ADZ: Inland und Lokales im Fokus

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Interview mit der ADZ-Chefredakteurin Nina May

Ausgabe Nr. 2862

Gruppenbild bei der ADZ-Jubiläumsfeier in Bukarest (v. l. n. r.): Rohtraut Wittstock, ehemalige Chefredakteurin der ADZ, Mimi Enache, ADZ-Buchhalterin und Anzeigenchefin, Dr. Peer Gebauer, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Nina May, ADZ-Chefredakteurin, Dr. Paul-Jürgen Porr, DFDR-Vorsitzender, Werner Kremm, ADZ-Redakteur und Martin Bottesch, Vorsitzender des Siebenbürgenforums.           Fotos: George DUMITRIU

75 Jahre seit der Gründung als „Neuer Weg“ feierte die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ (ADZ) Mitte März im Bukarester Goethe-Institut. Eingeladen wurden aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Vertreter der Behörden und der Unterstützer und Freunde der Zeitung. Die Gastredner erzählten über ihre Erfahrung mit der ADZ und erklärten, was ihnen die Zeitung bedeutet. ADZ-Chefredakteurin Nina May plauderte mit der HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u über die Geschichte der Zeitung und über die täglichen Herausforderungen. Wir wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen von der ADZ alles Gute zum 75. Jubiläum!

Zunächst möchte ich Sie bitten, die ADZ vorzustellen und zur Geschichte der Zeitung ein paar Worte zu sagen.

Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) ist die historische Zeitung der deutschen Minderheit in Rumänien. Sie wurde 1949 unter dem Namen Neuer Weg von den staatlichen Organen gegründet, mit dem Ziel, der deutschen Minderheit die kommunistische Ideologie näherzubringen. Tatsächlich gelang es stattdessen, trotz Pflichtpropaganda und Zensur, aus der Zeitung ein vereinendes Element für die verschiedenen Gruppen der deutschen Minderheit in Rumänien zu machen. Nach der Revolution von 1989, als die Massenauswanderung der Deutschen aus Rumänien einsetzte, sah sich die Zeitung mit einem dramatischen Verlust an Lesern und Mitarbeitern konfrontiert. Auf dem freien Markt konnte sie sich nicht behaupten, auch nicht mit neuem Konzept und neuem Namen – 1993 wurde sie in Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) umbenannt. Die ADZ wurde stets vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), finanziell unterstützt; seit 2008 ist das DFDR Herausgeber der ADZ.


Von Dienstag bis Samstag im Postfach: die ADZ.
Foto: Ruxandra STĂNESCU

Inzwischen hat sich das Leserspektrum weit über die Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien hinaus ausgeweitet: Sie wird gelesen von ausgewanderten und im Land lebenden Deutschen, von Einwanderern und Entsandten aus dem deutschsprachigen Raum, von Rumänienbegeisterten in und aus aller Welt und von deutschsprechenden, deutschlernenden Rumänen, kurzum richtet sie sich an alle, die in deutscher Sprache über Rumänien lesen wollen. Sie ist aber auch für Wissenschaftler interessant, die sich mit der Sprache und Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien befassen. Es gibt eine Hauptredaktion in Bukarest und kleine Lokalredaktionen in Temeswar, Kronstadt, Hermannstadt, sowie Korrespondenten in Sathmar.

Inhaltlich veröffentlicht die ADZ Berichte über die aktuellen Tagesgeschehnisse in Rumänien, Nachrichten aus den klassischen Gebieten der deutschen Minderheit, zudem gehören Kommentare, Berichte und Reportagen aus dem ganzen Land zum Repertoire. Wöchentliche Sonderseiten sind den Rubriken wie Kinder, Jugend, Tourismus, Brennpunkt, Ratgeber, Reportage, Porträt, Wochenende gewidmet. Wöchentlich erscheinen zwei Lokalbeilagen: die Banater Zeitung aus Temeswar und die Karpatenrundschau aus Kronstadt; beide waren früher eigenständige Zeitungen. Ergänzend zur Eigenberichterstattung verwendet die ADZ Informationen von Nachrichtenagenturen wie news.ro und dpa, vor allem zu den Themen, die wir selbst nicht abdecken können, etwa Ausland, Weltwirtschaft, Klimawandel etc.

Einmal im Jahr bringt die ADZ ein „Deutsches Jahrbuch“ heraus, das sich im Wesentlichen mit Themen der deutschen Minderheit in Rumänien befasst. Alle zwei bis drei Jahre erscheint der ADZ-Reiseführer „Komm mit durch Rumänien“.

