Ausstellung über Siebenbürger Sachsen in sowjetischen Arbeitslagern 1945-1949
Ausgabe Nr. 2687
Eine Ausstellung zur Russlanddeportation der Siebenbürger Sachsen hat das Siebenbürgische Museum in Zusammenarbeit mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e. V. und gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellt. 75 Jahre nach Beginn der Verschleppung nimmt die Ausstellung unter dem Titel „Skoro damoi! Hoffnung und Verzweiflung. Siebenbürger Sachsen in sowjetischen Arbeitslagern 1945 –1949“ auf drei Ebenen das subjektive Erleben, die historischen Fakten sowie überlieferte Objekte und Fotografien in den Blick.
Die Ausstellung wird ab dem 5. September d. J. einen Monat lang in Dinkelsbühl gezeigt, bevor sie ab dem 7. November für ein halbes Jahr in Gundelsheim am Neckar zu sehen ist.
Im Folgenden drucken wir mit freundlicher Genehmigung der Kuratorin Dr. Irmgard Sedler ihren Begleittext zur Ausstellung ab.
„Die russischen Frauen, wenn [sie] uns unterwegs begegneten und Mitleid mit uns hatten, sagten uns immer wieder ‚Scoro‘, bald könnt ihr wieder heim. […] An allen Enden, oft durch Fantasie, kamen diese Nachrichten zustande vom baldigen Heimfahren […] aber die Hoffnung stärkte uns zum Kämpfen gegen den Hunger, Krankheit und Heimweh. […] Am Abend holte ich mein Gesangbuch raus …“ berichtet die ehemalige Russlanddeportierte Theresia Klusch (Großpold/Lager Ceasow Jar).
Das „Skoro damoi“, die stetig wiederkehrende Aussage von der baldigen Heimkehr der aus Siebenbürgen in die russischen Arbeitslager Verschleppten, verdichtete sich in den Lagergemeinschaften im Donbass, im Ural und in Sibirien anfangs zur Chiffre von kräftemobilisierender und lebenstragender Hoffnung, um später, als propagandistisches Heimkehrgerücht entlarvt, zum Ausdruck von Enttäuschung, Resignation, gar Verzweiflung zu gerinnen.
Mit diesem Titel aus der Sphäre des Emotionalen verweist die Ausstellung auf einen Hauptaspekt im Kontext der drei wichtigen Präsentationsebenen – das subjektiv erlebte Deportationsgeschehen, wie es dem Besucher aus original erhaltenen Tagebüchern, aus dem Nachvollzug in der Erinnerung in Interviews, aus zahlreichen Briefinhalten und Fotografien aus den Lagern in musealer Aufarbeitung entgegentritt.
Den Leitfaden stellen hierbei auf einer zweiten Präsentationsebene die historischen Fakten. Das sind die Ereignisse in ihrem chronologischen Ablauf rund um die Verschleppung siebenbürgisch-sächsischer Männer und Frauen in die Arbeitslager der Sowjetunion im Zusammenhang mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Sie sind eingebettet in die wirtschaftlich-politischen Lebensbedingungen in der russischen Nachkriegsgesellschaft, die ihrerseits geprägt war von den Kriegszerstörungen durch die deutsche Truppeninvasion, von den Stalinistischen Säuberungen und der bolschewistischen Misswirtschaft mit ihren massiven Hungersnöten und Repressalien.
Die Aushebung und Zwangsverschleppung der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945-1949 war Teil von viel umfangreicheren russischen Kriegsreparationsmaßnahmen, die die gesamte Bevölkerung deutscher Volkszugehörigkeit aus den fünf osteuropäischen Staaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter russische Militärkontrolle geraten waren, im Blick hatte. Aufgrund des Beschlusses des Staatskomitees für Verteidigung der UdSSR vom 15. Dezember 1944 und des Geheimbefehls 7161 wurde „die Mobilisierung und Internierung aller arbeitsfähigen Deutschen – Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen von 18 bis 30 Jahren -, die sich auf den von der Roten Armee befreiten Territorien Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der Tschechoslowakei befinden, sowie deren Verbringung zur Arbeit in die UdSSR“ angeordnet und vollzogen.
Ca. 70.000 rumänische Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit wurden ab dem 13. Januar 1945 in die Arbeitslager der Bergwerkregionen im Donezbecken, des Ural und Westsibiriens verschleppt, darunter über 30.000 Sachsen, wovon etwa 12 Prozent dem Hunger- und Erschöpfungstod zum Opfer fielen.
Eine dritte Ebene gewährt dem Besucher anhand ca. 100 geschichte(n)beladenen Objekten und Fotografien den materialkulturellen Zugang zum damaligen Geschehen. Diese Gegenstände legen Zeugnis ab von den dramatischen Umständen der Aushebung, des menschenunwürdigen Transports in Viehwaggons im Winter, von den demütigenden Ritualen der Entlausung, der körperlichen Bestrafung in den Lagern; von Hunger, Diebstahl und Verrat, aber auch von Freundschaften und menschlicher Hilfe unter den Bedingungen eines Lagerlebens an der Grenze der existentiellen Bedrohung.
Sie zeichnen ein erschütterndes Bild vom Arbeitsleben und den vielen tödlichen Unfällen in den Kohlegruben, Eisenhütten und am Bau und offenbaren ein oft emotionales Bild von der russischen Zivilbevölkerung, den Erkenntniswegen, die das Stereotyp vom „schlechten Russen“ auf vielfältige Weise widerlegen und die „Schicksalsgemeinschaft mit diesem geknechteten Volk“ (P. Sch., Alzen/Lager Enakievo 1) heraufbeschwören.
Sie bezeugen den allgegenwärtigen Tod, aber auch das Bedürfnis junger Menschen nach Zuneigung und Liebe, nach Kultur und kreativer Betätigung – „ein bisschen Kunst, um zu überleben.“ (Peter R., Hermannstadt/Enakievo).
Schließlich dokumentieren sie die Heimkehr nach Siebenbürgen und die „Verstreuung der Heimkehrer in Deutschland, Österreich, Kanada…“ (Mathilde Sch., Haschagen) sowie die Integration der Rückkehrer in die kommunistische Gesellschaft Rumäniens nach 1949.
Irmgard SEDLER