Alle Gefühlsregister gezogen

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Ausgabe Nr. 2374
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Lieder der Romantik erklangen im Spiegelsaal

 

 

Da die Orgel in der evangelischen Stadtpfarrkirche seit geraumer Zeit nicht bespielbar ist, habe sie sich etwas einfallen lassen müssen, sagte die Hermannstädter Organistin und Stadtkantorin Ursula Philippi im Anschluss an den Liederabend, den sie als Pianistin am Dienstag gemeinsam mit der Sopranistin Melinda Samson und dem Klarinettisten Ciprian Dancu im Spiegelsaal des Deutschen Forums bestritten hatte.

  Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt und alle, die dabei waren, können nur bestätigen, dass Ursula Philippi Recht hat, wenn sie bedauert, dass die Komponisten nicht mehr Stücke für diese Zusammensetzung – Sopran, Klavier und Klarinette – geschrieben haben. Alle Werke klangen nämlich bezaubernd frisch, wobei alle Register der Gefühle gezogen wurden. Es ging bei den Liedern der Romantik um Liebe und Leid, Tod und Schmerzen, Abschied und Neuanfang.

Die Darbietung stand unter dem Motto „Ich blick in mein Herz und ich blick in die Welt", dem Anfangsvers des Gedichtes „Sehnsucht" von Emanuel Geibel (1815-1884). Dessen Vertonung durch den Komponisten Louis Spohr (1784-1859) im Rahmen der „Sechs deutschen Lieder für Singstimmme, Klarinette und Klavier" hat auch den Dichter sozusagen vor dem Vergessen gerettet. Auch die anderen von Spohr vertonten Gedichte stammen mit Ausnahme von Hoffmann von Fallersleben von eher wenig bekannten oder auch unbekannten Autoren, die allesamt der Romantik verschrieben waren.

Die klare und zugleich volle und warme Sopranstimme Melinda Samsons überzeugte ein weiteres Mal die Hermannstädter Musikliebhaber aller Altersklassen. Die lautmalerisch ausgefeilten Einlagen der Klarinette meisterte Ciprian Dancu mit viel Schwung und Einfühlungsvermögen, der Klavierpart stand den beiden dank Ursula Philippis gefühlsvoller Interpretation in nichts nach.

Erfrischend wirkte auch das Klarinettensolo von Ciprian Dancu, der das Werk „März" von Martian Negrea (1893-1973) zu Gehör brachte, wobei er die Zuhörer aufforderte, sich ein Schneeglöckchen vorzustellen, das aufwacht und aus der Erde sprießt.

Ursula Philippi und Melinda Samson hatten zuvor zu zweit „Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler (1860-1911) interpretiert und gesellten sich nach dem Klarinettensolo wieder zu Ciprian Dancu. Gemeinsam brachten sie „Der Hirt auf dem Felsen" zu Gehör, den letzten Liederzyklus von Franz Schubert (1797-1828), den der Komponist im Oktober 1828, drei Wochen vor seinem frühzeitigen Tod, geschrieben hatte.

Da der Applaus nach dem Konzert nicht abebben wollte, schenkten die drei Musiker dem Publikum noch eine Zugabe: Die moderne Bearbeitung des Chorals „Der Tag mit seinem Lichte" von Johann Sebastian Bach, erraten: für Klavier, Sopran und Klarinette.

Beatrice UNGAR

Melinda Samson und Ciprian Dancu.                    

Foto: die Verfasserin

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.