Dr. Udo-Peter Wagner, Akademiker mit Herz und Humor, wurde 75 Jahre alt
Ausgabe Nr. 2758
Geboren wurde Udo-Peter Wagner am 8. Februar 1947 in Hermannstadt. Nach dem Besuch der Brukenthalschule und des Gheorghe-Lazăr-Gymnasiums (1960–1964), wo er im deutschsprachigen Literaturkreis mitwirkte, studierte Udo-Peter Wagner an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg Germanistik und Rumänistik. Seine Diplomarbeit („Die Erzählweise Johannes Bobrowskis“) erschien noch im gleichen Jahr (1969) in Auszügen in der geschätzten dreisprachigen Klausenburger Studentenzeitschrift Echinox, deren Mitbegründer Peter Motzan war. Als Anerkennung seiner Studienleistungen und der maximalen Abschlussnote beim Staatsexamen erhielt er das höchstdotierte staatliche Stipendium (Bursa de merit „Gheorghe Gheorghiu-Dej“) und seitens der Leitung der Philologischen Fakultät und des Lehrstuhls für Germanistik das Angebot, in den höheren Schuldienst einzutreten. Die ihm zuerteilte Assistentenstelle an der Universität in Jassy musste er aus familiären Gründen ablehnen.
Dem Studium in Klausenburg (1964–1969) folgten drei Lehrjahre an Mittelschulen auf dem Land, zunächst in Frauendorf, wo er ein Jahr lang unterrichtete, später in Kleinscheuern. Im Herbst des Jahres 1971 wird Udo-Peter Wagner an den 1969 neu gegründeten Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur der Hermannstädter Fakultät für Geschichte und Philologie gerufen und als Assistent eingestellt, wo er ab 1980 als Universitätslektor bis zur willkürlichen Auflösung des Hermannstädter Hochschulinstituts 1987 wirkte. Nach einer vierjährigen Unterbrechung der akademischen Laufbahn, währenddessen er am Lehrerausbildungsgymnasium „Päda“ in Hermannstadt tätig war, kehrt Udo-Peter Wagner 1991 an die im März 1990 wiedergegründete Alma Mater Cibiniensis zurück. Krankheitsbedingt konnte Udo-Peter Wagner erst 2003 die Promotion („Zur Rezeption des literarischen Werkes von Bertolt Brecht in Rumänien“) unter der Betreuung von Prof. Dr. Horst Schuller beenden. Im Folgejahr wird er Universitätsdozent (rum. conferenţiar universitar) und hält Vorlesungen zur Geschichte der deutschen und rumäniendeutschen Literatur sowie eine Sondervorlesung zu Bertolt Brechts Werk.
Der weit über seinen Wirkungsort Hermannstadt geschätzte Jubilar blickt auf eine überaus reiche Forschungstätigkeit zurück. Die Zahl seiner Veröffentlichungen ist beträchtlich und schließt ein breites Spektrum an Themen, Gattungen und Darstellungen zur Geschichte, Rezeption und Wirkung der deutschsprachigen Literatur und Kulturgeschichte Siebenbürgens ein. Das mit bewundernswerter Schaffensfreude zustande gebrachte wissenschaftliche Werk des angesehenen Literaturwissenschaftlers und Hochschullehrers umfasst Buchpublikationen, literarhistorisch-thematische und rezeptionsgeschichtliche Studien, kulturgeschichtliche Essays, Rezensionen, Übersetzungen sowie Überblickdarstellungen und Detailuntersuchungen, die in der vierbändigen Ausgabe (1979–1999) des Standardwerks zur Geschichte der rumäniendeutschen Literatur (Literatur der Siebenbürger Sachsen in den Jahren 1849–1918, hrsg. von Carl Göllner und Joachim Wittstock, Kriterion Verlag, Bukarest 1979; Die rumäniendeutsche Literatur in den Jahren 1918-1944, hrsg. von Joachim Wittstock und Stefan Sienerth, Kriterion Verlag, Bukarest 1992; Die deutsche Literatur Siebenbürgens. Von den Anfängen bis 1848. I. Halbband: Mittelalter, Humanismus und Barock, II. Halbband: Pietismus, Aufklärung und Vormärz, Südostdeutsches Kulturwerk, München 1997 und 1999, hrsg. von Joachim Wittstock und Stefan Sienerth) ihren berechtigten Platz haben.
