Ausgabe Nr. 2326
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Pessach in der jüdischen Gemeinde Hermannstadt
Wer Sonntag Nachmittag an der Synagoge in der Salzgasse/Constituției vorbeiging, konnte überrascht sehen, dass die ansonsten geschlossenen Tore der Umzäunung offen standen. Warum dem so war, erfuhr man am Montag Nachmittag, als die jüdische Gemeinde in dem Gemeinderaum neben der Synagoge den Auftakt zum Pessach-Fest feierte. Die Vorbereitungen für das Sedermahl hatten schon Sonntag begonnen. Der Jüdin Ana Baruch standen dabei zwei Nicht-Jüdinnen zur Seite – die Ungarinnen Ilonka Petreș und Rebecca Deutsch.
2013 feierte die jüdische Gemeinde Hermannstadt am Montag, den 25. März, 17 Uhr, den Sederabend, der den Auftakt darstellt zum Pessach-Fest, das in der Diaspora acht Tage lang dauert, also auch in Hermannstadt. Und auch diesmal erwies sich die Gemeinde als offen und hieß u. a. den evangelischen Pfarrer i. R. Siegfried Schullerus willkommen, der es sich nicht nehmen ließ, einen Text vorzulesen, den er vor knapp 20 Jahren dem letzten Vorbeter der jüdischen Gemeinde, Joseph Enst, gewidmet hatte.
Für jeden Teilnehmer war auf einem Teller eine Wurzel Meerrettich, ein Radieschen, Petersilienlaub, ein gekochtes Ei und Charosset, eine Mischung aus geriebenen Äpfeln und Wein, vorbereitet, anstelle von Salz standen, zum Gedenken an die während der Sklaverei vergossenen Tränen, Gefäße mit Salzwasser auf den Tischen. Dazu gab es Mazza, ungesäuertes Brot aus Mehl und Wasser, das anstelle des gewöhnlichen Brotes gegessen wird. Mazza konnten die Teilnehmer dann auch nach Hause mitnehmen. Rote-Bete-Salat gab es auch, dazu gekochtes Hühnerfleisch, gekochte Kartoffeln und eine gute Hühnersupe mit reichlich Gemüse und Knödeln. Im Vorfeld erläuterte der Gemeinde-Vorsitzende Otto Deutsch auch die Bedeutung der Speisen, von denen einige dazu dienen, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten zu erinnern. Seder heißt in deutscher Übersetzung Ordnung und der Verlauf dieses Festmahls ist in der Haggada festgeschrieben.
„In Hermannstadt wird der Seder innerhalb der Gemeinde gefeiert, auch weil die Gemeinde sehr klein ist. Sie besteht nur noch aus einigen dutzend Mitgliedern, davon sind die meisten bereits in einem fortgeschrittenen Alter. (…) Zum Sedermahl werden alle Mitglieder der jüdischen Gemeinde eingeladen und, wenn dies der Fall ist, auch ihre nichtjüdischen Ehepartner. Ebenfalls teilnehmen dürfen jedes Jahr ein paar Gäste. Diese gehören nicht der Gemeinde an, sie interessieren sich aber für die jüdischen Traditionen und haben so die Möglichkeit, diese unmittelbar kennen zu lernen." Das schrieb die Hermannstädter Soziologin Nadia Badrus, langjähriges Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ihrem Beitrag für das Buch „Social Cooking" 2006.
Beatrice UNGAR