Gespräche für Unterwegs

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Ausgabe Nr. 2348
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Audiowanderweg von Seligstadt nach Bekokten

 

Das Projekt „Audiowanderweg von Seligstadt nach Bekokten“ wurde durch das Institut für Auslandsbeziehungen e.V., kurz ifa, und das Jugendzentrum Seligstadt ermöglicht. Die Idee für die akustische Lerntour ist zurückzuführen auf die, vom ifa entsandte, Kulturmanagerin Anne Wiebelitz und ihrer besten Freundin Antonia Schwarzmeier, welche gemeinsam ein Jahr in Siebenbürgen verbrachten. Seit September letzten Jahres arbeiteten die beiden, neben anderen Projekten wie beispielsweise der Installation einer Kletterwand in Fogarasch, an ihrem Konzept. In der vergangenen Woche, am Mittwoch den 28. August, stellten sie das Resultat ihrer Arbeit dem Publikum bei der Eröffnungsveranstaltung vor.

 

„Wohin führt dieser wilde Weg wirklich?“ Die Angst im Nirgendwo zu landen machte sich breit. Meine Reisegruppe hatte den Weg nach Seligstadt angetreten und bereits Henndorf, ein Ort östlich von Agnetheln liegend, passiert. Nun nur noch über Retersdorf und Bekokten nach Seligstadt. Doch die Fahrt zog sich hin. Kein Asphalt mehr auf den Straßen aber Schlaglöcher in Ihnen, welche es wohl vermögen würden, selbst Bären aus dem Winterschlaf zu reißen. Die Spannung, ob nun am Ende tatsächlich noch Seligstadt hinter den Bäumen auftauchen würde, verdoppelte sich pro Minute. Schlussendlich Erleichterung. Ein durch sein Alter getarntes Schild mit der Aufschrift „Seligstadt“ begrüßte uns. Wir sind da.

Eine Gruppe von etwa 30 Personen fand sich an diesem regnerischen Tag am Jugendzentrum Seligstadt ein. Ein Gemisch aus vielen Generationen, angefangen von Kindern, welche derzeit Gäste im Jugendzentrum waren, bis hin zu älteren Dorfbewohnern, die teilweise selbst auf der Tonspur der Audiowanderung zu Wort kamen. Dem Regen geschuldet, fand die Einführung zur Wanderung durch die Projektverantwortliche Wiebelitz im Kellergewölbe des Jugendzentrums statt. Sie dankte allen Unterstützern für ihre Mitwirkung und begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste der Eröffnungswanderung. Nach ihren herzlichen Worten hatte sich auch der Regen gelegt und die Gruppe startete, ausgerüstet mit drei Audioguides, ihren Weg Richtung Bekokten. Insgesamt umfasst die Tour 12 Stationen. Zur Eröffnung aber wurden, auf Grund des zeitlichen Aufwandes, nur die ersten und für diesen Anlass ausreichenden, fünf Punkte abgelaufen.

Der Audioguide arbeitet mit einem GPS-Signal, was bedeutet, dass die Beiträge automatisch abgespielt werden, wenn der Nutzer die auf einem Flyer gekennzeichneten Stationen des Weges begeht. „Die Kirchenburg in Seligstadt“ ist Titel des ersten Punktes und zugleich Beginn der Tour. Historische Fakten über die Kirchenburg werden genannt und auch die zweite Station „Das Dorf früher“ gibt dem Wandernden einen Einblick in die Geschichte Seligstadts. An der dritten Station befindlich sind Interviewsequenzen mit Einwohnern, welche über das Ideal der Nachbarschaft reden und über ihre Erfahrungen von früher und heute sprechen. Nachbarschaft, das war unter den Sachsen etwas anderes als heute. Man habe sich gegenseitig unter die Arme gegriffen, immer und selbstverständlicherweise. Diese Gemeinschaft würde heute fehlen. Die Hörer des Interviews waren verwundert. Warum schaffe man dann nicht solch ein Miteinander, wenn es doch allen fehlen würde? Welche Gründe sprechen dafür und dagegen? Es entstand eine der vielen Diskussionen, welche sich aus dem Hören der Beiträge ergaben. Da die Besucher der Eröffnungswanderung nur drei Audioguides zur Verfügung hatten und das Material nur leise abgespielt werden konnte, schwiegen die einzelnen Gruppen gemeinsam beim Lauschen der Stationsuntermalungen. Durch das nötige Zusammenstehen um den Guide kam man schnell in Kontakt miteinander. Es wurde sich vorgestellt, Lebensgeschichten ausgetauscht und zusammen über das Gehörte sinniert. Gar nicht so schlecht also, dass die bestellten Lautsprecher für die Elektronikgeräte erst später eintreffen würden. Wer die Konzentration nicht aufbringen konnte oder wem es schlichtweg zu anstrengend war, den leisen Worten der Guides Aufmerksamkeit zu schenken, wurde es auch nicht langweilig. Von oben auf Seligstadt blickend, gefolgt von einer Pferdekutsche für diejenigen, welche nicht allzu gut zu Fuß unterwegs sein konnten, wurde sich interessiert umgeschaut. Die Station 4 „Von Schafen, Wölfen und Schäfern in Siebenbürgen“ wurde so treffend wie auch zufällig von einer Schafherde besucht, als die Wandernden diesen Punkt erreichten. Außerdem auch von einigen Hunden. Wer sich vor diesen wilden Hunden ängstigt, sollte die Audiotour nicht alleine starten. Das Ende der Eröffnungswanderung markierte der fünfte Punkt mit dem Titel „Krieg im Idyll“. Auf dem NATO-Militärfeld Poligon kamen die Besucher an Erdlöchern vorbei, welche zur Tarnung von Panzern ausgehoben wurden. Es begann wieder zu regnen. Wir flüchteten uns unter die Bäume, aßen von den Organisatoren mitgebrachte Krapfen und stärkten uns mit Apfelsaft. Nach dem gemeinschaftlichen Imbiss ging es auf Pferdekutschen zurück nach Seligstadt. Ein hügeliger und vor allem nasser Weg. Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Projekt voller Herzblut der Organisatoren steckt. Schade ist, dass die Tour zwar unter http://audiowanderweg.seligstadt.ro heruntergeladen werden kann, das Hören aber, durch das präferierte GPS System, erst vor Ort möglich ist. Die heruntergeladene Applikation läuft nur auf Android-Smartphones, was leider ein Nachteil für Interessierte mit anderen Geräten ist. Diese können sich aber, gegen Pfand und Gebühr, Audiogiudes im Jugendzentrum Seligstadt ausleihen.

Der neue ifa-Kulturmanager Alex Nutz, welcher Medienbildung studiert hat, möchte das Projekt weiter betreuen und ausbauen. So soll z. B. das Material ins Rumänische übersetzt werden. Zu hoffen ist, dass das Projekt bekannter gemacht wird und es zukünftig auch viele Touristen nach Seligstadt verschlägt. Wanderschuhe nicht vergessen!

      Christina GRZESCHNIOK

 

Bildtext: Drei Generationen lauschen der Tonspur des Audioguides. Foto: Christina Grzeschniok

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft, Kultur.