Sein Interesse galt literaturhistorischen Entwicklungen und der Wirkungsgeschichte des literarischen Erbes der Rumäniendeutschen, vornehmlich den Trägern, Vermittlern und Themenfeldern der siebenbürgisch-deutschen Literatur (u. a. Daniel Roth, Petrus Mederus, Emil Witting, Georg Scherg, Emil Sigerus, Erwin Wittstock, Joachim Wittstock), wodurch Udo-Peter Wagner die Erforschung und Rezeption des siebenbürgischen Schrifttums und, in einem weiteren Bogen, der rumäniendeutschen Regionalliteraturen anzuregen gedachte. Durch die Lehrtätigkeit und Promotion bedingt, wandte sich Udo-Peter Wagner auch der Neueren deutschen Literatur zu. So liegen zu Bertolt Brecht (1898–1956) etliche Studien vor, darunter Bertolt Brechts innovatorische Leistung, die 2004 im Verlag der Lucian-Blaga-Universität herausgegebene Dissertation (217 S.).
Nach seiner Emeritierung richtete Udo-Peter Wagner seine Aufmerksamkeit weiterhin auf die Erkundung literarischer Werdegänge Siebenbürger Sachsen. Auf dem Portal des Verlagshauses facultas wird das Autorenteam Wagner & Wagner der jüngsten Veröffentlichung, Österreichisch-siebenbürgische literarische Interferenzen. Ein Abriss (AV Akademikerverlag Saarbrücken 2016, 80 S.), humorvoll – wie denn sonst? – als „[g]eisteswissenschaftliches Vater-Sohn-Gespann aus Siebenbürgen“ vorgestellt. Das den siebenbürgisch-österreichischen Literaturbeziehungen gewidmete Buch von Udo-Peter und Sohn Tilman-Otto (geb. 1977), das Einflüsse österreichischer Autoren auf siebenbürgische Schriftsteller sowie weitreichende Entwicklungen des Literaturbetriebs erfasst, richtet sich an junge Siebenbürger Sachsen, die gegenwärtig in Österreich leben, wie auch an die „in der alten Heimat“ verbliebenen. Der Band nimmt Schriftsteller in den Blick, die in Siebenbürgen geboren, zeitweilig in Österreich gelebt und geschrieben haben, Autoren, die in Wien oder in Österreich studiert und hier „wichtige Impulse für ihr Schaffen empfangen haben“ (Vorwort, S. 4) oder die in Österreich geboren und in Siebenbürgen gelebt und gewirkt haben.
Zahlreiche Aufsätze, Berichte zum Literaturgeschehen und Besprechungen sind in Tagungs- oder Sammelbänden erschienen, in kulturwissenschaftlichen Fachzeitschriften aus dem In- und Ausland (z. B. Forschungen zur Volks- und Landeskunde, Spiegelungen bzw. Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Saeculum, Transilvania), in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ), der Karpatenrundschau und Hermannstädter Zeitung. Dr. Udo-Peter Wagner war jahrelang eifriger Mitarbeiter aller Fachpublikationen germanistischer Standorte, Mitglied des Redaktionskollegiums der Hermannstädter Lehrstuhlpublikation Germanistische Beiträge (ab 1993) sowie der traditionsreichen Zeitschrift Transilvania, wo er die deutschsprachige Rubrik begründete und für die eingereichten Beiträge verantwortlich zeichnete. Auch etliche Jahre nach seiner Emeritierung erkundigen sich durchaus nicht nur „ältere Semestler“, Fachkollegen der Philologischen Fakultät, aktuelle und ehemalige Transilvania-Redaktionsmitglieder eingeschlossen, nach seinem Wohlergehen.