Die Zeitung wird vor allem über Abonnements vertrieben. Der frühe Redaktionsschluss (14 Uhr) erklärt sich damit, dass die Zeitung ins ganze Land versandt und ausgetragen werden muss. Möglich ist auch ein ergänzendes elektronisches PDF-Abo.

Sie haben die ADZ vorgestellt, jetzt muss ich Sie bitten, sich selbst auch vorzustellen.

Ich bin in Österreich geboren, habe aber den größten Teil meiner Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht, an verschiedenen Orten, die längste Zeit davon im Raum München, wo ich auch studiert habe (LMU). Ein Jahr habe ich in den USA verbracht. Seit 2008 lebe ich dauerhaft in Rumänien. Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Wurzeln geschlagen, bin hier auch verheiratet. Von der Ausbildung her bin ich Physikerin, habe auch langjährig als solche gearbeitet – zum Journalismus kam ich erst in Rumänien und dies auch eher überraschend, obwohl ich mein Leben lang gerne geschrieben und auch veröffentlicht habe. Dass diese zweite Hälfte meines Lebens so völlig anders verläuft als die erste, ist für mich kein Bruch, sondern ein besonderes Geschenk: Man entwickelt sich weiter und möchte dann auch andere Dinge erleben, andere Schwerpunkte setzen, ohne dass das, was vorher war, schlechter gewesen wäre. Ein völlig geradliniges Leben kann ich mir nicht vorstellen, ich bin glücklich, meinen Horizont ständig erweitern zu dürfen. Auch das ist der Vorteil des Journalismus-Berufs: Man entdeckt ständig neue Themen, trifft neue Menschen, erlebt Vielfalt, erweitert den Horizont.

Persönlich ist mir in meinem jetzigen Leben die Nähe zur Natur wichtiger als je zuvor, das einfache Landleben, der direkte Bezug zu den Produkten der Natur, die Nachhaltigkeit – deshalb leben wir auf dem Land und ich pendele täglich mit Zug und Tretroller nach Bukarest. Zwei parallele Leben.

Nina May.

Welche sind die Herausforderungen für Sie, als Chefredakteurin?

Die Herausforderungen als Chefredakteurin sind ganz andere als bisher als Redakteurin der ADZ seit 2011. Meine eigentliche Leidenschaft ist das Schreiben – dazu ist jetzt weniger Zeit, aber ich werde es sicher nie aufgeben. Auch die Themen haben sich verschoben – früher bin ich mehr gereist, habe mehr von unterwegs und auch viel zu Tourismus berichtet. Jetzt erfordert die Gestaltung und Koordination der Zeitung mehr Aufmerksamkeit, das Verteilen von Themen und Aufgaben, das Eingehen von Kooperationen mit anderen Institutionen, das Repräsentieren und Vortragen, die Kommunikation nach außen. Es ist durchaus spannend, eine kleine Zeitung zu leiten, alle ihre Aspekte zu kennen, die Mitarbeiter herauszufordern und zu erfahren, wer welche Stärken, Zugänge oder Lieblingsthemen hat. Ganz besonders freut mich, dass ich an einigen jüngeren Redakteuren beobachte, dass sie regelrecht abheben, sich entfalten – wie Schmetterlinge! Dass von einigen immer mehr Ideen kommen, etwa zur Zusammenarbeit mit Schulen, dass auch ungewöhnliche Themen vorgeschlagen werden. Da geht mir das Herz auf, denn so habe auch ich meinen Weg im Journalismus empfunden: als freien Höhenflug, ständig Neues im Visier, immer etwas zu entdecken.

Herausforderungen sind: das Personal – wir hatten lange Zeiten mit unbesetzten Stellen, zuerst in Hermannstadt, dann in Bukarest. Es wird, wenn eine Stelle unbesetzt ist, nicht nur eng mit Urlaubmachen, sondern auch mit Fachkompetenz. Ein Beispiel: Die Inlandsnachrichten kann nicht jeder schreiben, dafür braucht man mehr als nur ein hervorragendes Deutsch, sondern auch das richtige Fachvokabular, aber auch Hintergrundwissen, inhaltliche Kompetenz, idealerweise machen die hierfür verantwortlichen Redakteure nichts anderes. Diese glückliche Situation haben wir jetzt, wofür ich sehr dankbar bin, aber wenn jemand ausfällt oder länger Urlaub macht, ist das deutlich schwieriger.

Weitere Herausforderungen sind Druckerei und Post: Der Druck wird immer teurer und schlechter, die Verteilung mit der Post immer schwieriger. Das elektronische PDF als Zusatz zum Abo der gedruckten Zeitung löst einen Teil der Probleme. Es gibt aber immer noch genug Leser, die einfach nur die gedruckte Zeitung wollen – und zwar täglich und pünktlich, denn das ist der Sinn einer Tageszeitung.

