,,Lebendig und berührend“

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Buchvorstellung und Lesung mit Eginald Schlattner

Ausgabe Nr. 2772

Andreea Dumitru-Iacob, Eginald Schlattner und Gabriella-Nóra Tar (v. l. n. r.) bestritten die sehr gut besuchte Veranstaltung.                                                                               Foto: die Verfasserin

,,Genau in diesem Augenblick findet in Klausenburg eine andere Veranstaltung statt, die einem anderen bedeutenden Schriftsteller gewidmet ist, der am 26. Februar 2022 verstorben ist. Es handelt sich um Hans Bergel. Diese beiden Veranstaltungen konkurrieren keinesfalls, sie sind eher ein Zeichen dafür, dass in allem Vergänglichen die Dinge und Menschen zueinander finden sollen und können“. Mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Rudolf Gräf als Gastgeber die Buchvorstellung und Lesung mit dem Schriftsteller Eginald Schlattner am Freitag der Vorwoche im bis auf den letzten Platz besetzen Tagungsraum des Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften in Hermannstadt.

Gräf bat die Anwesenden, eine Gedenkminute für den verstorbenen Hans Bergel zu halten, dankte dafür und stellte Eginald Schlattner vor, dem dieser besondere Nachmittag gewidmet war: ,,Für mich ist Eginald Schlattner ein Symbol der Überlegenheit des Guten und der Überlebenskraft des Menschen in schwierigen Situationen in der nicht gesuchten Auseinandersetzung mit brutalen und menschenverachtenden Mitteln und Mächten, deren Ziel es ist, den Menschen zu vernichten, zu erniedrigen und fügbar zu machen. Es ist ein beeindruckendes Schicksal und ich möchte es mit dem des polnisch-jüdischen Autoren Alexander Wat (1900-1967) vergleichen.“ Wat habe mit dem Kommunismus liebäugelt und sei 1939 in den von der Sowjetunion besetzten Teil Polens geflüchtet. Was er danach erleben musste, habe ihn erkennen lassen, dass der Kommunismus die Verkörperung des Bösen sei.

Sodann erteilte der Gastgeber dem Verleger Traian Pop das Wort, der die beiden  neuesten Romane von Eginald Schlattner – ,,Drachenköpfe“ und ,,Schattenspiele toter Mädchen“ –  im Pop Verlag Ludwigsburg herausgegeben hat. Pop bedauerte u. a., dass sich die Schriftsteller in Rumänien, die in Sprachen der ethnischen Minderheiten schreiben, nicht entsprechend austauschen.

Zwei Germanistinnen kamen anschließend zu Wort. Zunächst stellte Dr. Gabriella-Nóra Tar von der Klausenburger Babeș Bolyai-Universität kenntnisreich und treffend den Roman ,,Drachenköpfe“ vor. Sie stellte u. a. fest, dass dieser Roman durch seine Fokussierung auf die 60er Jahre thematisch eigentlich dort ansetze, wo seine im Wiener Zsolnay-Verlag erschienene Siebenbürgische Trilogie (,,Der geköpfte Hahn“, ,,Rote Handschuhe“ und ,,Das Klavier im Nebel“, 1998-2005) – zeithistorisch gesehen – aufgehört hat. Zum Schluss erläuterte Dr. Tar, warum dies ein lesenswerter Roman ist: ,,Sowohl für die neuen als auch für die treuen Leser Schlattners eröffnet sich durch diesen Roman unverwechselbar ,ein ebenso lebendiges wie berührendes transylvanisches Panorama und Panoptikum‘. Auch so genannte ,Wanderfiguren‘ gehören zu diesem siebenbürgischen Romanmilieu von Eginald Schlattner, d. h. solche Gestalten, denen man in seinen früheren Werken begegnet ist und denen der Autor neue Facetten abgewinnt. Ebenfalls motivisch zieht das Thema der Schuld bzw. Versöhnung durch den Text und kulminiert in der Mahnung und Erkenntnis des Autors: ,Du bist für das Anlitz des anderen verantwortlich.'“

Dr. Andreea Dumitru-Iacob, Deutschlehrerin am Hermannstädter Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium, die ihre Dissertation seinerzeit der ,,Inter- und Multikulturalität in der Romantrilogie von Eginald Schlattner“ gewidmet hatte, stellte ,,Schattenspiele toter Mädchen“ vor. Eine Rezension zu diesem letzterschienenen Roman von Schlattner aus der Feder von Dr. Dumitru-Iacob ist in der HZ Nr. 2759/25. Februar 2022 unter dem Titel ,,Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“ erschienen.

Für viele geriet die Lesung von Eginald Schlattner aus seinem in Arbeit befindlichen Roman ,,Brunnentor“ viel zu kurz, gerne hätte man noch mehr erfahren über die Erlebnisse des damals Siebenjährigen in Szentkeresztbánya (Karlshütte), heute eingemeindet in Szentegyháza/Vlăhița im Kreis Harghita. Bewundernswert bleibt, wie frisch und humorvoll Schlattner auch heute wirkt. Und wie nüchtern trotz allem: Auf eine Bemerkung aus dem Publikum, was Schreiben für ihn bedeute, antwortete er kurz, davon hänge seiner Seele Seligkeit nicht ab. Wie schon Gastgeber Gräf zu Beginn festgestellt hatte: ,,Darum sind Veranstaltungen wie diese mit Eginald Schlattner so wichtig, sie zeigen, dass trotz enormer Schwierigkeiten, Niederlagen, man auferstehen kann und muss.“

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung gibt unter https://www.facebook.com/ICSUSibiu/videos/1633610473676037/

Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Literatur, Aktuelle Ausgabe.