Besuch beim Schloss Mikes in Zabola/Zăbala
Ausgabe Nr. 2784
Etwa eine Stunde Autofahrt von Kronstadt und fünf Minuten von Kovászna/Covasna entfernt liegt Zabola/Zăbala am Fuße der Berge. Wenn man mitten im Dorf bei der Kirche nach rechts abbiegt, kommt man nach einigen Minuten – man glaubt schon das Ende des Dorfes erreicht zu haben – zum Haupteingang des etwa 50 Hektar großen Mikes-Anwesens. Heute heißt die Familie Roy Chowdhury. Gräfin Katalin Mikes heiratete nämlich den Inder Shuvendu Basu Roy Chowdhury, der ebenfalls aus einer Großgrundfamilie stammte, die 1947, als Indien geteilt wurde, in Bengalen ihren Besitz verlor. Gegenwärtig kümmern sich Katalin Roy Chowdhury und ihre beiden Söhne Alexander und Gregor um das Anwesen. „Wir sind hier sehr gut ausgelastet als kleines Hotel, es funktioniert mittlerweile sehr gut“, sagte Gregor.
Wenn man den Haupteingang betritt, kommt man entlang einer Allee – rechts und links verlaufen Baumreihen – zu dem ehemaligen über 300 Jahre alten Stallgebäude, heute als ein wunderschöner Saal eingerichtet. Rechts ein Teich, weiter oben das „neue“ Schloss. Das alte Herrenhaus, wo die Familie derzeit wohnt, ist von unten nicht zu sehen.
Das „neue“ zweistöckige Schloss wurde um die Jahrhundertwende von Ármin Mikes gebaut und diente zur Unterbringung der ausländischen Gäste. Dieses ist über eine Brücke, die in einen Tunnel übergeht, mit dem alten Herrenhaus verbunden. Heute wird hier ein Hotel betrieben. „Design und Innenausstattung hat mein Bruder Alexander gemacht“, sagte Gregor Roy Chowdhury. „Er ist sehr gut mit Farben und Geschmack. Ich bin vielleicht eher derjenige, der mit den Zahlen zu tun hat“. Den Einrichtungsstil nannte er „Shabby Chic“. Alte Elemente wurden behalten oder zurückgebaut, und viele alte oder ältere Möbelstücke dazugekauft. Die Idee das Gefühl der 20er und 30er Jahre für den Gast zurückzubringen schien gelungen zu sein.
Gregor oder Gergely, wie man ihn in Zabola nennt, ist in Graz geboren, wo er zur Schule ging und anschließend auch den Militärdienst leistete. Danach studierte er Volkswirtschaft und schloss in England ab. Drei Jahre lang arbeitete er in einer amerikanischen Investmentbank. Als Student arbeitete er als Praktikant in Banken in Bukarest und Budapest. Gegenwärtig leitet er das operative Geschäft rund um das Mikes-Anwesen. Jüngst wurde er auch Mehrheitseigentümer der Firma Secuiana in Kézdivásárhely/Târgu Secuiesc. Es ist ein 1968 gegründetes Unternehmen, das nach 1990 privatisiert wurde und in der Textilindustrie aktiv ist. „Das Unternehmen hat jetzt natürlich schwierige Zeiten hinter sich mit der Verlagerung von Lohnproduktion in günstigere Länder. Das ist jetzt eine neue Aufgabe, dies umzudrehen und in Ordnung zu bringen“, meinte Gregor.
