Schäßburg feierte ein Volksfest

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Streiflichter von der 14. Auflage des Interkulturellen Festivals ProEtnica 2016
Ausgabe Nr. 2495
 

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Unter dem Motto „Interreligiöser Dialog“ fand vom 18. bis 21. August in Schäßburg das 14. ProEtnica-Festival statt. Veranstaltet wurde das interkulturelle Festival vom Interethnischen Jugendbildungszentrum Schäßburg e.V. (ibz). Mehr als 600 Vertreterinnen und Vertreter der 20 nationalen Minderheiten in Rumänien waren angereist, um den Burgplatz mit Leben zu füllen.

 

Gerahmt wurde das vielfältige und somit äußerst abwechslungsreiche Bühnenprogramm von einem wissenschaftlich-kulturellen Programm mit Vorträgen über die Situation der nationalen Minderheiten in Rumänien. Außerdem fanden Buchpräsentationen, Ausstellungen und Filmvorführungen statt. In der Altstadt waren zahlreiche Kunsthandwerkerstände, sowie Präsentationsstände mit Info-Materialien der teilnehmenden Organisationen zu sehen.

Die Mehrzahl der Besucherinnen und Besucher ließ die Vorträge allerdings links liegen und feierte ProEtnica als fröhliches Volksfest: Sie ließen sich von den Darstellerinnen zum Tanz auffordern, zückten Smartphones und Kameras und flanierten mit Langoș, Zuckerwatte oder Maiskolben durch die mittelalterliche Altstadt, oder verfolgten das Geschehen mit kühlen Getränken an Biertischen im Schatten sitzend. Das Festival-Publikum setzte sich aus Einheimischen, rumänischen Touristen und Touristinnen, sowie Individual- und Gruppenreisenden aus aller Welt zusammen. Die in der Darbietung so unterschiedlichen Tänze, Gesänge und Kostüme fanden augenscheinlich alle Gefallen beim Publikum. Sobald allerdings die Möglichkeit zum Mitmachen geboten wurde, gab es bei den Festivalgästen kein Halten mehr. Ob jung, oder jung geblieben, bei strahlender Sonne wurde ausgelassen gehüpft, gesprungen und gemeinsam getanzt. Oft standen die Zuschauerinnen und Zuschauer schon erwartungsvoll bereit, bevor überhaupt zum Mittanzen aufgefordert worden war. Egal, ob Polka oder griechischer Tanz, das Publikum zeigte keine Berührungsängste, sondern war mit Enthusiasmus bei der Sache, erlernte im Schnellverfahren die Tanzschritte oder erfand mal eben eine neue Version.

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Das farbenfrohe, im Stil der naiven Malerei gestaltete, Festival-Plakat zeigt 18 Menschen, die sich an den Händen halten und dabei einen Kreis bilden, während zwei Personen noch in den Kreis hinein wollen. Um sie herum werden zwanzig Minderheiten benannt und das christliche Kreuz, der Davidstern, islamischer Stern und Halbmond, hinduistisches OM, sowie das Peace-Symbol, der Fisch als christliches Symbol und das Regenbogenzeichen dargestellt. Im Gespräch mit der Hermannstädter Zeitung freut sich Volker Reiter, Geschäftsführer des ProEtnica-Veranstalters Interethnisches Jugendbildungszentrum Schäßburg (ibz) über die Frage nach der Gestaltungsidee. Reiter erläutert: „Wir haben nach einem Symbol gesucht, das die Festivalidee wiederspiegelt. Die Idee ist Friedensförderung auf staatlicher Ebene, also für die gesamte Gesellschaft. Das setzt man um, indem man Minderheiten die Möglichkeit gibt, sich in allen Bereichen darzustellen. Außerdem dadurch, dass man den interkulturellen Dialog fördert. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass man EU-Mitglied werden kann und Rumänien hat das exemplarisch umgesetzt.“ Die Grundidee für das Festival sei über die Jahre hinweg immer gleich geblieben, konstatiert Volker Reiter: „Wir wollen die Interaktion fördern zwischen den Darstellern und dem Publikum. Die Darsteller sollen sich unter das Publikum mischen und zusammen etwas machen. Wir wollten das Thema auf eine menschliche Ebene bringen, mit dem Ziel, dass Minderheiten nicht als Gefahr, sondern als Ressource gesehen werden.“

