Ausgabe Nr. 2381
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Trude Schullerus (1889-1981) zum 125. Geburtstag
Über Trude Schullerus, die bekannte und beliebte Hermannstädter Malerin und Grafikerin, deren 125. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen, ist schon viel geschrieben worden. Das Publikum fand von Anbeginn Gefallen an ihren Werken, und Kunstkritiker und -chronisten verfassten wohlwollende oder begeisterte Besprechungen ihrer Ausstellungen. Später, als sie zu den Hermannstädter „Altmeistern“ zählte, würdigte sie ihre einstige Schülerin Juliana Fabritius-Dancu mit zwei Monographien (Meridiane Verlag, Bukarest 1970, Kriterion Verlag Bukarest 1974). 2005 veröffentlichte der Hermannstädter Hora Verlag, in Kooperation mit dem Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde (Heidelberg), einen umfassenden Bildband, der das Leben und Werk von Trude Schullerus aus verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet, ein Werk, dessen Herausgeber die beiden Neffen der Künstlerin, Andreas und Gerhard Möckel, sind.
Im Unterschied zu den anderen namhaften siebenbürgisch-sächsischen bildenden Künstlerinnen ihrer Generation, wie Margarete Depner (1885-1970), Henriette Bielz (1892-1956), Grete Csaki-Copony (1893-1990), Ernestine Konnerth-Kroner (1893-1973), die sich ihr Können in kurzzeitigen Fachkursen und verschiedenen Künstlerateliers aneigneten, hat Trude Schullerus ein systematisches, langjähriges Studium an der Münchner Kunstakademie absolviert. Obzwar die begabte junge Frau, die von 1906 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in der bayrischen Hauptstadt, der bedeutendsten Kunstmetropole Mitteleuropas, lebte, hat sie sich keiner erneuernden Bewegung (wie Secession, bzw. Neue Secession oder Der Blaue Reiter) angeschlossen. Verzerrte Wirklichkeit, Motivreduzierungen bis hin zum Loslösen vom Gegenständlichen sowie Farbdissonanzen waren dem ausgeglichenen, harmonischen Wesen der Künstlerin fremd. Ihre bewahrende Haltung schloss jedoch die Verwendung eleganter, geschwungener Linien – wie sie dem Jugendstil eigen waren – und Cézannescher Konstruktionsprinzipien nicht aus, eine Tatsache, die ihren Werken eine gewisse Modernität verleiht. Trude Schullerus zog es vor, Heimatkünstlerin oder heimatverbundene Malerin zu werden, eine ausgezeichnete Beobachterin ihrer Umgebung, sowohl der städtischen als auch der dörflichen, deren charakteristische Züge sie bis ins Kleinste erfasste und reizvoll schilderte. Selten verfiel sie dabei der Versuchung, die Dinge zu versüßlichen.
Ich möchte hier nicht wiederholen, was ich kürzlich oder schon vor Jahren in anderen Publikationen über Trude Schullerus geschrieben habe, sondern einige weniger bekannte Aspekte aus dem Leben und Werk der Künstlerin hervorheben.
Bereits als Studentin hat Trude Schullerus in den Semesterferien am kulturellen Leben ihrer Heimatstadt mitgewirkt. In der Ausgabe vom 7. Dezember 1911 des Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes (SDT) wird berichtet, dass „Fräulein Trudchen Schullerus" für die Weihnachtsaufführung des „Vereins zur Errichtung und Erhaltung eines evangelischen Deutschen Frauenheims in Hermannstadt“, die im Gesellschaftshaus stattgefunden hat, lebende Bilder nach Werken berühmter Meister „mit Aufopferung und Verständnis“ gestellt hatte, Bilder, die damals sehr beliebt waren. Es ging um „Die Verkündigung“ nach Andrea del Sarto, die „Bethlehemszene“ nach Dürer, „Die Anbetung der Könige“ nach Paolo Veronese sowie um „Die Flucht aus Ägypten“ nach Rubens.
Obzwar die Künstlerin erst 1923-1924 an der Leipziger „Hochschule für Grafik und Buchgewerbe“ studierte, bekundete sie schon viel früher Interesse am „Kleid der Bücher“. 1913 übernahm sie die grafische Gestaltung des in sächsischer Mundart verfassten Märchenbuches ihrer Tante Anna Schuller-Schullerus (1869-1951), „Zwei Märchen“ (Det Chrästvigeltchen und De Brannefrä), ein Band, der auch heute noch in vielen sächsischen Familien verwahrt wird.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges brachte tiefgreifende Veränderungen in das Leben der siebenbürgischen Künstlerin, die die Kunststadt München verließ und ihre Person sowie ihr Werk in den Dienst der sächsischen Gemeinschaft stellte. So wirkte sie als Krankenschwester in einem Lazarett in Klausenburg und fertigte eine Lithographie, die die Abschiedsszene eines in den Krieg ziehenden jungen sächsischen Bauern von seiner Frau und Kindern zeigt. Diese Arbeit, die das SDT am 16. Dezember 1914 besprach, wurde als „Hilfspostkarte“ zugunsten des Roten Kreuzes verkauft. Im Laufe der Kriegsjahre setzte Trude Schullerus ihre Tätigkeit als Buchgrafikerin fort und schmückte Büchlein, die ihr Vater, Dr. Adolf Schullerus (1864-1928), damals Stadtpfarrer von Hermannstadt, für die Soldaten im Feld als Gruß aus der Heimat und zu deren Ermutigung schrieb (Heilige Heimat, 1916). Auch arbeitete sie weiterhin mit Anna Schuller-Schullerus zusammen, so an Gestaltung des Bändchens „Die heiligen Tage. Erzählungen aus Siebenbürgen“ (1917), das sie mit Vignetten versah, welche Szenen aus dem Dorfleben enthalten. 1928 gab der Hermannstädter Krafft & Drotleff Verlag Adolf Schullerus’ die „Geschichte vum Tschiripik“ heraus, ein Büchlein, das ebenfalls mit Buchschmuck aus der Werkstatt der Künstlerin, nämlich mit Lithographien versehen war. Ob sie nach diesem Datum noch Bücher illustriert hat, ist mir nicht bekannt.
