Ausgabe Nr. 2466
Reich bebildeter Band über Rettungsgrabung bei Reussmarkt vorgestellt
Das Gebiet wo die Rettungsgrabung im Vorfeld des Baus der Autobahn-Teilstrecke 2012 stattgefunden hat, wurde schon auf der ältesten Karte Siebenbürgens (1532-1539) als „Land vor dem Wald" bezeichnet und blickt auf eine lange und spannende Siedlungsgeschichte zurück. So sind auf dieser Karte im Bereich des Grabungsortes eine Ruine und ein Waldstreifen zu erkennen. Von dieser Ruine leiten sich auch die älteren Bezeichnungen von Bad Reussmarkt als „Weisskirch", „Alba Ecclesia", „Biserica Albă" her. Auf die ehemals hier siedelnden Szekler bezieht sich die deutsche Bezeichnung für den Ort Cunța, Zeckeschdorf.
Bei den 2012 erfolgten Grabungen konnten 153 zu einer Siedlung gehörende mittelalterliche Anlagen identifiziert werden: Rechteckige, halbvertiefte Wohnungen mit einem Steinherd in der Nordecke. Einige Anlagen sind mit Keramik-Brennöfen ausgestattet. Datiert wurde die Siedlung in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts auf Grund von Keramik-Objekten aller Art, Objekten aus Knochen oder Horn, Werkzeugen, Metall-Zubehör sowie Stein-Vorrichtungen, wie z. B. Getreide-Handmühlen. Diese Funde stellen die Autoren Zeno Karl Pinter und Claudia Urduzia in dem reich bebilderten Band, der die Ergebnisse der Grabungs- und Forschungsarbeiten veranschaulicht, auf 116 Tafeln vor.
In der Zusammenfassung erfährt der interessierte Leser, dass sich in der Mitte der Siedlung ein Bau aus der Römerzeit befunden haben muss, der möglicherweise als öffentliche, repräsentative oder auch sakrale Einrichtung verwendet wurde, zuweilen auch als „Quelle für Baumaterial".
Desgleichen erlaubten die Funde den Forschern, festzustellen, dass die Siedlung keineswegs fluchtartig sondern nach Plan aufgegeben wurde. Gegründet worden war sie vermutlich von Szeklern im Zuge der im 12. Jahrhundert in Siebenbürgen stattfindenden „allmählichen Machterweiterung des mittelalterlichen Ungarn sowie der Wehrbarmachung seines Territoriums und seiner Grenzen. Der Entwicklungsverlauf dieser wehrhaften Grenzlinien im 10.-12. Jahrhundert war Forschungsthema vieler Historiker, die sich vor allem mit den historischen Ortsnamen entlang geographischer Linien mit natürlichen Verteidigungselementen auseinandersetzten. Diese natürlichen Hindernisse wurden verstärkt, indem man dichte, undurchdringliche Waldstreifen beibehielt (…), davor Gebietsstreifen unbesiedelt ließ oder absichtlich entvölkerte, um jedwelche feindliche Bewegung ungehindert bemerken und überwachen zu können. Diese Verteidigungssysteme besaßen noch besser befestigte Durchgänge (…). Wir sind der Meinung, dass sich im Zeckeschtal/Valea Secașelor in der Nähe unseres Grabungsortes, im Grenzwald, ein solches Tor befand, worauf vor allem die Ortsnamen auf den historischen Karten hindeuten: 'Wehrbusch beim Thor' oder 'Alt Wehrbusch beim Thor'."
Die hier angesiedelten Grenzwächter (custodes confiniorum) sind laut Autoren in der Mitte des 12. Jahrhunderts nach Ostsiebenbürgen umgesiedelt worden und an ihre Stelle wurden die nachmaligen Siebenbürger Sachsen angesiedelt, wie es in den Urkunden heißt „ad retinendam Coronam" (im Dienste der /ungarischen/ Krone).
Beatrice UNGAR
Zeno Karl Pinter/Claudia Urduzia: … Custodes confiniorum, vulgo ewrii… Cercetări arheologice în așezarea medievală de la Miercurea Băi – Cunța. Mit einer englischen und einer deutschen Zusammenfassung. Editura Academiei Române, Bukarest 2015, 269 Seiten, ISBN 978-973-27-2582-5