Rumänien kannte Gregor bereits aus den 80ern als die Familie auf Besuch kam. Zwar konnten sie das ehemalige Besitztum der Familie nicht besuchen, aber in Großwardein und Klausenburg ging man zu den Verwandten. „Wir sind so aufgewachsen, mein Bruder und ich, dass wir jedes Jahr in Rumänien waren, aber man konnte das nicht absehen, dass sich das irgendwann ändern wird. Dann kam die Wende und meine Mutter ist im Jahr 1990 mit dem Hilfstransport des Malteser Hilfsdienstes nach Siebenbürgen gekommen, und sehr bald gab es dann die ersten Restitutionsgesetze. Mein Vater war Inder. Er hat das eigentlich immer sehr unterstützt und meine Mutter hat die Rückerstattung in die Wege geleitet. Irgendwann haben wir das dann übernommen.“
2002 zog Gregor nach Zabola. Seine Mutter hatte 1999 nach langen Prozessen einen Teil der Erbschaft, die Gebäude und den Park in Zabola zurückbekommen. Es funktionierte hier aber weiterhin auch die staatliche Institution für psychisch kranke Menschen. „Es ging auch um viele Arbeitsplätze. Wir wollten nicht einfach hier ankommen und die Leute aussiedeln“, sagte Gregor. Er entschloss sich, das Gartenhaus am Rande des Grundstückes zu renovieren. Dann hat sich immer mehr ergeben und er ist in Zabola geblieben. „Ich bin nicht mit dem Koffer gekommen und habe nicht gesagt, ich ziehe jetzt hierher, sondern das war eine Übergangssituation. So sind jetzt einfach 20 Jahre vergangen.“ In dem Jahr wo er herzog, ist sein Vater verstorben. So sah er plötzlich seine Zukunft zum einen nicht mehr in einem Glasturm in London als Angestellter einer Bank, zum anderen wollte er eine Veränderung haben.
2005 siedelte die Institution um und hinterließ aber einen desaströsen Zustand. 2006 entschloss man sich, das sogenannte Maschinenhaus zu renovieren und eine kleine Pension mit acht Zimmern und einer Küche daraus zu machen. Beschäftigt wurde auch ein Manager. „So hat der Tourismus hier langsam begonnen. Heute haben wir 24 Zimmer. Wir wollen aber weiterhin ausbauen“.
Mittlerweile werden auf dem Grundstück 60 Personen beschäftigt. Durch das Verteilen von Gästen in umliegende Pensionen zum Anlass von verschiedenen Veranstaltungen und durch das Einkaufen in der Region gibt es eine verstärkte Wirkung der Tourismusbetreibung hier. Weiterhin werden in der Textilfabrik derzeit 700 Angestellte beschäftigt.
Die Mutter Katalin Roy Chowdhury ist selbstverständlich noch immer sehr aktiv und verbringt hier viel Zeit. Sie ist übrigens eine „doppelte“ Mikes, sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits. Sie ist in Steinamanger/Szombathely an der Östereichisch-Ungarischen Grenze geboren. Nach dem Krieg zog die Familie wieder nach Hause, also Gregors Urgroßmutter Bethlen Klementina und zugleich die Schwester von dem Premierminister István Bethlen, seine Großmutter Éva Mikes und seine Mutter, als kleines Baby. Was die Männer angeht, ist der letzte Besitzer Ármin Mikes 1945 in Budapest gestorben und Sándor Mikes von der anderen Seite 1945 in Klausenburg. Es kam der Kommunismus und 1949 gab es eine Nacht wo alle ,,Kulaken“ ausgehoben wurden und so ist die Großmutter in einem Arbeitslager im Donaudelta gelandet. Dank glücklicher Umstände kam sie nach anderthalb Jahren wieder heraus. Sie arbeitete dann in Fabriken in Klausenburg. Seine Mutter lebte auf dem Grundstück bis sie fünf war und ist dann bei Bekannten oder Verwandten in Szentkatolna/ Catalina aufgewachsen. Sie ist mit 16 Jahren von einem deutschen Verwandten, einem Politiker, der zu der Zeit in Bukarest war, freigekauft worden, verließ das Land offiziell und kam nach Österreich. Hier lernte sie ihren späteren Mann kennen.
