Online-Gespräch über das Schicksal der deutschen Minderheit in Rumänien
Ausgabe Nr. 2687
Theater, Filme und Konzerte gibt es seit Beginn der Covid 19-Pandemie online live zu sehen. Die Organisatoren des Rosenauer Film- und Geschichte(n)-Festivals „Film și istorii Râșnov“, das vom 21. bis 30. August stattfindet, haben sich etwas Neues einfallen lassen. Sie schalteten auch höchstinteressante Gespräche online. So geschehen am Samstag, dem 22. August, als auf der Facebook-Seite des Festivals die Debatte „Deutsche in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg“ live mitzuverfolgen war. Unter der Moderation von Cosmin Budeancă, Forscher bei der Kulturstiftung „Memoria“ in Bukarest, sprachen Hannelore Baier, Journalistin und Historikerin aus Hermannstadt, Remus Gabriel Anghel, Forscher am Institut für die Erforschung der nationalen Minderheiten in Klausenburg und Ottmar Trașcă vom Klausenburger Institut für Geschichte „George Barițiu“.
Interessierte können sich das Gespräch zu jeder Zeit auf der Facebookseite https://www.facebook.com/filmsiistoriiras nov/videos/331939954654851 ansehen.
Eine kurze Einführung in die Geschichte der Siebenbürger Sachsen zu Beginn der 1940-er Jahre bot der Historiker Ottmar Trașcă. Etwa 70.000 Angehörige der deutschen Minderheit aus ganz Rumänien zogen während des Zweiten Weltkriegs in die Waffen-SS und in die Wehrmacht ein. Es folgte die Zwangsverschleppung in die Sowjetunion, was 1945 zur Halbierung der deutschen Minderheit in Rumänien führte.
Hannelore Baier übernahm das Wort und erzählte vom Trauma der in die Sowjetunion Deportierten, die in Viehwaggons ins Donezbecken zur Zwangsarbeit in Kohlgruben und in den Eisenbau transportiert wurden. Die Maßnahme war Teil der Denazifizierung nach Kriegsende. Frauen zwischen 18 und 30 Jahren und Männer zwischen 17 und 45 Jahren wurden deportiert, etwa 69.000 insgesamt. Die Deportation in die Sowjetunion war einer der Gründe für die Massenauswanderung der deutschen Minderheit nach 1990.
Ein zweiter sehr wichtiger Grund sei, laut Remus Gabriel Anghel, die Enteignung, die in den 1950-er Jahren stattgefunden hat. 93 Prozent der Rumäniendeutschen wurden enteignet. Boden, Vieh, aber auch die Häuser und Höfe kamen in den Besitz des rumänischen Staats. Das veranlasste viele Dorfbewohner dazu, in die Städte zu ziehen, technische Berufe zu erlernen. Auch Mischehen, die vor dem Krieg kaum vorhanden waren, wurden immer häufiger.
Ein weiterer Faktor für die Migration der deutschen Minderheit sei, laut Hannelore Baier, „die fehlende Integration in die rumänische Gesellschaft“. Außerdem begann in den 1960-er Jahren der Freikauf der Rumäniendeutschen, während dessen zwischen 1967 und 1989 insgesamt 226.654 Menschen in die Bundesrepublik Deutschland auswanderten.
„Die Massenmigration konnte nur mit der Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland geschehen. Es war keine gewöhnliche Auswanderung in den 1990-er Jahren. Das lag daran, dass die Bundesrepublik Deutschland allen Auswanderern finanzielle Unterstützung bot“, sagte Ottmar Trașcă. 300.000 Rumäniendeutsche sind von 1990 bis 1993 aus Rumänien ausgewandert.
Auf die Frage nach der Zukunft der deutschen Minderheit in Rumänien antwortete Hannelore Baier: „Es gibt keine Minderheit mehr, sondern eher eine Gemeinschaft von Menschen, die sich mit der deutschen Sprache und Kultur identifizieren. Nach 1990 wurden sehr wenige deutsche Schulen geschlossen. In vielen Städten wird noch Deutsch gesprochen. So wie es andere Gemeinschaften in Rumänien gibt, wird auch die deutsche Gemeinschaft überleben, eine Gemeinschaft, die mehr kulturell als ethnisch bestimmt sein wird.“
Das gesamte Gespräch, sowie andere interessante Dialoge und Debatten zu geschichtlichen Themen können jederzeit auf Youtube und Facebook auf der Seite des Festivals „Film și istorii Râșnov“ verfolgt werden.
Cynthia PINTER