Lokale Autonomie ohne Finanzierung?

Teile diesen Artikel

Rumänischer Städteverein schlägt Lösung vor: eine echte Dezentralisierung

Ausgabe Nr. 2645

Der Vorstand des Rumänischen Städtevereins hat am Freitag der Vorwoche in Hermannstadt getagt. Dazu eingeladen waren alle Bürgermeister von Munizipien. Unser Bild (v. l. n. r.): Robert Negoiță, Bürgermeister des Sektors 3 in Bukarest und Vorsitzender des Rumänischen Städtevereins, Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor und  Ion Lungu, Bürgermeister von Suceava bei der Pressekonferenz.             Foto: Werner FINK

Vergangenen Freitag, ein Tag nachdem die Regierung durch den Misstrauensantrag gestürzt worden war, fand im Hotel Ramada die Sitzung des Vorstands des Rumänischen Städtevereins (Asociația Municipiilor din România) statt. Zwei der wichtigsten Gesprächsthemen betrafen Probleme bei der Beantragung von Europäischen Fonds in dieser und der nächsten Haushaltsperiode, wo man sich in der Situation befindet, dass womöglich nicht alle eingereichten Projekte finanziert werden, sowie den Haushalt der Bürgermeisterämter, wo gegenwärtig Unsicherheit herrscht. Robert Negoiță, Bürgermeister des Sektors 3 in Bukarest und zugleich Vorsitzender des Rumänischen Städtevereins, Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor, und  Ion Lungu, Bürgermeister von Suceava, luden im Anschluss zu einer Pressekonferenz ein.

„In Bezug auf die Europäischen Fonds sprechen wir von einer Überbeantragung, also von einer Beantragung von über 100 Prozent, die von der Regierung ermutigt wurde”, sagte Ion Lungu, Bürgermeister von Suceava. Die kommende Regierung müsse Lösungen finden, um die Co-Finanzierung dieser Projekte zu gewährleisten. „Es ist nicht normal, dass bei Projekten, die aus EU-Geldern finanziert werden sollen, die bereits unterzeichnet sind, wo Verträge abgeschlossen wurden,  lokale Behörden einen Eigenbeitrag von etwa 40-50 Prozent leisten müssen.” Man befände sich in einer Phase, wo man Ausschreibungen durchgeführt habe und sogar Gewinner von Ausschreibungen habe und  keine Verträge abschließen könne, weil die Sachen auf Regierungsebene nicht klar seien. „Von unserem Gesichtspunkt ist die Lösung einfach: eine echte Dezentralisierung”, unterstrich Lungu.

Das selbe Problem gibt es in Hermannstadt natürlich auch. Die Stadt Hermannstadt hat 151 Prozent aller Projekte zur Beantragung von Europäischen Fonds bis Ende 2018 eingereicht. Dann wurde die Eingabefrist verlängert und jetzt befindet man sich in der Situation, dass nicht alle Projekte finanziert werden können. In das Vorbereiten der Projekte haben die Mitarbeiter des Bürgermeisteramtes viel Zeit und Kraft investiert. „Wir haben bis spät am Abend und an Samstagen gearbeitet, um die Projekte einreichen zu können, und nun befinden wir uns in der Situation, dass wir nicht für alle Projekte die Finanzierung bekommen”, betonte Astrid Fodor.

Das andere wichtige Thema waren die städtischen Haushalte wo nun gegenwärtig Unsicherheit  herrscht. Im Gesetz der öffentlichen lokalen Finanzen beträgt der Prozentsatz der den Bürgermeisterämtern zugewiesen wird, 41,7 Prozent von der Einkommenssteuer. „Wegen den fiskalen Veränderungen, die die Regierung vor einem Jahr durchgeführt hatte, als sie die Einkommenssteuer von 16 auf 10 Prozent senkte, hatten wir einen Verlust von 38 Prozent”, sagte Robert Negoiță. „Um diesen Verlust teilweise zu kompensieren, wurde die Quote von 41,7 Prozent auf 60 Prozent erhöht. Diese Erhöhung wurde allerdings nur im Haushaltsgesetz vorgesehen, das in diesem Jahr bis zum 31. Dezember gültig ist”. Falls keine Änderung vorgenommen wird, kehre man ab dem 1.  Januar wieder zur alten Quote von 41,7 Prozent zurück. „Es ist essentiell, dass die Quoten, die in dem Haushaltsgesetz für dieses Jahr vorkommen, in das Gesetz der öffentlichen lokalen Finanzen übertragen werden”, unterstrich Negoiță. Falls dies nicht geschehe, könne es dazu kommen, dass einige Bürgermeisterämter kein Geld für Gehälter hätten.

2019 wurde das Haushaltsgesetz erst im März verabschiedet,  die lokalen Verwaltungen mussten darauf warten, um den eigenen Haushaltsplan aufstellen zu können.

„Das Fehlen der Vorhersehbarkeit führt dazu, dass die Finanzierung sehr schwierig wird, und auch sehr kostspielig”, sagte Negoiță. Jede Bank nehme die Kreditanträge in die Risikoanalyse auf.  Da es in den letzten drei Jahren jedes Jahr unterschiedliche Bestimmungen gab, wisse niemand, wie das nächste Jahr ausschauen wird. So würden die Banken nicht mehr die Bürgermeisterämter finanzieren, und wenn ja, mit einem erhöhten Risikofaktor. „In der Verfassung wird die lokale Autonomie garantiert. Lokale Autonomie ohne Finanzierung ist ein Märchen”, unterstrich Negoiță.

Werner FINK

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Stadtentwicklung.