,,In Wechselwirkung zueinander“

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Raritäten aus den Beständen der Bibliothek von Samuel von Brukenthal (II)

Ausgabe Nr. 2766

Porträt des Johann Michael Soterius von Sachsenheim (1742-1794) in der Brukenthalschen Gemäldesammlung, unbekannter Maler des 18. Jahrhunderts.

,,Ereignet es sich endlich, dass auch in dem weiblich Samuel von Brukenthalschen Stamme die männlichen Nachkommen erlöschen sollten, so verordne ich, dass mein ganzes liegend und fahrendes Vermögen mit alleiniger Ausnahme derer gleich nachher zu benennenden Sammlungen sofort auf die Linie meines Neffen Johann Michael Soterius von Sachsenheim, eben auch in der Eigenschaft eines Fidei Comissi übergeben werden.“ So lautet ein Passus aus dem ,,im Prozess stehenden Samuel Freyherr von Bruckenthalischen Testament“ (siehe Gudrun-Liane Ittu, ,,Geschichte des Brukenthalmuseums“, S. 85). In der zweiten Folge der Reihe ,,Raritäten aus den Beständen der Bibliothek von Samuel von Brukenthal“ stellt  der für die Bibliothek zuständige Kurator Alexandru-Ilie Muntean Brukenthals Neffen Johann Michael Soterius vor.

„Brukenthal hat sich zu allen Zeiten neben oder in der großen Welt, in der er lange Jahrzehnte hindurch stand und wirkte, seine Eigenwelt gewahrt, ausgebaut und gepflegt. Nicht etwa so, dass er diese von jener völlig abgesondert hätte; sie standen in Wechselwirkung zueinander, äusserlich und innerlich“, schreibt Georg Adolf Schuller in seiner Biographie Brukenthals. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Beziehung Samuel von Brukenthals zu einem seiner Neffen, Johann Michael Soterius von Sachsenheim, dessen Todestag sich am 31. März dieses Jahres zum 228. Mal gejährt hat.

Guillaume-François Debure, Bibliographie instructive, ou Traité de la connoissance des livres rares et singuliers, Bände der Theologie, der Jurisprudenz (zusammen mit den Wissenschaften und Künsten), der Belletristik und der Geschichte, erschienen in Paris zwischen 1763 und 1768, aus der Brukenthalschen Sammlung.

Johann Michael Soterius wurde am 25. November 1742 in Schellenberg in einer Familie geboren, deren siebenbürgische Ursprünge im Repser Stuhl (in Stein, heute Dacia, Kreis Kronstadt) liegen und deren Geschichte mindestens bis ins 16. Jahrhundert nachverfolgt werden kann. Sein Vater, Georg Michael Soterius (1704-1756), war nach seinem Studium in Leipzig und einer frühen akademischen Laufbahn gezwungen, nach Hermannstadt zurückzukehren, wo er sich weiterhin als Literat und Gelehrter auszeichnete und 1733 Rektor des Evangelischen Gymnasiums wurde.

Seine Ernennung zum Professor und Rektor fiel weitgehend mit der Festigung der Beziehungen zwischen zwei alteingesessenen  siebenbürgischen Familien, Soterius und Breckner, zusammen. Zu dieser Zeit fand der junge Samuel von Brukenthal, der spätere Baron von Brukenthal, der nach Hermannstadt gekommen war, um sein Studium an demselben Gymnasium fortzusetzen, im Hause des Professors Soterius Führung und Unterkunft. Bald danach heiratete Georg M. Soterius Brukenthals Schwester Anna Katherina, sodass die Verbundenheit zwischen den beiden Familien noch enger wurde.

