Schönheitsideal und innere Werte

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Neue Premiere an der deutschen Abteilung des „Radu Stanca”-Theaters

Ausgabe Nr. 2556

Valentin Späth und Alexandra Murăruș sind mitten in einer Beziehungskrise.                                                            Foto: Călin Mureșan

Das Gegenteil vom klassischen Theater? „Reasons To Be Pretty“ heißt die neueste Inszenierung an der deutschen Abteilung des „Radu Stanca“-Theaters und die ist alles andere als klassisch. Unter der Regie von Rafael Kohn, dem Luxemburger Regisseur, der sich schon 2016 mit dem Stück „Falsche Schlange“ in Hermannstadt bemerkbar machte, fand die Premiere am Donnerstag, dem 16. November, in Hermannstadt statt.

In „Reasons To Be Pretty“ von Neil LaBute geht es um zwei Paare, von denen sich eins ständig streitet. Steph (Alexandra Murăruș) ist sauer auf Greg (Valentin Späth), weil der angeblich hinter ihrem Rücken gesagt hat, sie habe ein hässliches Gesicht. Er räumt nach vielem Hin und Her ein „normal“ ein. Also ist er ein „Arschloch“, soll sich „ficken“ und sie droht damit, seine Fische die Toilette runter zu spülen. Parallel dazu gibt es das befreundete Paar Kent (Ali Deac) und Carly (Anca Cipariu). Sie ist Stephs Freundin. Er ist Gregs Kollege, der seine schwangere Freundin mit der neuen Kollegin betrügt. Das Ganze artet in einem Konflikt aus, mit viel Geschrei und Gefluche.

Szenenbild mit Valentin Späth, Ali Deac und Anca Cipariu. Foto: Călin Mureșan

Es sind die inneren Werte, die zählen – sollte man meinen – doch natürlich auch die eine oder andere Äußerlichkeit.

Denn jeder will gut aussehen und keinesfalls „normal“. Für Steph ist das kleine, harmlose Adjektiv eine Katastrophe, weil in ihren Augen „normal“ gleich „hässlich“ ist. Tief verletzt packt sie ihre Sachen und zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. Greg versteht die Welt nicht mehr.

Kent und seine Freundin Carly haben eine ganz andere Beziehung: Er umschmeichelt sie, lästert aber hinter ihrem Rücken über ihre Figur und prahlt gleichzeitig bei seinem Freund Greg mit einer heißen Affäre, die er mit einer Arbeitskollegin begonnen hat.

Die meisten Szenen spielen sich in einem Lebensmittelladen ab, der voll gepackt mit Getränken, Würsten, Pufuleți und Schokoladenriegel eine wunderbar realistische Kulisse abgibt. Und natürlich eignen sich die Pufuleți perfekt, um bei einem Wutanfall durch die Luft geworfen zu werden, wie es Ali Deac in einer Szene demonstriert. Für das Bühnenbild ist Alin Gavrilă zuständig, mit dem der Regisseur Rafael Kohn auch für das Stück „Falsche Schlange” zusammengearbeitet hat.

„Reasons To Be Pretty“ heißt in deutscher Übersetzung „Lieber schön“ und ist Neil LaButes erstes Theaterstück, das auf dem Broadway gespielt wurde. Zusammen mit „The Shape Of Things“ und „XXL (Fat Pig)“ ist es der dritte Teil einer Trilogie zum Thema Image-Besessenheit des modernen Menschen. Neil LaBute ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Dramaturgen. Er thematisiert in seiner bissig-komischen und zugleich traurigen Beziehungsgeschichte das heutige Schönheitsideal, dem jeder gerecht werden will.

„Reasons To Be Pretty“ ist unterhaltsam und zugleich wirft das Stück Fragen auf: Wann übertreiben wir es mit dem Schönheitsideal? Führen wir eine gute Beziehung? Wie wichtig ist Wahrheit?

Cynthia PINTER

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.