Als Mitglied mehrerer Literaturgesellschaften und als Referent auf Tagungen und Kulturveranstaltungen hat Doz. Dr. Udo-Peter Wagner die Hermannstädter Germanistik mit Erfolg und Jahre hindurch vertreten. Regelmäßig war er in Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien oder Frankreich unterwegs, in Marburg, Stuttgart, Regensburg und an anderen deutschen Universitäten hielt er Gastvorträge. Zahlreiche Auftritte in den Medien (Fernsehen- und Radiosendungen) und Vorträge ab 1967, noch während seiner Studienzeit in Klausenburg, später auch im breiten deutschsprachigen Raum, vervollständigen das Bild des unermüdlichen Theaterkritikers, Rezensenten und Autors zahlreicher Schriften in deutscher und rumänischer Sprache, der mit Fachkollegen an Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland einen regen Kontakt pflegte. Als die Zweigstelle Hermannstadt der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR) am 15. Juni 1992 gegründet wurde, zählte Udo-Peter Wagner zu den Gründungsmitgliedern. Mit seinem Namen ist auch die Umbenennung des Fachverbandes „Gesellschaft rumänischer Germanisten“ in „Gesellschaft der Germanisten Rumäniens“ verbunden.
Udo-Peter Wagner hat die wissenschaftliche Vernetzung mit der internationalen, insbesondere mit der deutschen und ostmitteleuropäischen, Germanistik, tatkräftig unterstützt, durch sein Wirken eine Lehr- und Forschungstradition gewahrt, Perspektiven der hiesigen Germanistik aufgezeigt und das Ansehen des Lehrstuhls über die Landesgrenze hinaus gestärkt.
Dr. Udo-Peter Wagner, Akademiker mit Herz und Humor, hat ein Gespür für Befindlichkeiten. Gekonnt heiterte er eine angespannte Lage mit seinen pointierten Bemerkungen, Anekdoten und allgemein bekannten Humoresken auf. Der humoristisch Begabte pflege mit Ernst die Witzkultur – am Lehrstuhl wie auch in der pädagogischen Praxis. Seine Witztiraden sind legendär und reichen über den engen Fachkreis hinaus. Zuhörer fand Udo-Peter immer. Unvergesslich sind sein verschmitztes Lächeln und die spontanen Tanzeinlagen bei der jährlichen Abschlussfeier der Absolventen. Gleichfalls seine unleserliche Handschrift, der man bei anfallenden Tipparbeiten bestmöglich auszuweichen versuchte, wenn man es sich ersparen konnte.
Der Lehrstuhl für Germanistik der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt widmete ihm zum 60. Geburtstag das Heft 20/21 der Germanistischen Beiträge, die älteste Fachpublikation der Hermannstädter Philologischen Fakultät. Darin würdigt Siegfried Habicher (1944–2018), der 1985 in Rottweil, der ältesten Stadt Baden-Württembergs, den Kulturverein „Foederatio Saxonica Transsilvana“, ins Leben rief, der regelmäßig zur Faschingszeit (beim Fasnetsball) verdiente Landsleute mit Humor in einer heiteren Ehrung mit dem Titel „Siebenbürgischer Ritter wider den tierischen Ernst“ auszeichnet, das wissenschaftliche Profil des Jubilars und auch den Menschen Udo-Peter (,,Dr. Udo-Peter Wagner, ein Europäer von Format, wurde 60″, S. 6-9).
Als Siegfried Habicher zum 25. Bestehen des Vereins die Festschrift 25 Jahre Foederatio Saxonica Transsilvana und Rottweiler Ritterkür. Humor, Satire, Ironie bei den Siebenbürger Sachsen (2011, Mraas Verlag, Stuttgart 88 S.) herausgab, konnte als Mitarbeiter Dr. Udo-Peter Wagner freilich nicht fehlen. Mit Recht wurde einige Jahre vorher Dr. Udo-Peter Wagner mit dem Titel ,,Doktor humoris causa“ des Jahres 1999 samt blau-roter Ehrenschärpe und Eintritt in die Rittergalerie geehrt, hatte er sich doch durch Akkomodabilität, Beharrsamkeit, Devotion, laudable Effizienz, solide Kompetenz, rühmlichen Humor und weitere Heldentaten hervorgetan, für diese Kandidatur qualifiziert und den Ruhm seines Völkchens merklich gemehrt.
Dem Gefeierten seien für weitere Jahre Gesundheit, Wohlergehen und Freude mit der Familie gewünscht.
Ad multos annos, lieber Udo-Peter Wagner!
Doris SAVA