Aufgewachsen sind Gregor und sein Bruder Alexander zweisprachig. Deutsch und Ungarisch lernten sie bereits von Anfang an. Auf dem alten Herrenhaus ist übrigens ein Doppelwappen, das 1867 angebracht wurde, zu sehen. „Ich habe eine Schweizer Ururgroßmutter aus Schaffhausen“, erklärte Gregor. Also bereits für den letzten Besitzer war eine der Sprachen Deutsch. Gregors Urgroßvater ist in Österreich zur Schule gegangen, er hat dann hier den Besitz übernommen und hier gewirtschaftet. Die letzte Generation konnte Deutsch, Ungarisch, Französisch, Englisch und Rumänisch. „Diese Vielsprachigkeit war ganz automatisch. Und Gott sei Dank, hat unsere Mutter mit uns immer ungarisch gesprochen, sonst wäre das auch viel schwieriger gewesen hier in einem kleinen Ort, in einer ländlicher Region Fuß zu fassen.“
„Ich bin in Österreich aufgewachsen und in Österreich leben viele Regionen vom Tourismus, dort wurde nach dem zweiten Weltkrieg sehr geschickt die Infrastruktur aufgebaut und zuerst war es nur Skitourismus und heute gibt es einen Ganzjahrestourismus. Und es funktioniert sehr gut.“ , sagte Gregor „Ich glaube, dass eine Region wie hier vom Tourismus leben wird oder leben kann. Es werden nicht große Fabriken gebaut und viele Arbeitsplätze entstehen, ich glaube aber daran. Wir sind hier etwas abseits gelegen, aber wir sind ein kleines feines Hotel, haben ein Restaurant, die Gäste können hier ohne weiteres eine Woche verbringen. Wir bieten Touren in die Wälder an, wir haben hier Aktivitäten auf dem Grundstück, vom e-Bike, bis zum Waldreiten, es gibt einfach genug Dinge. Es gibt ein kleines Spa, ein Wellnessgebäude mit Sauna. Es gibt auch viele Initiativen, wir versuchen, Touristen in dieses Land zu bringen.“ Die zentrale Lage im Land und am Fuße der Berge eigne sich sehr gut dafür. Weiterhin hoffe man über den neuen Flughafen in Kronstadt auf bessere Verbindungen. „Die Infrastruktur verbessert sich immer mehr, aber wir sind mittlerweile mit dem gut instandgehaltenen Park und der Anlage schon ein Magnet für viele Menschen, die einfach am Wochenende kommen wollen.“ Das Grundstück besteht aus einem englischen Landschaftsgarten, der sich auf etwa 50 Hektar erstreckt, wobei 10 Hektar mit gehbaren Alleen, Wegen, Teichen und Beleuchtung versehen sind. Auf den großen Weiden wurde vor ein paar Jahren begonnen Pferde zu züchten. Einheimische Pferde sollen mit Arabern oder mit englische Stuten gekreuzt und und dann im Tourismus hier eingesetzt werden. Die Familie hatte nämlich seit dem frühen 17. Jahrhundert Pferde in Siebenbürgen gezüchtet, bis die Front des Ersten Weltkrieges gekommen ist. Es wurden Rennpferde, Reitpferde, Kutschenpferde sogar an den russischen oder an den englischen Hof verkauft.
Außerdem gibt es im Hotel keine klassischen Hotelzimmer. Die Einheiten sind größer als gewohnt, wobei das größte Zimmer über 100 Quadratmeter groß ist. Freistehende Badewannen, offene Kabinen und doppelte Duschen stehen den Gästen zur Verfügung. Betrieben wird nicht nur individueller Tourismus, es gibt auch Unternehmen, die während der Woche hier Teambuildings machen, weiterhin werden hier auch Hochzeiten und Geburtstage abhalten. Weiterhin gibt es auch ein eigenes Ökokonzept, verschiedene Naturschutzprojekte. U. a. gibt es ein Projekt, wo eine Nassfläche zurückgebaut wird in Zusammenarbeit mit der Sapientia- und der Babes-Bolyai-Universitäten.Im Rahmen eines Projektes im Wald wird mit der Kronstädter Forsthochschule zusammengearbeitet.
Bemühungen gibt es auch um eigenes Obst und Gemüse. Ein Gemüsegarten auf einem halben Hektar ist nun biozertifizierte Fläche wo ohne künstliche Düngemittel das eigene Gemüse saisonal produziert wird. Das Ziel ist, dass das Restaurant möglichst eigene und saisonale frische Produkte verwendet. Nach der Renovierung eines kleinen alten Glashauses zählt man sogar 11 Monate lang mit eigenen Produkten. Die Spezialitäten der Küche bestehen in hiesigem Essen, vielleicht etwas neuer interpretiert. Allerdings gibt es auch eine indische Speise im Menü, oder zumindest indisch angehaucht. Ein Cousin von Gregor aus Kalkutta macht nämlich hier derzeit eine Ausbildung zum Koch…
Zu den verschiedensten Aktivitäten, die angeboten werden, gehört auch die Möglichkeit, Bären zu beobachten. „Das ist schon etwas Spezielles, dass man in Europa so viele frei laufende Bären hat. Die Natur ist sicher eine Essenz, die Rumänien hat, die wahrscheinlich momentan nicht genug geschätzt wird. Aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist es das, was eigentlich den Unterschied macht“, meinte Gregor.
