Adventliches Besinnen

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Von Pfarrer Hans-Georg JUNESCH

Ausgabe Nr. 2843

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„So spricht der HERR: Ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk.” Jesaja 65, 19

Diesen Sommer sind es zwanzig Jahre her, seit ich ihn kennen gelernt habe. Streng genommen haben wir miteinander ein dienstliches Verhältnis. Er kommt zu mir, wenn er etwas braucht. Er bettelt nicht, sondern überzeugt auf seine besondere Art von der Bedürftigkeit, die ihn umgibt.

Das ist seine Arbeit. Und mein Beruf bringt es mit sich, für solche Menschen da zu sein. Zumal er ein Unsriger ist. Irgendwann habe ich begriffen, wie seine Arbeit konkret aussieht. In regelmäßigen Zeitabständen dreht er seine Runden, um das Netzwerk von Wohltätern, das er aufgebaut hat, abzugehen. Das braucht Zeit und Geduld. Bewundernswert, denke ich, denn nicht immer klappt es wie erwartet.

Anfangs war unser Verhältnis von einer sehr negativen Haltung belastet, beiderseits. Er versuchte, mir mit psychischer Gewalt beizukommen. Ich war erstaunt, wie einfallsreich der Mensch sein konnte. Um mich zu schützen, zog ich klare Grenzen und gab mich auch mancher Gewaltandrohung hin. Es war eine Art kalter Krieg, den wir letztendlich jahrelang ausfochten. Irgendwann jedoch änderten sich die Umstände und auch wir unsere Herangehensweisen. Stillschweigend schlossen wir Frieden.

Über die Jahre sind wir uns wohl gegenseitig zu Wegbegleitern geworden. Manchmal frage ich mich, ob er in gewissem Sinn nicht sogar ein Freund ist. Wie ich das meine? Irgendwann musste ich nämlich feststellen, dass ich mich ein wenig freute, wenn wir uns trafen. Obwohl unsere Begegnungen jedesmal von ganz kurzer Dauer sind. Und wenn er einmal nicht am Treffpunkt wartet, so vermisse ich ihn.

Zwanzig Jahre kennen wir uns nun schon. Heute bin ich dankbar für diese lange, langwierige Beziehung, die mir viel inneres Wachsen beschert hat. Und ich freue mich auf das, was noch kommen wird.

Pfarrer Hans-Georg JUNESCH

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.