Außer Büchern und Broschüren ihrer Verwandten hat Trude Schullerus zusammen Hildegard Schieb (1897-1989) auch zur grafischen Gestaltung von siebenbürgisch-sächsischen Kalendern beigetragen, in deren Vignetten wir oftmals das Signet der Künstlerin, den ineinander verschlungenen Anfangsbuchstaben ihres Namens, entdecken. Diese kleinformatigen, zarten Bilder enthalten Darstellungen von Kirchenburgen oder Ausschnitte aus dem Alltagsleben der Bauern.
Die Buchgrafik Trude Schullerus’ ist keinesfalls so bedeutend wie ihre Ölbilder und grafischen Blätter, bildet jedoch ein interessantes Kapitel ihres Schaffens, das nicht vergessen werden sollte.
Im Folgenden möchte ich einigen Kunstkritikern das Wort geben, die die Ausstellungen der Künstlerin besprachen. Hans Wühr (1891-1982), der Kunsthistoriker und -kritiker mit der spitzen Feder, der zwischen 1924 und 1926 im Brukenthalmuseum gearbeitet hat, forderte, dass die heimischen Künstler nach allgemein gültigen Maßstäben beurteilt werden. So kam es, dass er manchen Künstler scharf angriff, eine Art der Kunstbesprechung, die in Siebenbürgen nicht üblich war. Im Septemberheft von 1924 des in Kronstadt herausgegebenen Klingsor besprach Wühr u. a. auch die Bilderschau von Trude Schullerus, die im Mai im Brukenthalmuseum veranstaltet worden war: „Es ist guter Dilettantismus mit viel Geschmack und Kultur, ohne jede Albernheit und Sentimentalität und steht hoch über dem, was [Hermann] Morres, [Henriette] Bielz, [Anna] Dörschlag, [Helene] Phleps usw. bieten können“ – was zu dem Schluss führt, dass er Trude Schullerus als eine der wertvollsten Hermannstädter Künstlerinnen betrachtete.
In den nächsten Jahren wuchs das Ansehen Trude Schullerus’, so dass die Vernissage der Ausstellung von 1930 „von den besten Kreisen unserer Gesellschaft“ und von so zahlreichen Teilnehmern besucht war, „dass der zur Verfügung stehende Raum sie kaum alle aufzunehmen vermochte“ (SDT, 9. Dezember 1930). Dem Berichterstatter (der mit C. signiert) gefielen vor allem die Landschaftsbilder „der engeren und weiteren Heimat“, die „das reizvolle Spiel des Lichtes und der Wechsel der Farbe, wie es Tages-, Jahreszeit und Witterung mit sich bringen“, kennzeichnete.
In der Besprechung der Ausstellung, die zwischen dem 3. und 15. Dezember 1933 im Brukenthalmuseum zu sehen war (SDT, 6. Dezember 1933), wird darauf hingewiesen, dass „die Künstlerin in der letzten Zeit bedeutend gewachsen ist und sich in ihrer Entwicklung der hohen Reife nähert“. Diesmal waren es die Blumenbilder „Sommerblumen“, „Rosen“ und „Tulpen“, die den Kritiker (der mit Clt. signiert) begeisterten und ihn die Behauptung aufstellen ließen, dass „der Künstlerin, die so schöne Blumen malen kann, unbedingt eine schöne Seele zu eigen sein muss“. Nicht nur die Blumen, sondern alle 57 Arbeiten, also auch Landschaftsbilder und Bildnisse – elegante, Bauern- und Kinderporträts – „atmen mehr oder weniger die Auswirkung dieser so überaus freundlichen Künstlerseele“.
Diesem Urteil kann ich nur zustimmen, da die Ölbilder und Grafiken von Trude Schullerus, die noch bis Sonntag, den 25. Mai d. J., im Terrassensaal des Teutsch-Hauses ausgestellt sind, den Besuchern diese freundliche Seele der Künstlerin – viele Jahre nach ihrer Entstehung – immer noch offenbaren.
Gudrun-Liane ITTU
Dorfansicht. Lithographie.