Die Hahn-Orgel in Großau wurde nach eingehender Restaurierung wiedereingeweiht
Ausgabe Nr. 2829
„In Siebenbürgen haben wir schon immer MULTIKULTI gelebt. In unserem Dorf Großau leben Menschen, die rumänisch, siebenbürgisch-sächsisch, landlerisch, ungarisch gesprochen haben und noch sprechen. Meine ganz persönliche Erfahrung in Rumänien – es war ein gutes Miteinander“. Dieses Zitat aus einem Zeitzeugenbericht der Großauerin Anna Ramsauer verlas Konsulin Kerstin Ursula Jahn in ihrem Grußwort im Anschluss an den Festgottesdienst zu den Großauer Festtagen am Sonntag.
Das reichhaltige und abwechslungsreiche Programm der Festtage stand unter dem Motto ,,Es ist uns gegeben zum Erhalten & Bewahren – denn Zukunft braucht Erinnerung“. Zwischen Erinnerung und Zukunft wurde dabei der 800 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Großau, damals als ,,Insula Christiani“ gedacht. Am Samstag tauchten die Anwesenden zunächst in die Vergangenheit ein. Unter dem Titel ,,800 Jahre Großau – Eckdaten und Zäsuren“ stand der Vortrag von Franz Stangl, Kustos des Grazer Universitätsmuseums.
,,Vor fast auf den Tag genau 289 Jahren erreichte eine neue Siedlergruppe Großau“ so begann Martin Bottesch im Anschluss seinen Vortrag mit dem Titel „Am 20. August 1734 kamen sie in Großau an“ über die Ansiedlung der später als Landler bekannten Protestanten in Siebenbürgen und insbesondere in Großau. Er schlussfolgerte: ,,Die Gemeinschaften der Sachsen und Landler sind im Laufe der Zeit durch viele Mischehen zusammengewachsen, so dass heute wohl kaum ein Großauer, Großpolder oder Neppendorfer von sich behaupten kann, nur landlerische oder nur sächsische Vorfahren zu haben. Dass sich dennoch zwei Gruppen mit eigenem Identitätsbewusstsein erhalten konnten, ist eine interessante Tatsache und macht die Geschichte spannend. Sie lehrt aber auch etwas über das Zusammenleben von Gemeinschaften: So lange jede Seite die andere achtet und die Regeln, die sich herausgebildet haben, einhält, herrscht Frieden und man kommt gut miteinander aus. Erfolgt eine Änderung, so dass eine Seite sich bedroht fühlt, treten Spannungen auf. Dass diese manchmal nur durch Kompromiss beseitigt werden können, lehrt die Geschichte der Sachsen und Landler ebenfalls.
Mit Blick auf Gegenwart und Zukunft kann man fragen, ob nun alles vorbei ist, ob bald alles vergessen sein wird? Nun, wie es einmal war, wird es nicht wieder. Die Zeit geht weiter, aber nicht alles ist weg. Alle, die aus diesen drei Gemeinden kommen, wurden durch das Leben darin geprägt. Die Prägung hält ein Leben lang und sicher wird auch einiges an die Nachkommen weitergegeben. Die Geschichte der Landler bleibt ein Teil der siebenbürgischen und der österreichischen Geschichte.“
Die Anwesenheit der Botschafterin der Republik Österreich, I. E. Adelheid Folie zeugte davon.
Musikalisch umrahmt wurde der Samstagnachmittag von dem Instrumental- und Vokalensemble ,,Insula Christiana“ – Farah Grennerth-Zeck (Cello), Maya Ghisoiu (Violine), Liana Grennerth-Zeck (Klavier) und den Sängerinnen und Sängern Dagmar und Johann Gross, Hannelore und Siegfried Krempels, Felicia und Gabriel Ghisoiu, Andrea Kulin, Angelika Meltzer, Dieter Grennerth-Zeck und Dagmar Baatz. Aus Bad Goisern angereist war das Vokalquartett ,,ReGeHeGe“.
Nach der offenen Gesprächsrunde mit Vertretern der evangelischen Kirchengemeinde Großau und der Heimatortsgemeinschaft Großau e. V. folgte ein erster Höhepunkt: Die Präsentation der Restaurierung der Großauer Barock-Orgel, im Dialog zwischen Musikwart Jürg Leutert, der das Projekt von A bis Z begleitet hat, und Orgelbauer Árpád Magyar, dem Geschäftsführer der Honigberger Orgelbauwerkstatt COT. Die Anwesenden erfuhren, dass die 1775 von Johannes Hahn gebaute Orgel im Herbst 2022 und Frühling 2023 durch die Firma COT wieder aufgebaut worden ist, nachdem die Kirche innen und außen aufgefrischt wurde und das Werk in der Werkstatt in Honigberg restauriert wurde. Dazu gehört die Gehäuserestaurierung und die Rekonstruktion der originalen Farbgebung. Die Restaurierung umfasst zahlreiche Anpassungen an den Originalzustand. Dazu gehört der Neubau des vierregistrigen Pedal des Dispositionsvorschlages, wie es von Orgelbauer Johann Hahn sen. für die neue Orgel in Großau 1769 vorgeschlagen wurde. Die Orgel blieb jedoch bis 1969 pedallos. Der von Johannes Hahn handschriftlich verfasste Kostenvoranschlag mit mehreren Dispositionsvarianten wurde von Steffen Schlandt im Siebenbürbürgischen Museum in Gundelsheim rechtzeitig aufgespürt, als er im Nachlass von Franz Xaver Dressler forschte.
Immer und immer wieder ließ Jürg Leutert die Orgel erklingen und zog dabei regelrecht alle Register. Die Orgel stand auch im Mittelpunkt des Festgottesdienstes am Sonntag, in dem sie und die renovierte Kirche wiedereingeweiht wurden durch Bischof Reinhart Guib, Dechant Dietrich Galter und Pfarrerin Sandra Niewmann von der Partnergemeinde Goßfelden-Sarnau.
Bischof Guib ließ während seiner Predigt die versammelte Gemeinde nach je einer Passage eine Strophe des Chorals ,,Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ singen. Vor jeder der fünf Strophen stimmte Leutert jeweils mit Variationen darauf ein. Beim Singen dieses Chorals werden die Anwesenden gespürt haben, wem die Ehre tatsächlich gebührt, wenn es darum geht, wie in Großau, 800 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes – die übrigens in der gleichen Urkunde erfolgte wie die der Michelsberger Burg – zu feiern, mit Orgel- und Kircheneinweihung.
Bischof Guib bezeichnete das Fest in Großau, in einer ,,Gemeinde, die wächst“, da hier 50 Personen sich als Zweitmitglieder eingetragen haben, als ,,Höhepunkt dieses siebenbürgischen Sommers“, in dem neun Wiedereinweihungen von Kirchen und Kirchenburgen in der EKR begangen werden konnten, ,,eine rekordverdächtige“ Zahl.
Im Anschluss an den Festgottesdienst sprachen Österreichs Botschafterin Adelheid Folie, die Deutsche Konsulin Kerstin Ursula Jahn und der Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni, Grußworte. Alle beglückwünschten die Veranstalter, die evangelische Kirchengemeinde Großau, die Heimatgemeinschaft Großau und den Verein zur Unterstützung der evangelischen Kirche Großau aufs Herzlichste.
Den Glückwünschen können sich wohl alle anschließen, die am vergangenen Wochenende in Großau dabei waren.
Beatrice UNGAR