Lehrer stehen täglich auf der Bühne

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  1. Siebenbürgischer Lehrertag in Hermannstadt mit Schwerpunkt Theater

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Das Thema bestimmte den Austragungsort des 26. Siebenbürgischen Lehrertags, sagte Hauptveranstalter Gerold Hermann, der langjährige Direktor der Brukenthalschule, der inzwischen von Monika Hay im Amt abgelöst worden ist, bei der Begrüßung der rund 170 Teilnehmenden in der Aula der Brukenthalschule.

Es ging nämlich unter dem Motto „Wir sprechen Deutsch“, um den Einsatz von Theater im deutschsprachigen Unterricht und da bot sich Hermannstadt erneut an (im Vorjahr waren das Pädagogische Lyzeum und die Brukenthalschule gemeinsam Gastgeber), da es hier am Radu Stanca-Nationaltheater eine deutsche Abteilung gibt. Die Lehrerinnen und Lehrer erarbeiteten am Samstag in Gruppen verschiedene Szenen aus dem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, das in der Inszenierung von Regisseur Gavriil Pinte am Freitag Premiere hatte.

In allen Grußworten ging es am Samstagvormittag um Theater. Allen voran in jenem von Helmine Pop, Leiterin der Schulkommission des Siebenbürgenforums, das für die gesamte Organisation zuständig war. Die Deutsche Konsulin Judith Urban fand, Theater sei ein guter Ansatzpunkt für „ein individualisiertes und Kompetenz übergreifendes Lernen“.

Der DFDR-Ehrenvorsitzende Paul Philippi wies auf die alte Tradition von Theaterspiel an den deutschen Schulen in Siebenbürgen hin und Alexander Szepesi vom Bildungsministerium schlüpfte in die Rolle eines der bekanntesten rumänischen Geographen, Simion Mehedinți, der auf den menschlichen Wert des Lehrers allgemein hingewiesen habe. Monika Hay, Direktorin der Brukenthalschule, dankte Martin Bottesch, dem Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, für die Unterstützung des besonderen Konzepts des Lehrertages, der nun an zwei Tagen stattfindet und bessere Voraussetzungen mit sich bringe, die jeweiligen Themen entsprechend vertiefen zu können. Monika Hay wies auch auf die Verantwortung des Lehrers für die Bildung der Schüler jenseits der Unterrichtsstunden hin und stellte die rhetorische Frage in den Raum: „Stehen wir nicht auf einer unsichtbaren Bühne?“

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„Schauspieler sind wir eigentlich alle“, stellte auch Gisella Cioconea am Samstagabend fest, als alle Gruppen aus ihren Erlebnissen beim Lehrertag erzählten. Die Lehrerin aus Kronstadt meint: „Wir stehen täglich vor der Klasse und versuchen, die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen.“ Das Klassenzimmer wird zur Bühne. Insofern waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lehrertages gut darauf vorbereitet, Szenen aus „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch vorzuspielen. In Gruppen hatten sie diese den Tag über erarbeitet und sich dabei Methoden überlegt, wie sie ihre Schüler durch das Theater an die deutsche Sprache heranführen.

Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Aus den Szenen der einzelnen Gruppen ergab sich eine zusammenhängende Vorführung des Stücks, bei der die Lehrer erleben konnten, was ihre Kollegen sich ausgedacht hatten. An Kreativität mangelte es jedenfalls nicht, jede Szene zeigte einen neuen Interpretationsansatz für Max Frischs Stück. Mal war die Dienstbotin Anna ‒ eine der Figuren ‒ eine eingeschüchterte, zögerliche Frau, ein andermal stampfte sie trotzig und mit knallroter Schleife auf dem Kopf über die Bühne und sorgte so für viele Lacher. Der Chor raunte in einer Szene warnend, in einer anderen steckte er in gebastelten Benzinfässern und kommentierte das Geschehen in gut gelauntem Sing Sang.

Auch bei den Requisiten tobten sich die Lehrer aus: Hüte aus Zeitungspapier, gebastelte Flügel oder ein quietschendes Gummi-Huhn wurden zu improvisierten Accessoires für das Schauspiel. Die letzte Gruppe machte gleich das Licht aus und spielte im Schein von Taschenlampen, was hervorragend zur Hölle als Schauplatz ihrer Szene passte.

„Ein Lehrstück ohne Lehre“ lautet der Untertitel von Max Frischs Stück. Die schauspielenden Lehrer ignorierten dieses Motto und lernten viel aus ihrem Theaterspiel, wie sie in der Abschlussrunde in ihren Fazits erzählten. Sprachverständnis, Textverständnis und Selbstbewusstsein, diese drei Kompetenzen wollen sie ihren Schülern durch das Theaterspiel vermitteln.

Das Selbstbewusstsein der Lehrer jedenfalls wurde schon erfolgreich gestärkt. Am Sonntag ging es zur Sonder-Aufführung von „Biedermann und die Brandstifter“ der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters. „Die haben vermutlich nicht mal die Hälfte der tollen Ideen, die wir heute hatten“, mutmaßte eine Lehrerin am Vorabend. Ausgezeichnet unterhalten fühlten sich die Teilnehmer des Lehrertages dann trotzdem bei der Theateraufführung, die Profis vom Radu Stanca-Nationaltheater verdienten sich Stehapplaus.

Bernadette MITTERMEIER

Beatrice UNGAR

 

 

 

Der ehemalige Direktor der Brukenthalschule, Chemielehrer Gerold Hermann (am Rednerpult rechts, stehend), der für die inhaltliche Vorbereitung des Lehrertages sowie für die Durchführung vor Ort zuständig war, begrüßt die zahlreichen Teilnehmenden am Samstag Vormittag in der Aula.                          

Foto: Beatrice UNGAR

 

In der Aula der Brukenthalschule (unser Bild) und im Spiegelsaal des Hermannstädter Deutschen Forums zeigten die Lehrerinnen und Lehrer, ihre“ Version von Max Frischs Stück.          Foto: Bernadette MITTERMEIER

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Gesellschaft, Schule.