Aufarbeiten ist angesagt

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Ausstellung zum Pogrom in Jassy 1941

Ausgabe Nr. 2565

 

Porträts von Opfern des Pogroms lassen einen Bruchteil ahnen, von dem Ausmaß des Verbrechens.                                                    
Foto: Fred NUSS

Laut einer Umfrage haben 80 Prozent der rumänischen Bürgerinnen und Bürger von Auschwitz gehört, aber lediglich 10 Prozent von dem grausamen Pogrom 1941 in Jassy. Das teilte Alexandru Florian, Leiter des Elie Wiesel-Nationalinstituts für das Studium des Holocaust in Rumänien, bei der Vernissage der Ausstellung „Martori și victime Iași 1941. Foto-Document“ (Zeugen und Opfer. Jassy 1941. Foto-Dokument) am 27. Januar, dem Internationalen Tag zum Gedenken an die Opfer des Holocaust, mit.

 

Die Ausstellung ist dem Pogrom 1941 in Jassy gewidmet, dem innerhalb einer Woche (27. Juni – 3. Juli) ca. 15.000 Menschen aus der jüdischen Gemeinschaft zum Opfer fielen, und ist noch bis zum 15. März im großen Ausstellungsraum im Schatzkästlein des ASTRA-Nationalmuseums am Kleinen Ring zu besichtigen.

Eigentlich sollte jeder und jede diese erschütternde Dokumentation sehen, zeigt sie doch Bilder und Dokumente des Beginns des Holocaust in Rumänien, der beim Einmarsch der rumänischen Truppen in Bessarabien und der Nordbukowina fortgesetzt worden ist und dem schätzungsweise 280.000 bis 380.000 Juden und 25.000 Roma zum Opfer fielen.

Gesandte-Botschaftsrätin Tania Berg-Rafaeli von der Botschaft Israels in Bukarest, David Schlaefer, politischer Offizier an der US-Botschaft in Bukarest, Elisabeth Ungureanu vom Elie Wiesel-Institut, Generaldirektor Ciprian Ștefan, Staatssekretär Paul Cotârleț, Alexandru Florian, Generaldirektor des Elie Wiesel-Instituts, und Konsul Hans E. Tischler (v. l. n. r.) bei der Vernissage.                                                    
Foto: Beatrice UNGAR

Auf dem Faltbogen zur Ausstellung schreibt Alexandru Florian treffend: Jenseits der Tragik des Todes oder des anklagenden Charakters einiger Aufnahmen, drückt die anhand dieser Bild-Dokumente nachvollzogene Chronologie des Pogroms von Jassy aus, was Thomas Mann in einem seiner Romane geschrieben hat: ‚Der Tod jedes Menschen ist mehr ein Problem der Überlebenden, als seines.‘ Ja, wir haben die Pflicht sie nicht zu vergessen, um so zu zeigen, dass wir die Lektion angesichts des kriminellen Todes gelernt haben.“ Und Elie Wiesel stellt fest: Auch wenn es in Jassy keine Gaskammern gegeben hat, alles andere hat es dort gegeben… Alles ist geschehen: der Terror, die Drohungen, die versiegelten Waggons, der Hunger, die Entwürdigung, die öffentlichen Hinrichtungen. Die Befehle kamen von oben, von Marschall Antonescu selbst. Alle oder fast alle, wurden mit mehr oder weniger Enthusiasmus befolgt. In Sachen Grausamkeit übertrafen sich Rumänen und Deutsche gegenseitig.“

Die Ausstellung ist ein Ergebnis einer Studienreise von vier Museografen- und Historiker-Teams aus Rumänien in die USA, wo der Besuch des Internationalen Holocaust-Museums einen Schwerpunkt darstellte, wie Museumsleiter Ciprian Ștefan erläuterte.

Kuratiert hat die Ausstellung der Museograf Andrei Alexe. Die Dokumente und Bilder präsentieren Schlüsselmomente des Pogroms – Das Massaker in der Stadt Jassy und die Todeszüge (nach Podu Ilioaiei bzw. Târgu Frumos) – dazu Prozessakten von Kriegverbrechern, Opfer, Zeugen und mutige Helfer, die ihr Leben riskiert haben, um Menschen zu retten.

Vor der Kulisse dieser eindrucksvollen und beklemmenden Ausstellung fiel es allen Rednern bei der Vernissage schwer, sachlich zu sein. Die Gesandte-Botschaftsrätin Tania Berg-Rafaeli von der Botschaft Israels in Bukarest bot, wie sie sagte, unüblicherweise, einen Einblick in ihre persönliche Familiengeschichte, die vom Holocaust geprägt ist und erinnerte an ihren Onkel Josef Wiener, dem Oberrabbiner von Belgien, der zu den Opfern gehört.

Persönlich wurde auch David Schlaefer von der US-Botschaft, die Studienreise und Ausstellung unterstützt hat. Seine Vorfahren waren Siebenbürger Sachsen, er sei mit einer Rumänin aus der Ukraine verheiratet. Da wäre noch vieles an Geschichte und Geschichten aufzuarbeiten.

Aufarbeit ist angesagt. Der mit der Jahrhundertfeier Rumäniens beauftragte Staatssekretär im Kulturministerium Paul Cotârleț erinnerte sich nämlich hauptsächlich an die vielen Juden aus Rumänien, die im Ersten Weltkrieg im rumänischen Heer gedient haben. Dass es sich um rumänische Staatsbürger handelte wie auch bei den Opfern des Pogroms, sollte allen zu denken geben, die sich diesem Kapitel der Geschichte Rumäniens zuwenden.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst.