Ausgabe Nr. 2440
Wanderausstellung „Dürer nach Dürer" bis Ende August im Brukenthalpalais
Albrecht Dürer (1471-1528), sei ein „Künstler der Superlative" gewesen, schwärmte der private Kunstsammler Thomas Emmerling bei der Vernissage der Sonderausstellung „Dürer nach Dürer" am Dienstag im Brukenthalpalais in Hermannstadt. Die Wanderausstellung war zunächst vom 26. März bis 7. Juni im Klausenburger Ethnografischen Museum zu sehen und ist in Hermannstadt bis zum 30. August zu besichtigen.
Als der gebürtige Nürnberger Thomas Emmerling 1971 – dem Jahr des 500. Geburtstagsjubiläums von Albrecht Dürer – zur Schule ging, „drehte sich alles um Dürer". Die Veranstaltungen hätten bei ihm die Faszination für die Kunst geweckt. Er wünschte den bei der Vernissage Anwesenden, sie mögen sich von Albrecht Dürer faszinieren lassen. Schließlich habe es der „Weltkünstler" Dürer verstanden, die Zeit zu überbrücken zwischen der Gotik und der Renaissance sowie den Raum zwischen Nord- und Südeuropa. Von Dürer ist das erste Tagebuch eines Künstlers überliefert worden und seine Frau Agnes war die erste überlieferte Kunsthändlerin. Dürer und sein Werk bezeugten laut Emmerling auch die Tatsache, dass die Graphik in Zeiten starker Veränderungen eine Blütezeit erlebe. So könne man das 16. Jahrhundert getrost als „Dürer-Zeit" bezeichnen, angefangen von den „großen geografischen Entdeckungen" bis hin zu den wissenschaftlichen Veränderungen, die von dem aufkommenden Humanismus über die Reformation bis hin zur Aufklärung führten. „Auch wir leben heute in einer Zeit großer Veränderungen. Die wichtigste Veränderung, die auch zu Dürers Zeiten im Mittelpunkt stand, ist, dass die Eigenverantwortlichkeit des Menschen immer mehr an Bedeutung gewinnt", sagte Emmerling.
Mit dieser Ausstellung wolle er sozusagen auch aus familiären Gründen – die Wurzeln seiner Familie liegen im nordsiebenbürgischen Lechnitz/Lechința – einem breiten Publikum zeigen, wie stark Siebenbürgen und Westeuropa im 16. Jahrhundert miteinander verbunden waren, betonte Emmerling, der dem Brukenthalmuseum im Vorjahr die Ausstellung mit Illustrationen von Salvador Dali zu Dantes „Göttlicher Komödie" vermittelt hatte. Die Ausstellung war ein regelrechter Publikumsmagnet, was auch der Dürer-Ausstellung zu wünschen ist.
Emmerling dankte dem Generaldirektor Prof. Dr. Sabin Adrian Luca und dessen Team, die es verstanden hätten, die Ausstellung „in einer äußerst harmonischen Art zusammenzustellen". Den 111 Nachdrucken, darunter auch die Meisterwerke Dürers – „Adam und Eva", „Ritter, Tod und Teufel", „Hieronymus im Gehäus", um nur einige zu nennen – sind Gemälde und Bücher aus den Beständen des Brukenthalmuseums zur Seite gestellt. Wie eine der beiden Kuratoren der Ausstellung, Maria Ordean, bedauernd feststellte, habe Baron Samuel von Brukenthal Zeit seines Lebens gedacht, er habe echte Dürer-Werke für seine Sammlung gekauft. Inzwischen haben Fachleute herausgefunden, dass sich Brukenthal geirrt hatte. Allerdings befindet sich im Besitz der Brukenthalbibliothek ein Exemplar der ersten Ausgabe der „Vier Bücher von menschlicher Proportion“ (1528) durch die Dürers anthropometrische Lehre bekannt wurde. Das Buch ist in der Ausstellung zu sehen. Desgleichen auch eine Nachahmung von Dürers „Rhinozeros", die auf einer von dem Hermannstädter Silber- und Goldschmied Sebastian Hann gefertigten Schatulle zu sehen ist. Und schließlich dürften die Gegenüberstellungen von Dürers Werken und Reproduktionen der Bilder des vorreformatorischen Flügelaltars aus der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt die Aufmerksamkeit auf eine mögliche Verbindung zwischen Dürer und Siebenbürgen lenken. Hier ist Forschungsbedarf angesagt, stellte auch der andere Kurator, der stellvertretende Direktor des Brukenthalmuseums, Alexandru Sonoc, fest.
„Dürer nach Dürer" ist eigentlich Georges Duplessis (1834-1899), dem damaligen Chefs des Stichekabinetts der Französischen Nationalbibliothek zu verdanken, der feststellte, dass die Originaldrucke von Albrecht Dürer sich nach und nach auflösten. Das lag an dem Papier, das zu Dürers Zeiten aus Wasser, Holz und Honig geschöpft worden war und Ende des 19. Jahrhunderts, also nach knapp 300 Jahren einem unumkehrbaren Zersetzungsprozess ausgesetzt war. Die französische Regierung beauftragte Duplessis, eine Lösung zu finden. Er fand sie in der Person des Kupferstechers Charles-Amand Durand (1831-1905). Dieser stellte in der Technik der Heliogravur Nachdrucke der wertvollen Originale her, die man auch Faksimile nennen könnte. 1877 wurden diese Nachdrucke in Buchform in einer den Meistern des europäischen Kupferstichs gewidmeten Reihe einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Den Text dazu verfasste Duplessis.
Beatrice UNGAR
Foto 1: Bei der Vernissage am Dienstag in den Räumen im ersten Stock des Brukenthalpalais (v. l. n. r.): Alexandru Sonoc, Sabin Adrian Luca, Thomas Emmerling und Maria Ordean.
Foto 2: Gegenüberstellung: Der Nachdruck nach Albrecht Dürers Kupferstich „Die Geisselung Christi" aus der Folge „Die Kleine Kupferstichpassion" von 1512 (links) und die Reproduktion der Szene von der Geißelung Christi, wie sie der anonyme Maler des vorreformatorischen Flügelaltars 1519 in der damals katholischen und heute evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt nach Dürers Werk gemalt hat. Die Gegenüberstellung zeugt von der überraschend raschen Verbreitung von Dürers Kupferstichen. Der Flügelaltar wurde 1720 in die Ursulinenkirche verlegt, kam dann in die (1868 abgerissene) Elisabethkirche und bis zur Restaurierung in die Ferula.
Fotos: Fred NUSS