Ausgabe Nr. 2326
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Zu Besuch in der Zahnarztpraxis von Thomas Denghel in der Fleischergasse
Hand aufs Herz! Wann waren Sie eigentlich zum letzten Mal beim Zahnarzt? Als der Schmerz, den Sie auf eine Kälteüberempfindlichkeit schoben, gegen Ihre Erwartungen nach drei Tagen doch nicht nachließ? Damit sind Sie nicht alleine: „Die meisten Patienten kommen, wenn es eigentlich ja schon zu spät ist. Würden die Menschen, so wie es in Deutschland von Krankenkassen vorgeschrieben wird, zwei Mal im Jahr zur Prophylaxe gehen, könnten sie sich unnötige Kosten und Schmerzen ersparen“, erläutert in seiner Praxis Thomas Denghel, 29 Jahre alt, verheiratet und Zahnarzt in zweiter Generation.
Sein Vater eröffnete nach der Wende die dritte private Zahnarztpraxis in Hermannstadt. Mittlerweile gibt es laut Denghel an die 400 niedergelassene Zahnärzte in Hermannstadt. Die Konkurrenz ist also außerordentlich hoch. Seit 2009 arbeitet Denghel Junior im Betrieb des Vaters in der Fleischergasse/Mitropoliei 3. „Wir haben den Keller umgebaut, sodass ich mir ein eigenes Behandlungszimmer einrichten konnte. Einst gehörte das Gebäude einer jüdischen Schlachter-Familie. An den Wänden im Keller hingen noch die Haken.“ Nachdem die Relikte, die letzten Zeugen der Zeit entfernt und der gesamte Keller renoviert wurde, zog Thomas Denghel in den Keller und kümmert sich hier um Karies und Kieferprobleme jeglicher Art.
Sein Vater, der in Jassy studiert hat, empfängt seine Patienten im Erdgeschoss. Thomas D. der neben Zahnmedizin in Hermannstadt auch noch Jura studiert hat, wollte zunächst Anwalt werden, um die Menschen, deren Zähne von „Pfuschern“ behandelt wurden, vor Gericht zu vertreten. Aber es sollte anders kommen. Er schlug den Weg seines Vaters ein und wurde selbst Zahnarzt. Bereut hat er seine Entscheidung nicht. Im Gegenteil, sein Beruf bereite ihm große Freude. Was er denn besonders gerne mache? „Alles, was mit Ästhetik verbunden ist. Schön mit Keramik, oder eine gute Füllung, das ist toll.“ Jetzt beginnt er zu philosophieren, darüber, dass der Beruf des Zahnarztes in der rumänischen Gesellschaft nicht sehr angesehen sei. Das habe aber mit der Mentalität zu tun und sei noch ein Überbleibsel des Kommunismus. „Man erwartet westliche Standards, die man ja auch bekommt, da die Produkte und Behandlungsmethoden die gleichen sind, wie sie in Deutschland oder Frankreich angewendet werden, allerdings möchte man dies zu rumänischen Preisen.“ In Rumänien sei man eher dazu bereit, den Motor seines Autos auszutauschen, als sich die Zähne machen zu lassen, „verständlich, da es ja nicht gerade günstig ist.“ In Rumänien herrsche ein „kommunistischer Andrang zum Kapitalismus.“
Nach vier Jahren als praktizierender Zahnarzt, missfällt es Thomas Denghel, mit ansehen zu müssen, dass sich nichts ändert und man als Zahnarzt nichts zu sagen hat. Die Krankenkassen würden gerade mal ein Prozent ihres Budgets für Zahnärzte aufwenden. Das sei zu wenig, da müsse sich etwas ändern, sagt er entschieden.
Zudem wünsche er sich, dass das allgemeine Wohlbefinden in der Gesellschaft steigt. „In 40 Jahren wahrscheinlich werden wir das Niveau Deutschlands erreicht haben“, meint Denghel. Immer wieder wird er Vergleiche zu Deutschland ziehen und dass es Fakt sei, „in Deutschland lebt man – in Rumänien überlebt man!“
Wenn er von Patientenschicksalen erzählt, spürt man, dass sie ihm nahe gehen. „Die Psyche bleibt da natürlich nicht unbelastet, dann wäre es schön, so wie die Ärzte in Krankenhäusern im Team zu arbeiten, denn es kann schon sehr einsam sein, so alleine in der Praxis.“
Als Ausgleich zu seinem Beruf trifft er sich häufig mit Freunden, zockt gerne am Computer, oder schaut im Fernsehen Serien wie etwa „How I Met Your Mother“ und „Robot Chicken“.
Wer ihm denn eigentlich die Zähne untersuche? Zahnstein könne er theoretisch noch selbst entfernen, den Rest überlasse er aber lieber seinem Vater, oder seiner Cousine, die ebenfalls Zahnärztin ist. Und wie war das früher mit den Süßigkeiten? Schmiss sein Vater ebenfalls jedes Bonbon, jeden Lutscher ins Feuer, wie Willy Wonkas Vater in „Charlie und die Schokoladenfabrik“, dem grandiosen Märchen Roald Dahls? „Nein“, lacht der immer gut aufgelegte junge Stomatologe, „Süßigkeiten sind nie ein Problem gewesen, solange man sich auch ordentlich die Zähne geputzt hat.“ Das sei übrigens immer noch so.
Und wem würde er, der selbst auf die gute alte Handzahnbürste schwört und die Zahnpaste nach dem Geschmack aussucht, gerne mal die Beißerchen putzen? „Also der Barack Obama hat echt schöne Exemplare, aber am liebsten Naomi Campbell, oder Charlize Theron, super Zähne, super Gebiss.“
Zum Schluss wird es noch ein Mal intim: „Herr Denghel, ganz ehrlich, wer besitzt die schönsten Zähne, die sie je gesehen haben?“ Kurze Pause. „Hmm, zwei meiner Freunde haben wirklich super angeordnete Zähne, in einer perfekten Parabel und A1 Niveau, also naturweiße Färbung.“ Er muss es wissen, Zähne sind sein Leben.
Larissa MILOU