Welche ist die meistgelesene Rubrik?

Bei der Umfrage 2021 haben die Seiten Inland und Lokales am besten abgeschnitten, sich auf Deutsch aktuell über Rumänien zu informieren eint sozusagen die ansonsten sehr breite Leserschaft.   Positives Feedback – sprich Zuschriften – bekommt man auch häufig zu Überland-Reportagen, Dorf- und Reiseberichten, fern von ausgetretenen Wegen, zu Themen der deutschen Minderheit, etc. Was mich besonders freut: dass auch längere Artikel gelesen werden. Erst unlängst habe ich nach einem ausführlichen Artikel zum Thema Fake News und Hassrede in den Medien von einer Germanistik-Dozentin an der Bukarester Uni erfahren, dass sie diesen für den Unterricht genutzt hat. Sie hat mich dann für eine Online-Konferenz mit ihren Studenten eingeladen, die sich damit auf ein Seminar in Deutschland vorbereitet haben. Solche Dinge passieren immer öfter und ich finde diese Art der Vernetzung sehr wichtig. Wir sollten noch mehr mit Schulen und Universitäten zusammenarbeiten. Womit wir beim Thema Zukunftspläne wären. Die Jugend stärker ansprechen und ihr eine Plattform bieten. Sie informieren – korrekt und verlässlich, aber auch über Stipendien und Bildungsprogramme berichten, wie etwa das Bundestagsstipendium der deutschen Botschaft, das eine großartige Bildungs- und Entwicklungschance für deutschsprechende junge Leute aus Rumänien darstellt.

Ich freue mich besonders, dass wir derzeit gerade einen jungen Rumänen redaktionell begleiten, der ein solches Praktikum in Deutschland absolviert. Ein junger Mann, der sich an die ADZ gewandt hat, weil er Rat für seine Studienarbeit auf Deutsch suchte, seither sind wir in Kontakt und ich habe ihn auch ermutigt, sich zu bewerben. Solche Synergien sollten wir öfter eingehen, junge Leute beraten und fördern.

Wie wichtig ist es heutzutage, eine online-Ausgabe zu haben?

Sicher ist die Online-Plattform der Zeitung extrem wichtig – denn man kann die ADZ ja nicht am Kiosk kaufen, wer also kein Abo möchte und nicht täglich liest, ist auf ADZ-Online angewiesen. Auch für den Bekanntheitsgrad der Zeitung und als Medium, das über die deutsche Minderheit in Rumänien bzw. über Rumänien als Land berichtet, ist die Online-Ausgabe wichtig – und auch als durchsuchbares Archiv. Dennoch ist sie – weil gratis – auch Konkurrenz zur Zeitung. Andererseits ist sie nicht identisch mit der gedruckten Tageszeitung. Die Seite zur Auslandspolitik oder die Wochenendseite mit Humor, Wortspielen und Rätseln etwa gibt es nicht online. Wer sich aber täglich umfassend auf Deutsch informieren möchte oder seinen Wortschatz möglichst breit trainieren, profitiert vom vollen Zeitungsangebot sicher mehr.

Wie schwierig ist es, Minderheitenpresse zu machen?

Es mag manchen als Handicap erscheinen, dass ich kein „echtes” Mitglied der deutschen Minderheit in Rumänien bin. Aber aus meiner Sicht ist die „Formel” hierfür nicht allzu schwierig und ich habe sehr viele Kontakte, die mir indirekt helfen, mit Diskussionen, Feedback, Ideen, Lob, Kritik und Rat. Die Minderheit möchte sich wiederfinden in der Zeitung, also ist es wichtig, Kontakte zu pflegen, sowohl über Brauchtum als auch moderne Fragestellungen zu berichten, an historische Lektionen zu erinnern, eine Plattform zur Pflege der Gemeinschaft zu bieten, die Hiergebliebenen sowie die Ausgewanderten anzusprechen, so manche Diskussionen anzuregen und auf spezifische Minderheitenprobleme einzugehen. Damit wird die deutsche Minderheit auch für andere sichtbar, eine Doppelaufgabe also.

Wir lassen Mitglieder der deutschen Minderheit in Interviews oder auf Jugendseiten über Nachwuchsprobleme, Jugendarbeit, Bildungsherausforderungen etc. zu Wort kommen. Das Thema ist und wird immer ein Schwerpunkt der ADZ sein. Es interessiert aber – laut Umfrage – auch andere, die nicht selbst Teil der Minderheit sind.

Ich versuche, diese Aufgabe mit bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Dass man es nicht immer allen recht machen kann, ist aber auch klar.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Veröffentlicht in Medien, Aktuelle Ausgabe.