Titelblatt des Katalogs, das später erstellt wurde als das eigentliche Bücherverzeichnis. Man beachte, dass auch die Namen von Samuel Hahnemann „und Andern” als mögliche Mitverfasser angegeben sind; Hahnemann war fast zwei Jahre lang, von 1777-1779,  Brukenthals Bibliothekar und Hausarzt. Das Manuskript enthält: „Eintragungen von Michael Soterius, C[christian] F[riedrich] S[amuel] Hahnemann(?) u. Andern und einzelne Ergänzungen von der Hand Samuel von Brukenthals selbst”.

Wenn Samuel von Brukenthal in seiner Jugend von der Fürsorge und dem Wissen Georg M. Soterius Gebrauch machen konnte, so änderte sich die Situation im Laufe der Zeit. In den 1770er Jahren war Samuel von Brukenthal bereits ein etabliertes Mitglied der politischen Elite der Siebenbürger Sachsen und nahm in dieser Eigenschaft Johann Michael Soterius, den Sohn seines ehemaligen Vormundes, unter seine Fittiche. Von Brukenthal angeleitet, lernte und praktizierte Michael Soterius die Geheimnisse der öffentlichen Verwaltung, Rechtswissenschaft u. Vieles mehr. Als krönende Anerkennung seiner Verdienste adelte ihn 1792 Kaiser Leopold II. mit dem Prädikat von Sachsenheim.

Die enge Verbundenheit zwischen Samuel von Brukenthal und seinem Neffen, der ihm so wichtig war, dass er dessen männliche Nachkommen als potentielle Erben im Testament erwähnte, bezieht sich nicht nur auf den Bereich der Verwaltung und Politik, sondern auch auf ihre Leidenschaft für Bücher, Musik, Altertümer und Naturwissenschaften. Neben seiner politischen und Verwaltungstätigkeit in Kommissionen – wie z. B. in der siebenbürgischen Commercial-Commission oder im Gubernium Siebenbürgens – wird der Name Johann Michael Soterius auch mit einer besonderen Handschrift zur Geschichte der Brukenthal-Bibliothek in Zusammenhang gebracht.

Eine Seite des Alphabetischen Katalogs aus der Bibliothek Samuel von Brukenthals (Buchstabe B). Man beachte die ,,Bibliographie instructive“ von Guillaume-François Debure (siehe letzte Eintragung unten), im 18. Jahrhundert ein unentbehrliches Werk für jeden Sammler und Bücherfreund, ein Werk, das kurze Beschreibungen zahlreicher Bücher enthält, die bei Sammlern begehrt waren.

Im Jahre 1780 beendete er das Verzeichnis der ungefähr 7.000 Bücher, die Samuel von Brukenthal zu jener Zeit in seiner Bibliothek hatte. Der Alphabetische Katalog der Brukenthal’schen Bibliothek, wie der von Soterius verfasste Katalog genannt wird, ist ein Schatz des siebenbürgischen Kulturerbes. Er ist umso bemerkenswerter, als es sich um den ältesten bekannten Katalog der Samuel von Brukenthalschen Bibliothek handelt.

In Anlehnung an den gängigen Standard, der im 18. Jahrhundert für die Erstellung von Katalogen und Bibliografien verwendet wurde, enthielt der Alphabetische Katalog Michael Soterius folgende Eintragungen (von links nach rechts): das Format/Größe des Buches (in-folio oder fol., in-quarto oder 4to, in-octavo usw.), den Namen des Autors, den gekürzten Buchtitel, den Erscheinungsort und das Erscheinungsjahr.

Der Katalog von J. M. Soterius ist – zusammen mit anderen Quellen jener Zeit – nicht nur ein Verzeichnis der Bücher, die Samuel von Brukenthal drei Jahre nach seiner Ernennung zum Gouverneur des Großherzogtums Siebenbürgen besaß, sondern auch eine wichtige Hilfe bei der komplexen Aufgabe die Entstehungsgeschichte der Brukenthal-Bibliothek mit ihren nahezu 16.000 Bänden nachzuzeichnen, selbst wenn dieses nur teilweise möglich ist.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher, Geschichte.