Ausgabe Nr. 2330
>
Aufschlussreiche Tagung zum Freikauf der Deutschen in Rumänien
Erstmalig wurde in Hermannstadt eine Tagung zum spannenden und jahrelang umstrittenen Thema der „Familienzusammenführung versus Freikauf der Deutschen aus Rumänien in der Zeit des Kommunismus“ am Wochenende (19. und 20. April), im Spiegelsaal des Deutschen Forums, organisiert. Veranstalter der Tagung waren die Journalistin und Historikerin Hannelore Baier und der DW-Journalist Ernst Meinhardt. Finanziell unterstützt wurde die Konferenz von der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Eröffnet wurde die Tagung durch den Vortrag von Dr. Liviu Țăranu, der den Titel trug „Die politische und wirtschaftliche Lage im Rumänien Ceaușescus. Die Missachtung der Menschenrechte.“ Über den „Beginn des Freikaufs der Rumäniendeutschen“ referierte Ernst Meinhardt. Dazu kam ein Vortrag zum „Verkauf“ von Angehörigen der jüdischen Gemeinschaften aus Rumänien nach Israel von Dr. Andrei Muraru. Die ersten beiden Vorträge sollten einen Rückblick auf die politische und wirtschaftliche Situation Rumäniens zur Zeit des Freikaufs der Deutschen bieten.
Der Höhepunkt der Tagung sollte ein Dialog zwischen und mit zwei ehemaligen Verhandlungsführern von rumänischer und deutscher Seite sein: Stelian Octavian Andronic, in den 1980-er Jahren der Leiter der Spezialabteilung Devisen, und Dr. Heinz-Günther Hüsch. Der deutsche Rechtsanwalt und CDU-Politiker Dr. Hüsch war von 1968 bis 1989 der Verhandlungsführer der deutschen Seite, der ehemalige Offizier des Außennachrichtendienstes, Stelian Andronic, war der Verhandlungspartner von rumänischer Seite. Andronic hatte ursprünglich zugesagt, sich dann aber in letzter Sekunde entschieden nicht dabei zu sein, so dass ein Gespräch nur mit Dr. Hüsch stattfinden konnte.
Im Folgenden einige hochinteressante Details, die während des Gesprächs mit Dr. Hüsch ans Tageslicht gelangten.
In der Zeit zwischen 1968 und 1989 führte Dr. Hüsch mit der rumänischen Seite 313 offizielle Verhandlungen über die Ausreise der Rumäniendeutschen. In den Verhandlungen ging es laut Hüsch um zwei Dinge: Erstens sollte sich die rumänische Seite verpflichten, dass sie in einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Anzahl von Deutschen in die Bundesrepublik ausreisen lässt. Zweitens sollte sich die deutsche Seite verpflichten, dass sie für jeden ausgereisten Deutschen einen bestimmten Betrag an Rumänien zahlt. Ergebnis seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als deutscher Verhandlungsführer waren sechs Vereinbarungen, in deren Folge 210.000 Rumäniendeutsche – nach anderen Quellen 236.000 – die Ausreisegenehmigung in die BRD erhielten. Während des Gesprächs mit Dr. Heinz-Günther Hüsch im Spiegelsaal des Forums konnten die Anwesenden die vereinbarten Ablösebeträge, die der ersten schriftlichen Vereinbarung aus dem Jahr 1969 entstammen, bestaunen: Kategorie A: 1.700 DM – alle, die nicht unter die nächsten Kategorien fielen; Kategorie B: 5.000 DM – Studierende, die eine für die Mindeststudienzeit hinausgehende schulische Ausbildung hatten; Kategorie C: 10.000 DM – abgeschlossenes Studium oder eine dem Studium gleichgestellte abgeschlossene Ausbildung. Vereinbart wurden die Ausreisen von 3.000 Personen zwischen dem 15. März 1969 bis 14. März 1970. In den nächsten Jahren stiegen die Ablösebeträge, aber auch die Zahl der Ausreisenden.
