firdevs Robinson, die sich über die Antwort Europas auf die aktuelle Flüchtlingskrise und die Berichterstattung in der Presse, sowie über die Mängel der globalen und europäischen Diplomatie äußerten.

Robinson wies auf die brutale Maßregelung der unabhängigen Medien durch die Regierung und deren Verbündeten hin. Dazu gehören die Abberufung oder strafrechtliche Verfahren gegen Hunderte von angesehenen Journalisten, als Teil einer breiter angelegten Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der freien Medien.

Ein weiteres Thema war die politische und militärische Situation in der Ukraine, die weit verbreitete Korruption, sowie Russlands steigendes Vertrauen auf die Medienpropaganda und deren Verzerrung als Hauptrolle für die Vorherrschaft in der Ukraine.

Eine andere Debatte – moderiert von Teodora Stanciu, Präsidentin der AEJ-Sektion Rumänien – galt dem Thema Kunst und Kultur in Rumänien. Einblicke boten der Intendant des Radu Stanca-Nationaltheaters Hermannstadt, Constantin Chiriac und Prof. Nicolae Manolescu, die für die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der Kulturpresse und Kulturgesellschaft plädierten. Der dritte Diskussionsteilnehmer, MdEP Cătălin Ivan, forderte die Europäische Union auf, der Kultur und den Medien mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um die Kommunikation und die gemeinsamen europäischen Werte zu verbessern. „Könnten wir noch mal von vorne anfangen, würde sich die Europäische Union zuerst auf die gemeinsame Kultur und nachher auf den gemeinsamen Markt stützen“, sagte Ivan.

Ein Rundtischgespräch zum Thema „Der Schutz des unabhängigen Journalismus: Fehlinformation, Beeinträchtigung und Integrität“ fand ebenfalls statt.

Raluca Brumariu erklärte, wieso sie ihre Anstellung als Nachrichten-Chefredakteurin beim Rumänischen Staatsfernsehen gekündigt hat. Am Abend des Bukarester Klub-Brandes berichtete der Sender TVR nicht über die Katastrophe, da kurz zuvor Gelder massiv gestrichen und Journalisten entlassen wurden. Die Zuschauer waren empört darüber, so dass sie die Schuld auf sich nahm. 

Die Kongressteilnehmer debattierten sehr angeregt über die allgemeinen Probleme des freien Journalismus in Europa. U. a. klagten sie über politische Interferenz, Undurchsichtigkeit, finanziellen Druck.

Der Druck der Regierungen auf die Medienwelt wurde als am schlimmsten in ganz Europa beschrieben. Der Ungarische öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde in den letzten Jahren aufgrund der politischen Beeinflussung und den persönlichen Beziehungen der Medienbosse mit hochrangigen Politikern geschwächt. Sogar in Großbritannien steht die BBC – der goldene Standard für öffenlich-rechtlichen Rundfunk – unter noch nie dagewesenem Druck von Seiten der Regierung.

Eine besorgniserregende Tendenz der abnehmenden Pressefreiheit sei immer deutlicher, so William Horsley, Repräsentant der Pressefreiheit.

Die Zensur der Regierung, Selbstzensur, die Nutzung von einschränkenden Gesetzen gegenüber der Presse, körperliche und verbale Angriffe auf Journalisten seien Gang und Gebe bei den Journalisten in Armenien, Aserbaidschan, der Türkei, Rumänien, Bulgarien, der Ukraine, der Republik Moldova und Bosnien. In Italien wurden die Journalisten von der Justiz und dem organisierten Verbrechen unterdrückt. Der Verlust des Arbeitsplatzes, niedrige Löhne und die Beeinträchtigung der Gewerkschaftsrechte, zudem die erhöhten Überwachungsbefugnisse von Sicherheits- und Nachrichtendiensten stellen weitere Hindernisse dar.

William Horsley forderte die nationalen Sektionen des Europäischen Journalistenverbands auf, von der neulich von der Europäischen Kommission gegründeten Plattform Gebrauch zu machen, um damit für die Sicherheit der Journalisten zu werben.

Die Sektionen des Europäischen Journalistenverbands wurden außerdem aufgefordert, an einer Ratsversammlung des Projektes mit dem Titel „Journalisten gefährdet: Teil des Jobs?: unberechtigte Beeinflussung, Angst und Selbstzensur  unter Journalisten der Staaten der Europäischen Kommission“, teilzunehmen.

Otmar Lahodynsky, Präsident des Europäischen Journalistenverbands hieß einen Gast aus dem bosnischen Journalistenverband besonders herzlich willkommen. Arman Fazlic sprach über die immer öfter auftretenden Belästigungen und der Gewalt gegenüber Journalisten in Bosnien und Herzegowina. Außerdem erzählte er von dem Plan, eine Gruppe von Journalisten zu bilden, die die ethnischen Gruppen seines Landes repräsentieren, um später eine Abteilung des Europäischen Journalistenverbands in Bosnien und Herzegowina ins Leben zu rufen.

AEJ (Deutsche Fassung von Cynthia PINTER)

 

Der 53. Jahreskongress des Europäischen Journalistenverbands (AEJ) tagte am vergangenen Wochenende in Hermannstadt. Unser Bild: AEJ-Präsident Otmar Lahodynsky, Bürgermeisterin ad interim Astrid Fodor und MdEP Monica Macovei bei der Eröffnung am Freitag (v. l. n. r.).                               

Foto: Ulli LAHODYNSKY-SOMMER

 

Gruppenbild der Kongressteilnehmer beim Besuch im Kloster Brâncoveanu bei Sâmbăta de Sus.                                                

Foto: Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Politik.