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ProEtnica strahlte vom Burgplatz aus in die gesamte Altstadt: Da probten Chöre in ruhigen Ecken ihre Auftritte, Touristen stellten sich davor und machten Selfies, Jugendliche saßen in Gruppen zusammen, Kamera-Teams führten Interviews. Der interkulturelle Austausch wurde auch dadurch gefördert, dass unzählige Fotos zusammen mit den Darstellerinnen und Darstellern entstanden. Viele Besucherinnen und Besucher ließen sich für ihr Foto von den Tanzgruppen und Chören in die Mitte nehmen. Dabei wurde gelacht und mit Händen und Füßen kommuniziert. „Ich mag diese Natürlichkeit hier“ sagte mir eine Schweizer Touristin die einige Sängerinnen des Slaveanka-Chores aus Tulcea beobachtete. Die Damen in langen schmucken hellblauen Kleidern hatten zuerst nur mit einer Touristin für ein Erinnerungsfoto posiert, dabei aber spontan ein Lied angestimmt.

Sanda Vițelar moderierte in rumänischer und englischer Sprache, souverän-charmant und ohne Ermüdungserscheinungen durch die vier Festivaltage. In der Moderation begleitet wurde sie von Dorin Stanciu, dem Herold der Burg, der die VertreterInnen der nationalen Minderheiten außer in Rumänisch, auch noch mit einigen Worten in der Sprache ihrer ursprünglichen Herkunftsländer begrüßte. Ungeachtet seines sicherlich warmen Kostüms und der schweißtreibenden Temperatur am Samstagnachmittag hat Dorin Stanciu in einer Moderationspause auch noch den Polka-Tanzpartner für die siebenbürgisch-sächsische Tanzgruppe des Jugendforums Hermannstadt gegeben.

Sich in der Muttersprache ausdrücken zu können, und mit anderen eine gemeinsame Sprache zu haben, spielt eine wichtige Rolle, wenn das interkulturellen Miteinander gelingen soll. Für die Festival-AkteurInnen aus den nationalen Minderheiten untereinander war die rumänische Sprache der alle verbindende Faktor. Bei den ausländischen Touristen und Touristinnen war häufig zu beobachten, dass sie auf Englisch und die vielfältigen Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation zurückgriffen, um mit den DarstellerInnen ins Gespräch zu kommen.

Beim Sound-Check der ausgezeichneten Bucharest Klezmer Band blickte mich der neben mir stehende Mann auf einmal mit leuchtenden Augen an. Ich muss wohl etwas fragend zurückgeschaut haben, denn er zeigte, immer noch begeistert lachend, auf die Bühne und erklärte: „He said something in hebrew! That’s my language! I don’t know what he said, only a few words… I was so excited to hear my language!“ (Er hat etwas auf Hebräisch gesagt! Das ist meine Sprache! Ich weiß nicht, was er gesagt hat, bloß einige Worte… Ich war so begeistert, meine Sprache zu hören!). Kein Kommentar!

Astrid STAUDINGER

 

Foto 1: Junge Tänzerinnen und Tänzer, Angehörige der serbischen Minderheit aus Detta im Banat vom Ensemble „Sveti Nikola Deta“ der Union der Serben aus Rumänien warten auf ihren Auftritt am Samstag im Schatten auf dem Burgplatz.    

Foto 2: Die Bucharest Klezmer Band stellten am ersten Tag des Festivals den krönenden Abschluss der allabendlichen Konzerte dar.

Foto 3: Auch der Herold der Burg (rechts im Bild mit Andrea Rost vom Schäßburger Jugendforum) machte beim Offenen Tanzen mit.

Fotos: Astrid STAUDINGER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.