Außer Geldbeträgen gab es von rumänischer Seite manchmal skurrile Sonderwünsche. Neben PKWs, Jagdgewehren, Ferngläser und Atlantikfischen wurde von rumänischer Seite nach dem Erdbeben 1977 ein besonderer Feuerwehrwagen gewünscht. In Rumänien gab es laut Hüsch zu der Zeit keinen Feuerwehrwagen dessen Leiter höher als acht Etagen reichte, also brachte man ein Auto, das damals 700.000 DM kostete. Lustige Anekdoten diesbezüglich hätte Hüsch mehrere zu erzählen, doch nur eine teilte er mit dem Hermannstädter Publikum: Bei einem Fußballspiel zwischen einer nordeuropäischen Mannschaft und Dinamo Bukarest mit deutschem Schiedsrichter, habe einer der Verhandlungsführer der rumänischen Seite von Dr. Hüsch verlangt, den Ausgang des Spieles zu beeinflussen, indem er mit dem Schiedsrichter spricht. Natürlich habe Hüsch nicht mit dem Schiedsrichter gesprochen. Einen Monat später meldete sich der Verhandlungsführer bei Hüsch und sagte, der Schiedsrichter hätte hervorragend gepfiffen, er sei sehr zufrieden, die rumänische Mannschaft hätte allerdings verloren.
Es gab viele Kommentare und Fragen aus dem Publikum, u.a. ob sich die Bundesrepublik Deutschland bewusst war, welchen Kollateralschaden sie in der Gemeinschaft der Deutschen in Rumänien anrichte. Gemeint war, dass immer mehr auswanderten und dadurch die Stabilität zerbrach und die Lebensqualität, die sowieso schlecht war, sich noch mehr verschlimmerte. Darauf antwortete Dr. Hüsch, dass die Würde des Menschen unantastbar sei und die Entscheidung auszuwandern jedem frei gestanden hätte.
Auf die spannendste Frage, wie viel Geld insgesamt infolge der Verhandlungen geflossen sei, konnte Hüsch keine präzise Antwort geben. Und auch wenn er sie kannte, würde er sie nicht preisgeben.
Dr. Hüsch gewährte die ersten Interviews zum Thema Ernst Meinhardt und Hannelore Baier. Beide Gespräche und weitere Informationen sind in dem Buch „Kauf von Freiheit“ im Honterus Verlag Hermannstadt erschienen. Das Buch wurde im Rahmen der Tagung ebenfalls vorgestellt.
Nach dem spannenden und lehrreichen Gespräch mit Dr. Heinz-Günther Hüsch, das Licht ins Dunkel brachte, folgte eine Power Point Präsentation des Bukarester Historikers Dr. Florian Banu zum Thema „Die Ausreise der Rumäniendeutschen aus Sicht der Dokumente im Archiv des CNSAS“. Mehrere Interviews in den Dörfern der Kreise Hermannstadt, Karlsburg und Hunedoara führte Dr. Cosmin Budeancă über den Freikauf aus der Sicht der rumänischen Bevölkerung. Aus der Sicht der schwäbischen Gemeinschaft gab es tiefe Einblicke über die Auswirkung des Freikaufs von Dr. Anton Sterbling, ehem. Mitglied der Aktionsgruppe Banat. Dr. Sterbling sprach auch das Thema des Schmiergeldes an, das von den Schwaben an Mittelsmänner gezahlt wurde, um die Abwicklung der Ausreise aus Rumänien zu beschleunigen. Die Tagung endete mit einem Referat von Altbischof Wolfgang Rehner über „Die evangelische Kirche in Rumänien und die Ausreise der Siebenbürger Sachsen“ und der anschließenden Buchpräsentation.
Ein Lob gebührt den beiden Organisatoren für die spannende und aufschlussreiche Tagung, die mit lehrreichen und intensiven Gesprächen zu einem immer noch heiklen Thema beitrug.
Cynthia PINTER