Mikes-Anwesen gibt es in mehreren Ortschaften. Wann genau die Geschichte der Anlage in Zabola beginnt, ist nicht einfach zu sagen. Das Archiv ist bei der Bombardierung des Zuges, mit dem es in Sicherheit gebracht werden sollte, verschwunden. Aus Anlass einer Hochzeit wurde jedoch um 1620 das alte Herrenhaus beschrieben. Im ältesten derzeit der Familie bekannten Schriftmaterial wird bereits um 1450 ein Grundbesitzer hier erwähnt. Die Hochblüte des Parks und der Anlage gab es wahrscheinlich um die Jahrhundertwende.
Die Mitglieder der Familie scheinen in den vorigen Jahrhunderten jeweils Soldaten oder Politiker gewesen zu sein. Die ersten Erwähnungen der Mikes in einem politischen Rahmen soll von 1506 stammen, wobei es um eine Versammlung in Agyagfalva/Lutița geht. Einige Persönlichkeiten, die zur Familie gehörten, sind beispielsweise Mikes Kelemen, Schriftsteller und Übersetzer, der bekannt ist für seine „Briefe aus der Türkei“. Er begleitete Franz II. Rákóczi als Kammerdiener, Sekretär und engster Vertrauter und verstarb in der Türkei im Exil. Nach ihm ist auch eine Schule in Sankt Georgen benannt. Denselben Namen trägt auch derjenige Mikes Kelemen, der während der Revolution von 1848/49 bei Hermannstadt gefallen ist. Eine weitere Schule in Sankt Georgen trägt den Namen des Politikers Mikó Imre, zweimaliger Gubernator von Siebenbürgen, der als großer Förderer der Wissenschaften und der Kultur auch Széchenyi Siebenbürgens genannt wurde, der in Zabola geboren ist und dessen Mutter auch eine Mikes war. In Sepsibükszád/Bixad gibt es eine Schule, die den Namen Mikes Ármin trägt. Die kleine Volksschule im Dorf, wo Gregors Urgroßmutter nach dem Ersten Weltkrieg ein Waisenhaus gegründet hatte und der Kirche schenkte, heißt jetzt Mikes Klementina-Schule. „Da haben wir einen Spielplatz gebaut für die Schule, letztes Jahr. Ich habe vor 4 Jahren geheiratet und auf der Hochzeit habe ich um Spenden statt Geschenken gebeten. Ein Teil ist auch gespendet worden, den anderen Teil haben wir dazugegeben, und den Spielplatz gebaut.“ Gregor lernte auf der Hochzeit von Freunden seine zukünftige Frau Pauline Gräfin von Hardenberg kennen. Pauline war ehemals Springreiterin und ist seit mehreren Jahren Fotografin, spezialisiert auf Pferdeevents wie z. B. Weltmeisterschaften und Olympische Spiele. Sie selber ist in einer „Pferdefamilie“ groß geworden. Ihr Großvater war Dressurreiter und Pauline selber hat Dressur und Springen bis zur Klasse S geritten. Ihr Vater hat sogar ein internationales Springturnier ausgerichtet am Fuße der Ruine Hardenberg. Die Familie verfügt nämlich in Deutschland über ein ähnliches Anwesen. Inzwischen ist sie stark in den Hotelbetrieb in Zabola involviert und leitet außerdem hier die Pferdezucht. Der inzwischen zweijährige Sohn von Gregor und Pauline wächst nun ebenfalls mehrsprachig auf.
„Im Unternehmertum hier ist mir persönlich der soziale Aspekt sehr sehr wichtig“, schlussfolgerte Gregor. „Wir haben relativ viele Veranstaltungen von Caritas, den Maltesern, dem Roten Kreuz u. a., die wir unterstützen, dass sie hier ein Charity Event machen können oder einen jährlichen Ball. Wo eine Familie seit 600-700 Jahren in einem Ort anwesend ist, ist das Miteinander wichtig. Es funktioniert nicht, einfach im Elfenbeinturm zu wohnen. Man muss auf alle Fälle mit seiner Umgebung in Harmonie leben. Wir sind nicht einfach ein Hotel irgendwo, es ist schon mehr. Das ist mir wichtig.“
Werner FINK