Ausgabe Nr. 2350
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Film über den Freikauf der Rumäniendeutschen im Spiegelsaal gezeigt
„Für mich liegt das ganze Geheimnis in dem Wort ‚Hospites´. Ihr seid nicht Eigentümer dieses Landes sondern ihr seid Gäste. Und ein Gast bleibt zwei Stunden oder drei oder er bleibt ein Jahr oder er bleibt wie wir 800 Jahre. Und dann geht er. Und so sind unsere Leute und wir auch in dem Bewusstsein gegangen, wir waren hier Gäste, wir haben da viel geleistet. Es ist unübersehbar was wir da geleistet haben in 800 Jahren, aber jetzt gehen wir wieder nach Hause.“
Diese Aussage von Pfarrer Horst Radler, der seit 1980 Siebenbürgen verlassen und nun mit seiner Familie in Schwanenstadt in Österreich lebt, hat die meisten Gäste der „Hermannstädter Gespräche“ am Dienstagabend schockiert. Er und seine Frau wurden für den Film „Teurer Freikauf – Das Geschäft mit den Rumäniendeutschen“ von Susanne Glass interviewt, der am Dienstag im Spiegelsaal des Forums vorgestellt wurde.
Der Dokumentarfilm zeigt Archivaufnahmen aus dem Rumänien der 1980-er Jahre, die die Lage der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben verbildlichen sollten, sowie Interviews mit Angehörigen der deutschen Minderheit, denen die Übersiedlung nach Deutschland gelungen war. Hauptthematik des Filmes war allerdings der Freikauf der Rumäniendeutschen und die Verhandlungen, die zwischen dem Rechtsanwalt und CDU-Politiker Dr. Heinz-Günther Hüsch, der von 1968 bis 1989 der Verhandlungsführer der deutschen Seite war, und dem ehemaligen Offizier des Außennachrichtendienstes Stelian Octavian Andronic, dem Verhandlungsführer der rumänischen Seite, stattgefunden haben. Das Interview mit Dr. Hüsch, sowie die Gespräche mit Prof. Dr. Paul Philippi, Ernst Meinhardt, Dr. Anton Sterbling und Hans Klein wurden im April des Jahres in Hermannstadt während der Tagung zum spannenden und jahrelang umstrittenen Thema der „Familienzusammenführung versus Freikauf der Deutschen aus Rumänien in der Zeit des Kommunismus“, die von der Journalistin und Historikerin Hannelore Baier (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien) und dem deutschen Journalisten Ernst Meinhardt (Deutsche Welle) organisiert worden war, aufgenommen. Zu der Tagung war auch der Verhandlungsführer von der rumänischen Seite Stelian Andronic eingeladen, er sagte allerdings in letzter Minute ab. Für den Film schaffte es Susanne Glass auch letzteren zu interviewen, der aber nicht bereit war, über die Schmiergelder zu reden, die die Deutschen in Rumänien zahlten, um aussiedeln zu können. Auch über die Sonderwünsche, die außer den Geldbeträgen von rumänischer Seite geäußert wurden, sprach man in dem Interview. Was Dr. Hüsch als „Forderungen“ bezeichnete, nannte Andronic „Geschenke“. Laut Andronic hätten sich die deutschen Verhandlungspartner erkundigt, womit sie Nicolae Ceaușescu eine Freude machen könnten. So hätte man ihm zum Geburtstag ein Jagdgewehr geschenkt. Als Dr. Hüsch darüber ausgefragt wurde, gab dieser bekannt, dass Andronic die Bitte nach dem Jagdgewehr vorgetragen haben soll und dass er keine Kenntnis vom Geburtstag Ceaușescus gehabt habe.
Über das Schicksal der Hiergebliebenen und über die Aussiedlung seiner Nachbarn berichtete Johann Schaas aus Reichesdorf. Alte Aufnahmen von der Ankunft Herta Müllers zusammen mit ihrer Mutter und ihrem damaligen Ehemann Richard Wagner im Jahr 1987 auf dem Berliner Westbahnhof wurden ebenfalls in den Film eingebaut. „Zwei Tage bevor wir gekommen sind, haben sie uns in die Wohnung eingebrochen. Ich glaube man hat nichts gesucht, man wollte uns nur zeigen, dass es einen langen Arm gibt und dass es den wahrscheinlich auch hier geben wird“, sagt die spätere Nobelpreisträgerin, als sie von einem Kamerateam am Bahnhof begrüßt wird.
Der Filmvorführung folgten Gespräche. Viele Gäste meldeten sich zu Wort, die schon lange ausgewandert sind und teilten ihre Erinnerungen von der Ausreise mit den anderen. Zum Thema Freikauf sagte Prof. Dr. Paul Philippi, Dr. Hüsch hätte, ohne es zu wissen, Strukturen zerstört und einen Sogeffekt entstehen lassen. Wenn A und B gegangen sind, war die Ausreise von C und D nur noch eine Frage der Zeit.
Der Dokumentarfilm „Teurer Freikauf – Das Geschäft mit den Rumäniendeutschen“ von Susanne Glass kann auch frei im Internet auf www.youtube.com gesehen werden.
Cynthia PINTER
Szenenfoto mit auf Koffern sitzenden Aussiedlern.