Ausgabe Nr. 2440
Hans Bergel feiert am 26. Juli seinen 90. Geburtstag
Hans Bergel wird am 26. Juli d. J. 90. Wer ihn sieht und erlebt, dem fällt es schwer, das zu glauben. Der Geist hellwach, die Formulierungen druckreif: Der Schriftsteller hat eben die Neuauflage seiner drei großen Romane begleitet und arbeitet bereits an seinem nächsten Buch.
Hans Bergel wurde 1925 im siebenbürgischen Rosenau/Râșnov bei Kronstadt/Braşov (Rumänien) geboren. Seine frühen Jahre waren geprägt von humanistischer Bildung und vom gelebten Neben- und Miteinander im multikulturellen Südosteuropa. Hans Bergel war später Partisan, Lehrer, Leistungssportler und Orchestermusiker. Immer wieder geriet er in Konflikte mit der Staatsgewalt. Schon zweimal war er verhaftet worden, als er 1959 im „Kronstädter Schriftstellerprozess“ zusammen mit Wolf von Aichelburg, Andreas Birkner, Georg Scherg und Harald Siegmund zu insgesamt 95 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt wurde.
Es folgten Jahre in Gefängnissen und rumänischen Gulags. Vier Jahre nach der Entlassung gelingt 1968 die von Günter Grass beförderte Ausreise Bergels in die Bundesrepublik. Er lässt sich in der Nähe von München nieder, wo er bis heute lebt, und wird Redakteur beim Bayerischen Rundfunk sowie Schriftleiter der Siebenbürgischen Zeitung. Information und Aufklärung über die Realität in den sozialistischen und kommunistischen Regimes in Südosteuropa standen neben dem strikten Einsatz für die Menschenrechte im Zentrum seines publizistischen und politischen Engagements.
In seinem schriftstellerischen Werk – neben Erzählungen und Romanen auch zahlreiche Gedichte und Essays – greift Bergel Lebensthemen auf, die ihn schon in frühen Jahren beschäftigt haben: Heimatverlust, Exilerfahrung und der daraus resultierende Status als Grenzgänger zwischen den Kulturen. Mit sprachlicher Brillanz verwandelt er Erfahrenes und Erlebtes in große Literatur. Sein südosteuropäischer Blickwinkel erhellt dabei Aspekte, die von deutschen Autoren zumeist übersehen werden. Zentral sind für Bergel stets die Freundschaft und die Menschlichkeit, die alles überstehen – auch das eine gelebte Erfahrung.
Fulminant zeigen sich Bergels Epik und Sprachgewalt in den drei großen Romanen „Der Tanz in Ketten" (1977), „Wenn die Adler kommen" (1996) und „Die Wiederkehr der Wölfe" (2006). Alle drei Romane waren zuletzt vergriffen und sind jetzt von der Edition Noack & Block neu aufgelegt worden.
Am 10. September 2015 findet der Festakt „Hans Bergel zum 90. Geburtstag“ (Laudatio: Peter Motzan) im Rumänischen Generalkonsulat München statt.
Astrid MATTHES
Anmerkung der Redaktion: Aus aktuellem Anlass wünscht die Redaktion der Hermannstädter Zeitung dem Jubilar in kollegialer Verbundenheit weiterhin viel Schaffenskraft. Wer mehr über Hans Bergel und sein Leben erfahren möchte, kann dies auf kurzweilige Weise in dem Buch „Am Vorabend des Taifuns. Geschichten aus einem abenteuerlichen Leben", aus dem im Folgenden eine Leseprobe ein anderes Bild auf Griechenland wirft:
(…) Wir dankten. Ich bat um die Rechnung und zog die Geldbörse aus der Hosentasche, einigermaßen verwundert darüber, dass weder sie noch er auf meine Anstalten einging. Ich bat noch einmal um die Nennung des Betrags, den ich zu entrichten hatte. Wir schwiegen alle vier und blickten uns an. Ich empfand Verlegenheit, wie wir uns so gegenüberstanden, ohne ein Wort zu sagen im Zikadenlärm und im melodischen Summen der Wildbienen, als wären wir verzaubert und fänden das Wort nicht, das uns aus dem Verharren erlöste. Die Griechin lächelte, ihr Mann blickte mich ernst an. Er verneigte sich leicht und sagte: „Ziste kala, o theos na evlogi tis meres sas", „Leb wohl, Gott segne eure Tage." Sie schlug drei Kreuze in unsere Richtung.
Da begannen wir zu begreifen, dass wir in einem Haus Einkehr gehalten und Gastfreundschaft genossen hatten, das weder eine Wirtsstube noch ein Gasthof, sondern der bescheidene Besitz der Xenia und des Iannis Theodorakis war – wie wir der Inschrift im Balken über der Tür entnommen hatten -, die seit einem halben Jahrhundert hier lebten, wo er als Waldarbeiter das Geld ins Haus brachte und sie als Früchte- und Reisigsammlerin aus den Siedlungen der Umgebung gelegentlich mit einigen Dinar zurückkehrte. Die Würde, mit der wir entlassen wurden, verbot jeden Versuch des Beharrens auf einer Geste der Gegenleistung.
So kommt es, dass ich bis heute beim Gedanken an Hellas neben den steinernen Porträtköpfen der Philosophen, Heerführer und Staatsmänner, der Mathematiker, Dichter und Olympioniken immer auch die Gesichter der beiden Alten auf der Passhöhe vor mir sehe und keine Schwierigkeiten damit habe, sie mit den Großen in einem Atem zu nennen. Weil mir erst das Gastmahl bei ihnen den Geist jener untergegangenen Welt vollends bewusst gemacht hat. (…)
(Auszug aus der Erzählung „Das Gastmahl", abgedruckt in dem autobiographischen Band „Am Vorabend des Taifuns. Geschichten aus einem abenteuerlichen Leben", Edition Noack&Block, Berlin 2011)
Hans Bergel.
Foto: Konrad KLEIN